Im Rautenstrauch-Joest-Museum (RJM) sind aktuell die Teppiche von iranischen Weberinnen zu sehen. Die erzählen auf diese Weise auch die Geschichte ihrer Unterdrückung.
Ausstellung in KölnVon der Ware zum Kunstwerk – Teppichweberinnen erzählen ihre Geschichte
Was als nomadisches Kunsthandwerk seinen Anfang nahm, wurde im späten 19. Jahrhundert zum europäischen Import-Hit – vor allem in Frankreich, England und Deutschland. Bis heute sind sogenannte „Orientteppiche“ fester Bestandteil vieler Interieurs. Ein echter „Perserteppich“ – wie das schwere, im heutigen Afghanistan und Iran hergestellte Gewebe umgangssprachlich genannt wird – ist nach wie vor ein Statussymbol. Doch die Menschen, hauptsächlich Frauen, die hinter diesen handgewebten Teppichen stehen, bleiben weitestgehend unsichtbar.
Das Rautenstrauch-Joest-Museum (RJM) widmet deshalb seine neuste Ausstellung den Teppichen von acht Weberinnen aus dem Iran und möchte ihnen damit eine Stimme geben. Am Beispiel ihrer jeweiligen Schicksale thematisiert „We are not carpets“ die systematischen Ausbeutungsmechanismen der Teppichproduktion in einem nach wie vor kolonialistisch geprägten Wirtschaftssystem.
Kreative Entwürfe statt Auftragsarbeit
Die an der Ausstellung beteiligten Weberinnen haben für größere Auftraggeber gearbeitet – das wenige Geld, das sie damit verdienten, mussten sie meist ihren Männern abgeben. Oft, erzählt das Kuratorenteam, wissen die Weberinnen kaum etwas über die Bedeutung der traditionellen Muster und Symbole, die sie jeden Tag, monatelang weben. An den Entwürfen sind sie nicht beteiligt. Von dem Kunsthandwerk bleibt für sie so nur die harte, körperliche Arbeit. Sie habe sich gefühlt wie eine Maschine, erzählte eine der Weberinnen den Kuratoren.
Für das Ausstellungs- und Forschungsprojekt wurden die Frauen nun ermutigt, ihre Teppiche selbst zu entwerfen und ihre eigene Geschichte in die Werke einfließen zu lassen. Über einen Zeitraum von mehreren Jahren haben die Weberinnen an ihren eigenen Teppichen gearbeitet. Entstanden sind bunte, detailreiche Werke. Die traditionellen symmetrischen Muster und Farben wurden aufgebrochen, eigene Bilder und Symbole eingewebt. Der Teppich wird von der Massenware wieder zum Kunstwerk – und zum persönlichen Ausdrucksmittel.
Die Webereien bilden das Zentrum der Ausstellung. An langen Fäden hängen sie von der Decke. In Videos und Audio-Stationen erzählen die Weberinnen ihre Geschichten, in Workshops werden sie Einblicke in die Webkunst geben. Sie waren eng in die Gestaltung der Ausstellung eingebunden, betonen die Kuratoren Arjang Omrani, Tahereh Aboofazeli und Simone Pfeifer.
Weberinnen sind oft gezwungen, zu Hause zu arbeiten
Moderne Teppichwebereien sind gerade in ländlichen Regionen oft dezentral organisiert. Häufig sind Frauen gezwungen, in diesen dezentralen Betrieben von zu Hause aus zu arbeiten, da die Männer in ihren Familien ihnen nicht erlauben, außerhalb zu arbeiten.
Zwei Jahre lang haben die Initiatoren des Projekts, das eine Kooperation zwischen dem Museum, dem Cologne International Forum und der Universitäten Köln und Gent ist, nach Weberinnen gesucht, die überhaupt mitmachen wollten. Viele Frauen hatten Angst, ihren bisherigen Auftraggebern zu kündigen und nach dem Ende des Projekts arbeitslos zu werden. Bei ihren Männern und Familien stieß ihr Vorhaben nicht selten auf Unverständnis. Warum sollten sie das Weben überhaupt auf diese Weise problematisieren?
Das Weben nach eigenen Entwürfen führte bei vielen zu einem Umdenken
Die Weberin und Aktivistin Saheb Jamal Rahimi war die erste, die sich dem Projekt anschloss. In der Laufzeit des Projekts webte sie insgesamt fünf Teppiche, die nun in der Ausstellung zu sehen sind. Einen Teppich hat sie in Zusammenarbeit mit ihrer Mutter geknüpft. Die begann mit einem klassischen Muster, die Tochter führte den Teppich in einer modernen Interpretation weiter. Die gemeinsame Arbeit war ein Dialog – manchmal auch ein Streit – zwischen den Generationen.
Im Zuge des kreativen Entwerfens und Webens ihrer eigenen Teppiche fand bei vielen Frauen ein Umdenken statt – diese Denkprozesse sind in den Arbeiten abzulesen. Saheb Jamal Rahimi hat in ihrem Entwurf eines Teppichs, in dem sie die Unterdrückung durch ihren Onkel thematisieren wollte, zunächst sich selbst in einen Käfig gemalt. Beim Erzählen der Geschichte entschied sie sich kurzerhand um – und steckte stattdessen ihren Onkel in den Käfig: „Ich habe gemerkt: Das ist mein Teppich, hier kann ich machen, was ich möchte.“
„We are not carpets – Ich erzähle Dir meine Geschichte“, Sonderausstellung im Rautenstrauch-Joest-Museum, Cäcilienstraße 29-33, 50667 Köln, bis 5. Januar 2025, Di-So 10-18 Uhr, Do 10-20 Uhr.