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Ausstellung zu Udo KierEin kölscher Jung, viel zu schön für seriöse Filme

Lesezeit 4 Minuten
Udo Kier hält eine Blume vor sein Gesicht.

Andrea Stapperts Aufnahme „Udo Kier, Palm Springs“ wird im Kölnischen Kunstverein ausgestellt

Der Kölnische Kunstverein feiert den Schauspieler Udo Kier in einer großen Ausstellung. Über ein wie für die Kamera inszeniertes Leben.

Aus unerfindlichen Gründen dachte Andy Warhol, die Filmstudios in Hollywood hätten nur auf ihn gewartet. Vielleicht mochte er sich einfach nicht vorstellen, die glühende Liebe, die er für Glamour und Leinwandstars empfand, könnte unerwidert bleiben. Seine (von Paul Morrissey inszenierten) Versionen von „Dracula“ und „Frankenstein“ stießen allerdings auf wenig Gegenliebe, den Studios erschien Warhols Idee davon, wie man schöne Männer schöne Dinge tun lässt, wie eine schrottige Parodie. In Hollywood hatte man Mitte der 1970er Jahre offenbar noch nicht verstanden, dass dies in bestimmten Kreisen die höchste Form der Huldigung darstellte.

Schlecht ist gar kein Ausdruck für das, was Udo Kier bei Warhol als Blutsauger zeigt

Man kann die fantastische Filmkarriere Udo Kiers nicht begreifen, ohne die unerfüllte Liebe der Avantgarde zum großen Kino zu erwähnen. Die Liste der Künstler, die (am Maßstab Hollywoods) als Filmemacher oder Produzenten dilettierten, ist lang und prominent, und nicht nur Andy Warhol sah in Kier die perfekte Verkörperung eines modernen Leinwandstars: überirdisch schön und frei von klassischem Talent. Sein Dracula war das Gegenteil von Realismus, aber was sollte das schon heißen – die realistische Darstellung einer überlebensgroßen Figur? Schlecht ist gar kein Ausdruck für das, was Kier bei Warhol als Blutsauger zeigt, denn „gut“ und „schlecht“ sind in der Camp-Ästhetik eineiige Geschwister. Genau wie Eros und Tod, oder, für Hollywood-Produzenten übersetzt: Sex und Gewalt.

Im Kölnischen Kunstverein wird jetzt das Leben dieses kölschen Jungs von der Wiege (in Kölner Weltkriegstrümmern) beinahe bis zum demnächst anstehenden 80. Geburtstag nacherzählt. 1966 verschlug es den jungen Udo Kier nach London, wo er sich zum braven Steuerzahler weiterbilden lassen wollte, dann aber von der schillernden B-Film-Welt auf eine Laufbahn als Schauspieler geführt wurde. Zwei Jahre später spielte Kier in „Schamlos“ einen Zuhälter, der auf dem Höhepunkt des programmierten Filmskandals an einem vom Blut-und-Sperma-Künstler Otto Muehl inszenierten Happening teilnimmt. Damit war der ewige Bund zwischen Kier und Kunst geknüpft.

Blick in die Ausstellung Udo is Love

Eine Vitrine mit Filmfotos in der Ausstellung „Udo is Love“

Während man die Vitrinen und Bildschirme im Kunstverein abschreitet, staunt man immer wieder, mit wem Kier bereits in Köln alles gearbeitet hat. Er drehte mit den Videopionieren Ulrike Rosenbach, Klaus vom Bruch und Marcel Odenbach, mit der Experimentalfilmerin Birgit Hein, er zog mit Michael Buthe um die Häuser, posierte für Sigmar Polkes Kamera, und Rainer Werner Fassbinder traf er in einer Kölschkneipe, lange bevor dieser in München Filmemacher wurde und Kier für seine Terroristen-Farce „Die dritte Generation“ engagierte. Kier kannte jeden, und alle wollten Kier, denn jemanden, der so schön und sich für seriöse Filmarbeit zu schade war, findet man nicht alle Tage.

Die Ausstellung von Hans-Christian Dany und Valérie Knoll eine Fleißarbeit zu nennen, wäre eine Untertreibung. Lediglich eine Handvoll Exponate stammen von Kier, die Liste der Leihgeber, die vor allem Fotografien, Plakate, Videos und Filme beisteuerten, will schier kein Ende nehmen. Sie wollten Kiers Leben als „Geschichte von Begegnungen“ erzählen, so Dany. Man könnte auch sagen: als Geflecht, durch das sich der Zufall einen Weg ins Schicksalhafte bahnt. Gutes Aussehen allein war auch bei Kier nicht alles. Seine Lust an der Performance, am Überschwänglichen, am wie für die Kamera geführten Leben, machte ihn für Habenichtse der Avantgarde erreichbar und erschwinglich.

In seiner Karriere war Kier vor wenig fies

In seiner Karriere war Kier vor wenig fies. Er spielte abwechselnd in Künstler- und in Softpornofilmen mit (Warhols Produktionen bildeten die ideale Schnittmenge aus beidem) und scheute den Mainstream und dessen Verlockungen, sich im herkömmlichen Sinne als seriöser Schauspieler zu versuchen. Als Ikone des anderen Kinos absolvierte er stattdessen eine Bilderbuchkarriere im Obskuren. Wer ihn engagierte, durfte sich wie Warhol fühlen; selbst der Trashfilmer Christoph Schlingensief, der Kiers Lust an der Exzentrik teilte, besetzte ihn wohl auch als Gaststar aus der weiten Welt der Camp-Ästhetik.

Seine zweite Heimat fand Kier im unabhängigen amerikanischen Film. 1991 sang er in Gus Van Sants „My Own Private Idaho“, einem Werk, das ein „neues queeres Kino“ in den USA lancieren half, danach engagierte ihn Madonna, um in ihrem Musikvideo „Deeper and Deeper“ ein Rudel nackter Männer an der Hundeleine spazieren zu führen. Von diesem verdienten Ruhm zehrt Kier bis heute, sei es in Filmen oder als Protestredner gegen den Abriss der Kölner Kunsthalle.

Am Ende der Ausstellung findet sich Jan Soldats Kompilationsfilm „Staging Death“, der sämtliche Filmtode Udo Kiers in einem Reigen aus Blut und Spezialeffekten aneinander reiht. Wer das überlebt, darf auf Unsterblichkeit hoffen – und sei es als Avatar in Hideo Kojimas Videogame „Overdose“. Eine tödliche Überdosis Leben - das bringt dieses Leinwandleben zwischen Eros und Tod sehr schön auf den Punkt.


„Udo is Love. Eine Reise in das unfassbare Leben des Udo Kier“, Kölnischer Kunstverein, Hahnenstr. 6, Di.-So. 11-18 Uhr, 27. September bis 18. Dezember 2024.