Bahnhof EhrenfeldWie Kölner Clubbetreiber den Karneval retten wollen
Köln – Jens Ponke, im März 2020 haben Sie den Cologne-Culture-Stream mitgegründet. Jetzt wollen Sie die Plattform reaktivieren und am Samstag ein Karnevalsfest aus dem Club Bahnhof Ehrenfeld streamen. Was erwartet uns da?
Jens Ponke: Der Livestream umfasst sechs Künstler, die sich auf die zwei Bühnen des Clubs verteilen, streng nach Hygienekonzept. Deswegen auch die Bitte an unsere Zuschauer, sich nicht in Zehnergruppen vor Anlagen zu versammeln. Anja Backhaus wird moderieren, die einzelnen Slots werden kurz und kurzweilig sein.
Rebekka Salomea, Sie treten im CBE auf. Spielen Sie ein spezielles Karnevalsset?
Rebekka Salomea: Nein, auf keinen Fall! Es gibt viele feierlustige Menschen, die abseits des traditionellen Karnevals feiern wollen. Meinen schönsten Karnevalsabend hatte ich im Acephale bei völlig unkarnevalistischer Musik.
Großes Glück gehabt
Wie sind Sie mit ihrer Band durch den letzten Lockdown gekommen?
Salomea: Wir hatten das große Glück, dass wir im September ein Album herausgebracht haben. Seitdem hatte ich mich nur mit einzelnen Bandmitgliedern getroffen, mit Maske, Sicherheitsabstand und Lüften. Nachdem wir Nachdem wir unser Konzert für die digitale Ausgabe der c/o pop 2021 aufgezeichnet hatten, waren wir alle getestet und konnten als eingeschworener Kreis an neuen Sachen arbeiten.
Mankel Brinkmann, Sie sind Mitbetreiber des CBE und Vorsitzender der Klubkomm. Wie wird die Clublandschaft im Herbst 2021 aussehen?
Mankel Brinkmann: Wir hoffen, dass in Köln ein Großteil der Clubs überlebt. Die Stadt hat uns relativ schnell geholfen, und uns versprochen, dass die Clubkultur als Teil der städtischen Infrastruktur erhalten bleibt. Aber die Infrastruktur ist nur das eine, das andere sind die Menschen. Von unseren Clubs leben Veranstaltungstechniker und Künstler, die viel zitierten Soloselbstständigen. Da reichen die Hilfsprogramme bei weitem nicht aus.Viele sind schon jetzt in Existenznöten.
Das könnte Sie auch interessieren:
Sie sind auch in der Livekomm aktiv, dem Verband der deutschen Musikspielstätten. Wie hat die Hilfe deutschlandweit funktioniert?
Brinkmann: In den Großstädten gehören Clubs ganz klar zur Infrastruktur, da hat man dementsprechend schnell reagiert. Ganz vorne dabei waren die Stadtstaaten Hamburg und Berlin. In Nordrhein-Westfalen hat es ein bisschen länger gedauert. In Köln gibt es durch die Klubkomm enge Verbindungen zur Lokalpolitik, aber auf Landesebene wurde erst am Jahresende reagiert. Im ländlichen Raum hatten es Clubs schon vor der Pandemie schwer. Da machen wir uns große Sorgen, dass es einen Aderlass geben wird.
Salomea: Knapp ein Drittel der freischaffenden Musiker*innen in Berlin sollen schon den Beruf aufgegeben oder sich umorientiert haben. Auch in meinem Umfeld gab es Menschen, die gleich gesagt haben: Das hat keine Perspektive mehr, ich gehe jetzt in die IT.
Wird man am Samstag auch spenden können?
Ponke: Es wird verschiedene Spendenmöglichkeiten in verschiedener Höhe geben, von fünf bis 50 Euro. Die sind während des Streams verfügbar, zusammen mit einem Chat. Wir hatten bereits vergangenen März einen Solidaritätspakt für die Kölner Clubkultur ins Leben gerufen. Jetzt versuchen wir das Streaming-Projekt so lange, wie die Pandemie eben dauert, fortzuführen und später auch hybride Formate für Künstler und Veranstalter anzubieten.
Was wird nach der Pandemie vom Streaming bleiben?
