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BestsellerautorNeil Gaiman wehrt sich gegen neue Vorwürfe sexuellen Missbrauchs

Lesezeit 3 Minuten
Neil Gaiman besucht die Weltpremiere von „The Sandman“ im BFI Southbank am 03. August 2022 in London, England.

Der Bestsellerautor Neil Gaiman

Mehrere Frauen beschuldigen den Autor von „The Sandman“ und „American Gods“, sie zu erniedrigenden sexuellen Handlungen gezwungen zu haben.

In der 17. Ausgabe von „The Sandman“, dem Comictitel, der Neil Gaiman berühmt gemacht hat, begegnen wir einem Schriftsteller namens Richard Madoc. Der hat einen furchtbaren Weg gefunden, seine Schreibblockade aufzubrechen. Er hält die Muse Kalliope in seinem Haus gefangen. Auf der Suche nach Ideen für neue Bücher, vergewaltigt er sie. Seinen weiblichen Fans präsentiert sich der Erfolgsautor als Feminist. Schließlich befreit Morpheus, der Sandman, die misshandelte Muse, bestraft Madoc.

Der Titelheld der Comicreihe – von der weltweit mehr als 12 Millionen Exemplare verkauft wurden – erschien vielen als grimmigeres Selbstporträt des freundlichen, ungemein charismatischen Gaiman. Beide teilten eine Vorliebe für schwarze Kleidung und trugen ihr schwarzes Haar vorzugsweise verwuschelt. Mit seinen Romanen „American Gods“ und „Coraline“ gelang dem britischen Autor der Wechsel aus der Comic-Nische ins Bestsellerfach, etliche seiner Fantasy-Romane und Kinderbücher wurden für Kino, TV oder Bühne adaptiert, der heute 64-Jährige galt, wie sein Sandman, als Prinz der Geschichten: ein Traummann.

Bereits im Juli 2024 hatten fünf Frauen Anschuldigungen gegen Neil Gaiman erhoben

Bis im Juli vergangenen Jahres fünf Frauen in einem Podcast Gaiman sexuellen Missbrauch vorwarfen, über die in der Folge auch die „New York Times“ berichtete. Anfang dieser Woche veröffentlichte das „New York“-Magazin eine lange Recherche, in denen zu den bereits erhobenen Vorwürfen noch zahlreiche neue Anschuldigungen hinzu kamen. Der lange Artikel gibt die Beschreibungen mehrerer Frauen wieder, oft sehr viel jünger als der Autor, immer am unteren Ende des Machtgefälles, die behaupten, von Gaiman zu erniedrigenden sexuellen Handlungen gezwungen worden zu sein. In einem Fall, während sich sein kleiner Sohn im selben Raum aufhielt.

Die geschilderten Szenen enthalten Details, die man Lesenden nicht ohne vorherige Warnung zumuten kann. Die Aussagen der im Artikel zitierten Frauen decken sich in hohem Maße. Unter anderem in Gaimans angeblichem Insistieren darauf, von ihnen als „Meister“ adressiert zu werden.

Neil Gaiman bestreitet nicht einvernehmliche sexuelle Handlungen

Wer die Anschuldigungen der Frauen für glaubwürdig hält, wird wohl eher in Richard Madoc als im Sandman ein Selbstporträt des Autors erkennen.

Der bestreitet die Vorwürfe in einer Stellungnahme auf seiner Internetseite vehement: „Ich bin alles andere als ein perfekter Mensch, aber ich habe mich nie an sexuellen Aktivitäten beteiligt, die nicht einvernehmlich waren“, erklärte Gaiman. Beim Lesen der jüngsten Anschuldigungen gebe es Momente, die er halb wiedererkenne, und solche, die er nicht wiedererkenne, Beschreibungen von Dingen, die passiert seien, und von solchen, „die ausdrücklich nicht geschehen sind“.

Beim Durchsehen von Nachrichten, die er damals mit den Frauen geschrieben habe, habe er erkannt, dass er sich besser hätte verhalten sollen, schrieb Gaiman. Er sei achtlos mit den Gefühlen anderer umgegangen und das bereue er. Er akzeptiere aber nicht, dass Missbrauch stattgefunden habe.

Einige prominente Kollegen, darunter J. K. Rowling, Jeff VanderMeer und Naomi Alderman, haben laut „New York Times“ sowohl Gaimans Verhalten als auch die zögerlichen Reaktionen der literarischen Welt auf die Vorwürfe kritisiert. Und einige der betroffenen Frauen haben bereits auf Gaimans Posting mit einem gemeinsamen Statement regiert: „Wir sind enttäuscht, dass wir die gleiche Nicht-Entschuldigung zu sehen bekommen, die Frauen in dieser Situation schon so oft ertragen mussten.“