Blick auf das RuhrgebietKölner fotografiert die Schönheit des Maschinenparks
Köln – Das Ruhrgebiet galt lange Zeit als der Hinterhof der alten Bundesrepublik. Wo sich die Arbeiter Kumpel nannten, den Schweiß und den Schmutz ihrer Untertageschichten in der Waschkaue abspülten, ganz allgemein im Pott hausten und samstags auf Schalke gingen, wenn der Rest der Republik das Stadion besuchte. Von Norden aus betrachtet, war das Ruhrgebiet ein graues Häusermeer, bevor man endlich ins liebliche Rheintal gelangte, von Süden ein großer Autostau auf dem Weg ans Meer. Eine übelriechende Rauchwolke, eine proletarische Zumutung im Gelsenkirchener Barock, der Motor des Wirtschaftswunders, das schon, aber Industrie ist eben hässlich. Ruhrgebiet gleich Ruß-Gebiet gleich Durchgangsgebiet.
Tatsächlich? Die einzigartige Atmosphäre des Ruhrgebiets fängt nun ein neuer Fotoband ein, „Der Pott“ des Kölner Fotografen Achim Bednorz und des Autors Walter Buschmann, der über 35 Jahre hinweg als Landschaftspfleger im Ruhrgebiet gearbeitet hat und seine Kenntnisse über die Denkmäler der Industrielandschaft auch als Hochschullehrer vermittelte. „Der Pott“ zeigt etwas Erstaunliches: Die Ästhetik des scheinbar rein Funktionalen; die Schönheit eines Maschinenparks, die Faszination einer Arbeitswelt. Und eben auch die Emotion, die sich mit alledem verbindet und die wir aus Romanen und Filmen nur zu gut kennen.
Zu Buch und Person
Achim Bednorz, geboren 1947, lebt in Köln. Er studierte an der „Fachhochschule für Photoingenieurwesen“ (heute Technische Hochschule). „Der Pott“ erscheint im Könemann Verlag, 640 Seiten, 638 Abbildungen, 39,95 Euro.
Zum Beispiel: Kokerei oder auf Zeche? Das ist die Zukunftsfrage für den zwölfjährigen Julian Collien, der seine Kindheit mit Blick auf die Schlote, Fördertürme und Fabriken des Ruhrgebiets verlebt. Die Kokerei dampft und färbt mit ihrem Feuer den Himmel rot – das gefällt Julian. Sein alter Herr hingegen fährt Tag für Tag ins Bergwerk ein, und dort würde er auch seinen Sprössling gern sehen. Ja, so hätte ein Vater-Sohn-Gespräch an einem Sonntagnachmittag im Sommer in den 60er Jahren gut verlaufen können, auf dem Balkon, während der Qualm auch am Wochenende den Horizont verdunkelt.
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In Adolf Winkelmanns Film nach dem Roman von Ralf Rothmann „Junges Licht“ jedenfalls verläuft es genau so. Und was wäre ein Schimanski-Tatort gewesen ohne die raue, kompromisslose, mitunter abstoßende Ruhrgebietsluft, die dennoch Heimat bedeutet? Die Orte, über denen sie schwebt, sind auf Bednorz’ Fotografien menschenleer. Das Ruhrgebiet ist hier tatsächlich ein Denkmal seiner selbst. Ein stilles Denkmal.
Mit rund 5,1 Millionen Einwohnern zählt das Ruhrgebiet zu den bevölkerungsreichen Regionen Europas, nicht so dicht besiedelt wie Paris oder London und deren Umland, aber immerhin vergleichbar mit Madrid und größer als Berlin. Gern fasst sich das Ruhrgebiet dementsprechend zur Metropolregion zusammen, so wie 2010, als es Kulturhauptstadt wurde. „Ruhr 2010“ versetzte dem Pott einen Schub. Auf dem Weg von der Kohle zur so genannten Kreativwirtschaft durchlief die alte Zeche Zollverein eine Metamorphose zu einem Kulturzentrum mit hochmoderner Designwerkstatt. Die Jahrhunderthalle in Bochum, die einst Gebläsemaschinen für Hochöfen beherbergte, ist ein spektakulärer Veranstaltungsort etwa für die Ruhrtriennale, und das Gasometer in Oberhausen hat sich zum Multifunktionsgebäude gemausert.
Das Ruhrgebiet ist also in gewisser Weise noch immer Durchgangsgebiet. Aber die Fahrt lohnt sich, auch wenn man zu Hause bleibt und in einem so wundervollen Buch wie „Der Pott“ blättert. Glück auf!