Ponke: Als Club-Betreiber wollen wir die Leute vor Ort sehen. Aber ein ausverkaufter Club, in dem nur 100 Leute passen, könnte zum Beispiel zusätzlich 100 Streaming-Tickets verkaufen. Ein weiterer Faktor ist die Inklusion: Manche Leute können einfach nicht in Clubs gehen, aus geografischen Gründen, oder aus körperlichen. Streaming bietet die Möglichkeit, Leute in Kulturformate mit einzubeziehen, denen bisher der Zugang verwehrt war.
Brinkmann: So ein Culture-Stream ist auch wichtig als Plattform, auf der sich Künstler ihrem Publikum zeigen können.
Salomea: In den letzten Monaten haben viele Kölner Clubs uns Künstlern die Möglichkeit gegeben, Streams zu veranstalten. Das hat mir das Gefühl gegeben, dass man sich um uns sorgt, dass wir zusammenhalten.
Sehnsucht nach Gedränge
Wie wird die Rückkehr zur Normalität verlaufen?
Ponke: Die Verordnungslage wird sich, glaube ich, Schritt für Schritt zurückstellen, mit Abstandsregeln und Sitzplatz-Regelungen. Man muss auch abwarten, wie viele Leute sich noch sicher und wohl fühlen, wenn sie in einem vollen Club stehen. Es ist nicht abzusehen, was mit den Leuten in einem Jahr psychologisch passiert ist.
Andererseits wünscht man sich doch auch, sich mal wieder schwitzend in ein Moshpit zu werfen...
Brinkmann: Ich hätte nie im Leben gedacht, wie sehr ich dieses Gefühl vermissen kann. Für uns als Club-Betreiber wäre es sehr hilfreich, wenn es nachprüfbare Kriterien gäbe, um Planungssicherheit zu erreichen. Ein bestimmter Inzidenzwert, oder eine bestimmte Impfquote.
Streams an Karneval
Konzertstreams unterschiedlicher Musikrichtungen präsentiert der „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf ksta.de in Kooperation mit Dringeblieben/Rausgegangen über die Karnevalstage. Los geht es Weiberfastnacht ab 10.30 Uhr mit „Mer looße üch nit allein“ aus der Arena mit vielen kölschen Acts. Am
Karnevalsfreitag gibt es ab 20 Uhr eine kleine Version der Kult-Party Humba aus dem Weißen Holunder: Mit dabei sind unter anderem Chanson Trottoir und Jürgen Becker mit Schängs Schmölzje.
Karnevalssamstag gibt es ab 20 Uhr das hier vorgestellte Konzert und DJ-Set aus dem Club Bahnhof Ehrenfeld. Mit dabei sind Salomea, Boddy, Kaleo Sansaa, Julian Stetter, Jorengthericecake und das OK-Kid-DJ-Team.
Am Karnevalssonntag ab 17.11 Uhr findet der Sessions-Abschluss von „Loss mer singe zo Hus “ zum Mitsingen statt. Mit dem kostenfreien Angebot verbunden ist die Bitte, an die Klubkomm zu spenden.
Spenden an die Klubkomm sind schon jetzt möglich.
Was ist mit Impfnachweisen?
Brinkmann: Kultur muss für alle offen stehen. Das ist ein wichtiges gesellschaftliches Standbein, da können wir den Zugang nicht beschränken. Wir sollten lieber jetzt, wo wir eine Impfung haben, versuchen die Ängste und Nöte der Menschen ernst zu nehmen und darauf hinzuwirken, dass sich möglichst viele Leute impfen lassen, damit sich im Herbst die Frage nach einer Zweiklassengesellschaft gar nicht mehr stellt.
Wo werden Sie Karneval 2022 feiern?
Salomea: In Rio!
Ponke: In Köln, in meinem eigenen Club und mich dabei freuen, dass das wieder geht.
Brinkmann: Ich werde in der Kölner Südstadt feiern. Da wohne ich, da fühle ich mich wohl und ich weiß, wie die Kneipen gerade leiden. Das hat nicht nur etwas mit dem wirtschaftlichen Verlust zu tun, sondern auch etwas mit dem Gefühl an Karneval. Und ich werde auf jeden Fall durchfeiern.
Das Gespräch führte Christian Bos.