Als erste schwarze Frau debütiert Beyoncé an der Spitze der Billboard Hot Country Songs Charts. Es wurde höchste Zeit.
Beyoncé knackt die Country-ChartsWarum Countrymusik schon immer schwarz war
Kennen Sie Linda Martell? Die hatte 1970 mit „Color Me Country” ein erfolgreiches Debütalbum veröffentlicht, so erfolgreich, dass die Einladung in die Grand Old Opry folgte, dem allwöchentlich aus Nashville im Radio übertragenen Hochamt der Countrymusik. Damit wurde Martell zur ersten schwarzen Frau, die auf der Bühne des Ryman Auditoriums auftreten durfte.
Zwölfmal spielte sie in der Opry, dann war es schon wieder vorbei mit der Karriere. Ihre Plattenfirma mit dem unglücklichen Namen Plantation Records konzentrierte sich lieber auf ihre weißen Stars, und Martell selbst fühlte sich ausgezehrt von den Touren mit Stars wie Waylon Jennings und Hank Snow, auf denen sie als exotische Erscheinung angekündigt und von Teilen des Publikums mit rassistischen Schimpfworten beleidigt wurde.
Beyoncé, klar, die kennen Sie, hat als Künstlerin eigentlich alles erreicht. Und jetzt auch das: Mit ihrem Song „Texas Hold 'Em“ ist sie die erste schwarze Frau an der Spitze der Billboard Hot Country Songs Charts. Zum Super Bowl hatte die Sängerin aus Houston ihr erstes Country-Album angekündigt und mit „Texas Hold 'Em“ und „16 Carriages“ zwei Songs aus dem Projekt veröffentlicht, die nun auf Platz 1 und 9 der Country-Charts debütierten.
Schon eine Frau an der Spitze hat hier Seltenheitswert, Taylor Swift war 2021 die erste Künstlerin, die es – ohne begleitenden Cowboyhut-Träger – auf Anhieb auf Platz 1 der Country-Charts schaffte, mit Neuaufnahmen ihrer Songs „Love Story“ und „All Too Well“.
Billboard generiert seine Charts, in dem es Verkäufe, Streams und Radioeinsätze kombiniert. Ginge es allein um letztere, hätte Beyoncé kaum eine Chance auf den Spitzenplatz gehabt. In den Country Airplay Charts – ja, die gibt es auch – reichte es nur zu Platz 54. Was vor allem daran liegt, dass viele Country-Sender sich zuerst weigerten, „Texas Hold 'Em“, zu spielen.
Man wollte, lautete die Standarderklärung, keine „traditionellen“ Hörer verschrecken, wobei „traditionell“ hier ein offensichtlicher Platzhalter für „bigott“ ist. Da hat sich in den vergangenen Hundert Jahren wenig geändert. Countrymusik war niemals so exklusiv weiß, wie manche sie heute verstehen wollen, ihre Wurzeln liegen ebenso in schwarzen, mexikanischen und indigenen Musiktraditionen.
Viele der ersten Country-Stars in den 1920ern spielten auch schwarze Blues-Nummern ein. Segregiert wurde über Plattenlabel, „schwarze“ Stücke wurden als „race music“ verkauft, „weiße“ unter der ebenfalls abschätzigen Schublade „Hillbilly music“. In Wahrheit machte es jedoch die Mischung: Die Geige kam aus Europa, das Banjo aus Afrika. Auf „Texas Hold 'Em“ spielt es Rihannon Giddens (die gerade in Köln zu Gast war), eine der wichtigsten Bewahrerinnen amerikanischer Musiktraditionen, Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters.
Wenn Beyoncé Countrymusik macht, ist das also keine umgekehrte kulturelle Aneignung, sondern einfach nur ein Teil des musikalischen Erbes, mit dem sie aufgewachsen ist. Es ist nur peinlich für die selbsternannten Türsteher des Genres, dass erst eine Frau mit ihrer Superstar-Power kommen musste, um die Country-Charts, deren Einlasscode schon viel zu lange „weiß, männlich, großer Hut“ lautet, auf diese einfache Wahrheit zu stoßen.