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Bizarre Trump-FeierlichkeitenDas Sternenbanner hängt aus der Gesäßtasche

Lesezeit 3 Minuten
US President-elect Donald Trump looks on as the Village People perform at a MAGA victory rally at Capital One Arena in Washington, DC, on January 19, 2025, one day ahead of his inauguration ceremony. (Photo by Jim WATSON / AFP)

Donald Trump tanzt mit den Village People in Washington

Das Entertainment-Programm zu Donald Trumps Amtseinführung gibt einen Vorgeschmack auf eine neue, verzerrte Wirklichkeit.

Als Donald Trump 2017 das Amt des US-Präsidenten antrat, scheuten prominente Performer die Feierlichkeiten in Washington. Eine 16-jährige Talentshow-Gewinnerin sang die Nationalhymne. Vier Jahre darauf, zur Inauguration von Joe Biden, übernahm Lady Gaga.

Bevor Trump am Montag zum zweiten Mal den Eid ablegt, wirft sich sein erklärter New Yorker Lieblingstenor Christopher Macchio in die Brust. Anschließend hat sich mit der Country-Sängerin Carrie Underwood noch ein echter Star angesagt, sie singt – es dauert nicht lang – „America the Beautiful“. Die Rapper Nelly und Snoop Dogg waren bereits am Freitag im Rahmen einer Trump-freundlichen „Kryptogala“ in Washington aufgetreten.

Die wahren Stars im Kapitol sind die Tech-Milliardäre

Die wahren Stars in der Rotunda des Kapitols sind aber wohl die Tech-Milliardäre und -CEOs, die der Inauguration beiwohnen, unter anderem Mark Zuckerberg (Meta), Jeff Bezos (Amazon), Elon Musk (Tesla), Sundar Pichai (Google) und Tim Cook (Apple) machen ihre Aufwartung. Während sie ihre Plätze auf der Tribüne einnehmen, spielt jemand „This Land Is Your Land“ auf dem Klavier und Woodie Guthries linkspatriotische Antwort auf Irving Berlins „God Bless America“ erhält eine neue, düstere Bedeutung.

Schon am Tag zuvor, auf der öffentlichen Siegesfeier in der Washingtoner Capital One Arena, zeigte sich Donald Trumps Fähigkeit, die Fakten nach seinem Willen zu beugen, wie ein Schwarzes Loch das Licht: Nachdem zwei mit dem Glätteisen ondulierte Blondinen Jesus und seine himmlischen Heerscharen angerufen hatten, Trump in seinem göttlichen Auftrag zu unterstützen, schwor Kid Rock die Menge auf die „United States of motherfucking America“ ein. Der neugewählte Präsident pflichtete dem Redneck-Rapper per Einspielung bei: „Let's make America rock again.“

Country music artist Carrie Underwood performs during inauguration ceremonies in the Rotunda of the US Capitol on January 20, 2025 in Washington, DC. Donald Trump takes office for his second term as the 47th president of the United States. (Photo by Chip Somodevilla / AFP)

Carrie Underwood singt während der Inaugurations-Zeremonie im Kapitol.

Das sollte unmöglich unter eine Maga-Kappe passen können – und doch: Kaum, dass der puerto-ricanische Reggaeton-Star Anuel AA von den großartigen Dingen geschwärmt hatte, die Trump für die hispanische Gemeinschaft in den USA unternehmen werde, drohte dessen rechtsextremer Scharfmacher Stephen Miller sämtlichen undokumentierten Einwanderern – viele davon aus spanischsprachigen Ländern – mit sofortiger Ausweisung, später warnte ein Video vor einer „Invasion venezolanischer Gangmitglieder“ und Trump selbst versprach in seiner Rede die größte Abschiebewelle in der Geschichte der Vereinigten Staaten, was er in seiner Inaugurations-Ansprache am nächsten Tag in ähnlich denunziatorischer Schärfe wiederholt.

Die andere von vielen Rednerinnen und Rednern in der Arena attackierte Minderheit ist die Transgender-Community: „Es gibt Männer, und es gibt Frauen, und das ist eine Entscheidung von Gott, die sich nicht ändern lässt“, behauptete Miller und die rechtskonservative Moderatorin Megyn Kelly knüpfte nahtlos daran an. Eine der ersten geplanten Verordnungen der neuen Regierung erkennt nur noch zwei Geschlechter an, Programme zur Förderung von Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion sollen gestrichen werden.

Drag-Queens sollen die angeblich verweichlichte US-Armee zeigen

Ein Video in der Washingtoner Arena zeigte das angeblich durch „woke“ Politik verweichlichte US-Militär, konterkarierte Drag-Queen-Performances mit Ausschnitten aus Stanley Kubricks Vietnamdrama „Full Metal Jacket“ – als wäre dessen demütigende Drill-Übungen Best-Practice-Beispiele.

„So haben wir zwei Weltkriege gewonnen“, kommentierte Donald Trump, dann dirigierte er die Menge zu einem letzten, frenetischen „Make America great again“-Chor an dessen Ende die Village People die Bühne betraten, um ihren Hit „Y.M.C.A.“ darzubieten: Einst ein ironisches Loblied auf die Freuden des schwulen Cruising hat sich der Song unter Trumps Einfluss zur Maga-Hymne verformt.

Der 47. Präsident tanzte inmitten schwuler Stereotype seinen bekannten Trump-Tanz, der Ledermann trug auf dem Rücken einen „USA“-Aufnäher. Das aus seiner Gesäßtasche hängende Taschentuch, das eigentlich auf sexuelle Vorlieben hinweisen soll, ist ein Sternenbanner. Schließlich war die Disco-Party vorbei, Trump und der Ledermann salutierten kurz voreinander und auch das war nur ein weiterer surrealer Moment, der jetzt als die neue Wirklichkeit mindestens der kommenden vier Jahre verbrieft ist.