Billy F. Gibbons gibt im Juni ein Solokonzert in Köln. Im Gespräch erzählt er, warum er trotz des Todes seines Bassisten Dusty Hill mit seiner Band ZZ Top weitermachen will.
Billy F. Gibbons im GesprächWarum ZZ Top auch mit nur einem Bart weitermachen
Billy F. Gibbons, geboren 1949 in Houston, Texas, lernte Percussion bei Tito Puente, bevor er zur Gitarre wechselte. 1969 gründete er zusammen mit dem Bassisten Dusty Hill und dem Schlagzeuger Frank Beard ZZ Top. Das Trio gilt als eine der erfolgreichsten und beständigsten Rockbands der USA. Nach Dusty Hills Tod im Sommer 2021 machen Gibbons und Beard mit dem langjährigen Bandvertrauten Elwood Francis am Bass weiter. Zuerst geht Gibbons jedoch solo auf Tour: Am 24. Juni tritt er mit seiner Live-Band The BFGs im Kölner E-Werk auf.
Herr Gibbons, wir sprechen über Zoom, wo befinden Sie sich gerade?
Billy F. Gibbons: Ich bin in Las Vegas, wo es für die Jahreszeit untypisch kalt ist. Es hat sogar geschneit, was sehr selten vorkommt.
Ihr letztes Soloalbum „Hardware“ endet mit dem Spoken-Word-Track „Desert High“, einem Loblied der Wüste: Dort fühlen Sie sich, sagen Sie, „ein bisschen näher am Himmel“. Wie kann man sich nur in der Wüste zu Hause fühlen?
Wie Sie wahrscheinlich wissen, wird ZZ Top manchmal als die kleine, alte Band aus Texas bezeichnet. Und da Teile von Texas im Wüstengebiet des amerikanischen Südwestens liegen, bin ich mit dieser Umgebung seit jeher vertraut. Ich hatte allerdings nie über den Einfluss der Wüste auf meine Musik nachgedacht, bis ich mit meinen guten Kumpels Matt Sorum am Schlagzeug und Austin Hanks an der Gitarre „Hardware“ in einem Studio in der berühmten Joshua-Tree-Wüste in Kalifornien aufnahm. Wir kamen alle drei zu dem Schluss, dass so ein Aufenthalt in der Wüste auf eine mystisch-magische Art eine tiefere Kreativität hervorbringt. Eine genauere Erklärung kann ich ihnen leider nicht liefern. Es ist ein seltsames Gefühl.
Nach Ihren Einflüssen gefragt, benannten Sie nicht nur amerikanische Bluesmusiker, sondern auch die englischen Bands der 60er Jahre. Sie wollten mit ZZ Top deren Musik aufmotzen, sagten Sie, so wie man beim „Hot Rodding“ alte Autos mit hochtourigen Motoren aufmotzt…
Diese Verbindung von schnellen Autos und Rock’n’Roll hat doch eine lange Tradition. Denken Sie nur an „Rocket 88“, vielleicht die allererste Rock’n’Roll-Platte, das ist der Name eines frühen amerikanischen Automodells. Ich glaube, am einfachsten kann man feststellen: Autos und Rock’n’Roll sind beide schnell und laut. Dazu kommt noch dieses Gefühl von Freiheit, überall hinfahren zu können.
Eine Sache, die an Ihrer Karriere auffällt: Trotz der großen Beständigkeit – Zausel-Bart und Wüsten-Boogie seit 54 Jahren – waren Sie immer offen für neue Einflüsse. Die Funkgitarre in „Cheap Sunglasses“, die Drum-Machines und Synthesizer auf „Eliminator“, später Latin-Rhythmen auf Ihrem ersten Soloalbum.
Die dramatischsten und größten Veränderungen bei ZZ Top kamen damals durch unsere Freundschaft mit Depeche Mode zustande. Das war schon eine interessante Kombination. Mich interessiert bis heute die Herausforderung, neue Dinge zu lernen. Kann ich meine Hände immer noch dazu bringen, das zu tun, was mein Gehirn von ihnen verlangt? Kürzlich habe ich mich in Austin, Texas, mit den beiden Gitarristen Jimmy Vaughan und Eric Johnson getroffen. Wir wollten ein neues Fender-Gitarrenmodell ausprobieren. Wir reichten die gleiche Gitarre herum, aber bei jedem Spieler klang sie völlig anders. Es ist nicht die Gitarre, es sind die Hände.
Worüber Billy F. Gibbons mit Keith Richards im Backstage-Bereich spricht
Warum spielen Sie dann eigentlich nicht Jazz?
Ich weiß, man sagt, Rock’n’Roll, das ist so einfach. Drei Akkorde, da ist nichts dabei. Und ich sage: Na ja, hören Sie lieber noch mal genau hin. Ein gutes Beispiel ist einer meiner Lieblingskünstler, der Blues-Musiker Jimmy Reed. Für den Uneingeweihten spielt der einfach nur drei Akkorde. Aber unter der Oberfläche verbirgt sich eine unerwartete Raffinesse. Darüber habe ich neulich lange mit Keith Richards im Backstage-Bereich diskutiert. Er sagt, die Kunst besteht darin, sich mit drei Akkorden immer wieder etwas anderes einfallen zu lassen.
Wo Sie gerade Keith Richards erwähnen: Die Rolling Stones haben 2021 ihren Schlagzeuger Charlie Watts verloren, ZZ Top kurz davor ihren Bassisten Dusty Hill. Beschleicht Sie manchmal das Gefühl, dass Sie bald der Einzige sind, der noch übrig ist?
Ja, die Reihen lichten sich. Zuletzt ist Gary Rossington von Lynyrd Skynyrd gestorben, seine gesundheitlichen Probleme waren allerdings schon seit einiger Zeit besorgniserregend. Wir waren Lynyrd Skynyrd schon immer sehr nahe, ZZ Top hatte der Band damals ihren ersten bezahlten Job verschafft. Sie sollten bei unseren nächsten Shows mitspielen. Als Gary gestorben ist, sprach ich mit ihrem Team, aber die sagten nur: So schlimm es auch ist, die Show muss weitergehen.
Sie selbst haben im Sommer 2021 nur drei Tage nach dem Tod von Dusty Hill, ihres Bassisten seit 1969, das nächste ZZ-Top-Konzert gespielt. Ist der Rock’n’Roll zu schnell, um lange zu trauern?
Wie Sie wissen, machen ZZ Top jetzt mit einem neuen Bassisten weiter, Elwood Francis. Das war Dustys Wunsch. Er hatte am Telefon zu mir gesagt: „Hör mal, ich fühle mich nicht ganz auf der Höhe. Falls ich aus irgendeinem Grund nicht zurückkomme, stelle sicher, dass Elwood meine Gitarre bekommt.“ Elwood ist seit 30 Jahren bei uns, er ist ein Teil der Familie. Dusty spielte den Bass mit den Fingern, während sie Elwood mit einem Plektrum anschlägt. Es klingt ein bisschen fokussierter, er bringt noch einmal etwas wirklich Neues und Interessantes in die langjährige Tradition von ZZ Top. Als ich ihm das sagte, tauchte er am nächsten Tag plötzlich mit einem 17-saitigen Bass auf und schwärmte von Math-Rock. Sehen Sie, hinter der nächsten Ecke warten immer wieder neue Überraschungen. Wenn man bereit ist, sich darauf einzulassen, bleibt das Energieniveau hoch.