Köln – Viele Chorleiter verschmähen den Taktstock selbst bei großen Oratorien - sie lassen lieber ihre Hände sprechen. So hielt es auch Peter Dijkstra bei der Gesamtaufführung des Bachschen Weihnachtsoratotiums in der Kölner Philharmonie. Wie viel der Niederländer mit seinen Händen zu sagen weiß, konnte vor allem in den Chorälen eindrucksvoll verfolgt werden. Da trug eine klare Zeichengebung die musikalische Spannung über die unvermeidliche Atemzäsur hinweg von einer Zeile zur nächsten, da gebot die erhobene Handfläche der Linken ein Durchstützen des Tons bis zum Phrasenende.
Das An- und Abschwellen des Klangs in ein gestisches Bild zu fassen, in dem noch Platz für kleine sprachliche Pointen blieb, die große Linie mit dem Sinn für das figurative Detail zu verbinden: Peter Dijkstra gelang das mit einer Deutlichkeit und gelassenen Autorität, die man nur bewundern konnte.
Dijkstra ist durch die Ideale der historischen Aufführungspraxis geprägt
Für den Nederlands Kamerchor, den er seit 2015 leitet, ist der Chef offenbar leicht zu lesen. Die 21 Sängerinnen und Sänger folgten ihm mit einer geradezu atemberaubenden rhythmischen Präzision und sprachlichen Akkuratesse.
Dijkstra, Jahrgang 1978, ist erkennbar durch die Ideale der historischen Aufführungspraxis geprägt. Seine Tempi sind allesamt sehr schnell; wer da mit Hörgewohnheiten aus dem letzten Jahrhundert belastet ist, gerät unvermeidlich an Toleranzgrenzen. Natürlich haben die großen Eingangschöre allesamt einen ausgeprägten Tanzcharakter - aber da gibt es doch einen poetischen Mehrwert, eine innige Herzenswärme, die nicht unterschlagen werden sollte.
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Die fand eher in den Arien und begleiteten Rezitativen statt. Die besuchten und hier besprochenen Kantaten Eins bis Drei weisen dem Solo-Sopran vergleichsweise bescheidene Aufgaben zu. Nach einer etwas spröde geratenen Verkündigungsszene fand die Ukrainerin Kateryna Kasper im vertrackten „Herr, dein Mitleid“-Duett zu anmutiger Beweglichkeit. Dabei half ihr die schlanke, helle Stimmgebung des Bass-Kollegen Konstantin Krimmel, der auch die „Großer Herr“-Arie mit wenig Basswucht, aber viel federndem Groove gestaltete. Der britische Tenor Hugo Hymas zeigte in den Koloraturen der „Frohe Hirten“-Arie trotz irrwitzigen Tempos noch erstaunlich viel Trennschärfe.
Freilich gab es hier etliche Unsauberkeiten - auch beim Evangelienbericht, der in Timing und Gliederung nicht besonders ausgefeilt wirkte. Schön und beseelt, bei aller Zugluftigkeit im Umfeld, sang Wiebke Lehmkuhl die drei Altarien. Ein Rätsel blieb, warum man die beiden durchdringend tönenden Oboen d’amore in ihrer unmittelbaren Nähe platziert hatte. Denen ist daraus freilich kein Vorwurf zu machen - wie überhaupt das gesamte Freiburger Barockorchester mit einer Flexibilität und Spiellust am Werk war, die in jedem Takt begeisterten.