Christoph Poppen bewies bei einem Bach-Nachmittag mit dem Kölner Kammerorchester nicht nur sein Können als Dirigent.
Kölner KammerorchesterWenn der Dirigent selbst zur Geige greift
Am Schluss tat Christoph Poppen etwas, was er öffentlich nur noch selten tut: Er spielte zusammen mit seiner Schülerin Veronika Eberle Bachs Doppelkonzert für zwei Violinen BWV 1043 – das mit dem legendären langsamen Satz, dessen Musik nicht mehr von dieser Welt ist (er erklang dann noch einmal als Zugabe). Keine Frage: Da passten zwei Interpreten gut zusammen – im Wechselspiel von Geben und Nehmen, Frage und Antwort, Rede und Gegenrede. Eberle hatte bereits zuvor in zwei anderen Bach-Konzerten (BWV1060 und 1042) geglänzt, mit kristallklarer und zugleich inniger Tongebung unter wenig Vibrato, mit hochmusikalisch phrasierten instrumental-vokalen Linien, bei einer insgesamt allerdings etwas zu defensiven Performance.
Bach konnte das Publikum wieder zum Kammerorchester in die Philharmonie locken
Der Dirigent, der selbst zur Geige greift – das war nicht die einzige Besonderheit, mit der das Konzert des Kölner Kammerorchesters zur Jahreseröffnung in der Philharmonie aufwartete. Hatte dessen traditionsreiche „Meisterwerk“-Reihe in den vergangenen Jahren immer wieder unter nur halbvollem Publikumsrund leiden müssen, so waren die Ränge jetzt bis auf den letzten Platz ausverkauft. Das lag offensichtlich an den Interpreten genauso (zu denen gehörten Solisten aus dem Gürzenich-Orchester genauso wie der illustre Trompeter Reinhold Friedrich, der im zweiten Brandenburgischen Konzert glänzte) wie an der Agenda: Ein Nachmittag ausschließlich mit Bach ist halt immer noch etwas anderes als ein Abend mit zweitklassigen italienischen Weihnachtskonzerten, den das Orchester im Dezember offeriert hatte. Jetzt spielte es übrigens auch um einiges besser und engagierter.
Christoph Poppen mit vitalem Bachstil
Poppen pflegt, das zeigte gleich die einleitende Ouvertüre BWV 1066, einen vitalen, gut durchlüfteten Bachstil, der allerdings nicht über die Stränge schlägt. Die ruppige Dramatik historischer Aufführungspraxis wird man hier nicht finden, das Klangbild ist eher weich und gerundet. Die langsamen Rahmenteile des ersten Satzes etwa kamen ohne aggressive Doppelpunktierungen aus. Chancen dynamischer Differenzierung etwa bei Wiederholungen wurden freilich weidlich genutzt, sodass von einem uninteressanten Abspulen keine Rede sein konnte.
Möglicherweise war sogar ein Mangel – eine leichte Unterbesetzung der ersten Violinen – dafür verantwortlich, dass man diesmal die von Bach stets obligat geführten, also thematisch aufgewerteten Unterstimmen besonders gut hörte. Zum Beispiel im E-Dur-Violinkonzert: Da war nicht nur – im ersten Satz – der markante eröffnende Dreiklang immer auch als Kontrapunkt in der Tiefe der Partitur zu vernehmen, bis hin zu jenen Stellen, wo sich die Musik auf amüsante Weise sozusagen in sich selbst verläuft. Da erklang auch im langsamen Satz das Ostinato der Bässe bemerkenswert markant und durchsetzungsstark. Das zeitigte zusammen mit dem Gesang der Solovioline schon eine berückende Wirkung, irgendwie eine schwer zu beschreibende, auf jeden Fall aber glückhafte Einheit von Gegensätzen: von Unerbittlichkeit und befreitem Strömen. Für solche überwältigenden Effekte ist Bach allemal und für die Ewigkeit gut, aber man muss sie eben auch so darstellen.