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Kunstmuseum in Bergisch GladbachRainer Plum taucht die Welt in Matrix-Grün

Lesezeit 3 Minuten
Grüne Laserstrahlen bilden treppenartige Strukturen in der Dunkelheit.

Laserinstallation von Rainer Plum auf dem Aachener Katschhof. Sie ist derzeit im Kunstmuseum Bergisch Gladbach zu sehen.

Das Kunstmuseum Villa Zanders zeigt eine Werkschau von Rainer Plum, der mit Laserlicht zeichnet und Geisterbilder einer Utopie erschafft.

Der kürzeste Weg von einem Punkt zum anderen ist eine gerade Linie. Allerdings ist der kürzeste selten der schönste Weg, eine Einsicht, die uns die Natur lehrt, der sich neben Stadtplanern und Landschaftsarchitekten aber auch revolutionäre Künstler gerne verschließen. Bei den russischen Konstruktivisten kam die gerade Linie gleich nach Lenin, für Malewitsch oder Lissitzky waren Zirkel und Lineal die wichtigsten Werkzeuge, um eine neue Weltordnung zu bauen. Am Ende kritzelte die Geschichte dann jedoch lieber selbstvergessen vor sich hin.

Rainer Plums Laserräume sind bewusst nicht für die Ewigkeit gebaut

Auch der Bergisch Gladbacher Künstler Rainer Plum verehrt die gerade Linie, sieht in ihr aber vermutlich ganz andere Möglichkeiten als eine Revolution. Jedenfalls sind seine mit dem Laser in die Luft gezeichneten Räume ganz bewusst nicht für die Ewigkeit gebaut. Sie leuchten uns den Weg in die Welt der Konstruktivisten, mit Linien, Grundrissen und Wänden im schönsten Matrix-Grün. Und wenn Plum den Lichtschalter wieder umlegt, bleiben von ihnen nichts als abstrakte Fotografien. Es sind Geisterbilder einer Utopie.

Jetzt ist eine kleine Werkschau Rainer Plums in seiner Heimatstadt im Kunstmuseum Villa Zanders zu sehen. Sie trägt den Titel „Im Fluss der Linien“ und vereint Fotografien, Zeichnungen und Skulpturen aus den letzten drei Jahrzehnten sowie zwei für die Villa geschaffene Laserlicht-Installationen. Bereits während man die Treppe zur Ausstellung hinaufsteigt, blitzen einem die ersten Lichter aus dem Türrahmen entgegen. Sie strecken sich allerdings nicht zu einer senkrechten Linie, sondern ähneln eher Sternen oder auch Tropfen, die glitzernd eine Schnur hinabrinnen.

Ein grauer Raum mit schwarzen Vertikalen und grauen Flächen.

„Der kristalline Raum“ (2019), eine abstrakte Fotografie von Rainer Plum nach einer Laserinstallation

Tatsächlich hat Plum für sein Heimspiel mit Angelschnüren experimentiert. Offenbar reagiert das Laserlicht jeweils anders auf verschiedene Nylonsorten und beißt in diesem Fall nur an wenigen, von Plum angestrahlten Stellen an. Diese grünen Sterne fallen in einen blauen Kreis, der über dem Boden zu schweben scheint und das Fundament des Lichtkunstwerks bildet. Vollendet wird es mit grünen Laserstrahlen, die Decken und Wände abtasten, einzelne Details hervorheben und dem abgedunkelten Raum gleichsam neue Ecken und Kanten einziehen.

Die ältesten in der Ausstellung dokumentierten Laserarbeiten entstanden 1998, vier Jahre, nachdem Plum, der als Maler begonnen hatte, sein Studium an der Kölner Kunsthochschule für Medien abschloss. Für seinen „Fliehenden Lichtraum“ flutete er den Hohlkörper der Deutzer Brücke mit Gaslichteffekten in Blau-Grün, die den Beton eher auflösen als überschreiben sollten. Die späteren Arbeiten wirken deutlich strenger, die Lichtspuren bilden geometrische Flächen und kippen vollends ins Abstrakte, wenn Plum die Aufnahmen auf ihre Schwarz-Weiß-Werte reduziert. Man kann sich das vorstellen wie Skizzen eines dekonstruktivistischen Architekten, mit kippenden Linien und schrägen Strukturen über grauen Sichtbetonschattierungen.

Diese Fotografien ähneln mitunter schon Plums Zeichnungen, weil auf ihnen die Laserlichter immer wieder ausfransen, abbrechen oder blühen – die Linie also malerisch wird. Mit Papier und Stift greift Plum diese Tendenz auf, ohne ganz von der Linie zu lassen. Sie steht selbst dann am Anfang von allem, wenn Plum ins Kritzeln gerät und seine Hand ausschlägt wie ein Seismograf. In der Regel setzt er mit dem Stift am unteren Bildrand an und lässt seine Linien aufrecht stehen; sie erinnern freilich eher an Pusteblumen, Zweige, Wunderkerzen, Fäden oder Flusen.

Wie die Lichtwerke leben auch Rainer Plums Skizzen von Auslassungen und gerissenen Verbindungen, davon, dass die gerade Linie für vieles, aber längst nicht für alles die beste Lösung ist. Sie steht weder für die Natur noch für das Leben und führt uns stets auf dem kürzesten Weg ans Ziel. Mehr gibt es aber zu entdecken, wenn man diesen wie Plum verlässt.


„Rainer Plum. Im Fluss der Linien“, Kunstmuseum Villa Zanders, Konrad-Adenauer-Platz 8, Bergisch Gladbach, Di., Fr. 14-18, Mi., Sa. 10-18, Do. 14-20, So. 11-18 Uhr, bis 12. November 2023