Axel Hütte sucht die fotografische Romantik des 19. Jahrhunderts und findet im Arp-Museum Rolandseck das ewige Eis und tote Blumen.
Fotografien im Arp-MuseumAxel Hüttes Landschaften – Sehnsucht nach dem ersten Mal
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Axel Hüttes Fotografie „Blaubeuren 2“ ist aktuell im Arp-Museum Bahnhof Rolandseck zu sehen.
Copyright: VG Bild-Kunst 2025
Manchmal heißt Kunst einfach, sich das Leben schwer zu machen. Wenn der Fotograf Axel Hütte auf Reisen geht, packt er eine Plattenkamera ein, die an eine Ziehharmonika erinnert und so ähnlich bereits im 19. Jahrhundert gebräuchlich war. Leichtes Gepäck ist das nicht, aber Hütte lässt sich ohnehin sehr viel Zeit, bevor er den Auslöser betätigt. Sechs Wochen sei er im italienischen Brenta-Gebirge unterwegs gewesen, so Hütte, um drei Bilder vernebelter Berggipfel zu machen. Kein Wunder, dass er die Trophäen dieser mühevollen Fotosafari auf Maße ziehen lässt, die beinahe so ehrfurchtgebietend sind wie die Gegenstände selbst.
Axel Hüttes Landschaftsbilder sollen Projektionsflächen sein
Zwei italienische Massive hat Axel Hütte mit ins Arp-Museum Bahnhof Rolandseck gebracht: „Val Gelada“ und „Gruppo di Brenta“, jeweils 155 mal 205 Zentimeter groß. Sie tauchen aus dichten Wolkenbändern auf und erscheinen etwas verloren, wie Findlinge einer unbestimmten Landschaft. Man könnte sie romantisch finden, würden sie eine Geschichte vom Menschen in der Natur erzählen. Aber genau das, so Hütte, versuche er zu vermeiden. Seine Bilder sollen Projektionsflächen sein, die man mit den Augen und dem Geist durchwandern kann.

Negativfarben einer Trockenblume: Axel Hüttes „Flower 3691“
Copyright: VG Bild-Kunst 2025
Aber was findet der Geist in einer längst auserzählten erhabenen Landschaft? Bei Hütte vor allem technische Perfektion, die selbst schon wieder erhaben wirkt. Seine Berge heben sich wie Reliefs vom Papier ab, ein Effekt, den man sonst allenfalls von Druckgrafiken kennt. Sie wirken wie montiert, geradezu unwirklich. Kommt man ihnen nahe, scheinen in den Grauschattierungen feinste Farbnuancen auf. Statt Gottes Schöpfung bewundert man Hüttes Handwerkskunst.
Den Winterbildern der Ausstellung „Stille Weiten“ sieht man den Studenten von Bernd und Hilla Becher immer noch an. Wie seine ehemaligen Lehrer schwört Hütte auf Großbildkameras und lange Belichtungszeiten, auch seine Aufnahmen von Bergen, Flusslandschaften oder Nebelwäldern sind menschenleer und tendieren selbst im brasilianischen Urwald zum Grau-in-Grau. Umso heller leuchten die Farben seiner in den letzten Jahren entstandenen Blumenstillleben. Dabei sind es Totenmasken: Hütte ließ Schnittblumen sechs Monate lang trocknen, fotografierte sie in Zweier- oder Dreiergruppen und kehrte die Farben um. Als geisterhafte Negative bluten sie, zeit- und ortlos, ihre Farben in tiefer Schwärze aus.
Auf Island schmilzt der Gletscher Solheimerjökull auf eine dürre Horizontlinie zusammen
Die Blumenbilder seien seine Daguerreotypie, so Hütte, der seine stille Liebe für die Beschwernisse des 19. Jahrhunderts nach Kräften pflegt. Vielleicht treibt ihn die Sehnsucht an, mit den Fotopionieren Schritt zu halten und, wenn es schon kein Neuland mehr zu betreten gibt, seine Landschaften zumindest so aussehen zu lassen, als hätte er sie entdeckt. In der Antarktis fotografierte er Eisschollen, die scheinbar unter dem Gewicht tief hängender schwarzer Wolken zerborsten sind, auf Island schmilzt der Gletscher Solheimerjökull auf eine dürre Horizontlinie zusammen. Andere Gletscher türmen sich beinahe bildfüllend vor uns auf und lassen dem Himmel kaum Platz zum Atmen.
Im Katalog zur Ausstellung werden Hüttes Aufnahmen mit der All-Over-Malerei der abstrakten Expressionisten verglichen. Das hat schon deswegen etwas für sich, weil die handwerklichen Qualitäten seiner Großformate in kleinen Reproduktionen verloren gehen. Mitunter wirken seine Fotografien, in denen sich Bäume in Wasseroberflächen spiegeln, wie gemalt, etwa bei „Unterer Truchseßweiher“, ein denkbar alltägliches Motiv (mit betont nichtssagendem Titel), das allein durch die aufgerauten Wischeffekte besonders wird. Andere Aufnahmen wirken durch den gewählten Ausschnitt weitgehend abstrakt oder erinnern, wie die „Blaubeuren“-Serie mit ihren Farbschlieren, an die experimentelle Oberflächenfotografie eines Peter Keetman.
Als Zugabe laufen in der Ausstellung vier Musikvideos, in denen Axel Hütte minimalistische Musik mit der Tradition des abstrakten Films verbindet. Hier stößt die Virtuosität des Fotografen allerdings an Grenzen. „Detroit“ lebt von einer schlichten Schärfenverlagerung, die aus abstrakten Farben die Lichter einer Großstadt werden lässt, „Tidal Locking“ spielt mit Lichtschlieren auf flüssig-schwarzem Grund, und „A Whiter Shade of Pale“ zeigt verschneite Bäume hinter einer Glasscheibe, auf die Schneeflocken als schwarze Schatten rieseln. Auch diese (bewegten) Bilder erzählen nichts. Aber dabei bleibt es dann auch.
„Axel Hütte – Stille Weiten“, Arp-Museum Bahnhof Rolandseck, Remagen, Di.-So. 11-18 Uhr, 9. Februar bis 15. Juni 2025. Der Katalog kostet 34 Euro.