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Nicht nur für Musik-ExpertenDas sind die Highlights der Beethoven-Schau in Bonn

Lesezeit 4 Minuten

Eine Partitur aus Beethovens einziger Oper „Fidelio“

  1. Die Ausstellung, die vom Dienstag an zu sehen ist, hat aus vielen Ecken Europas rund 250 hochkarätige Exponate versammelt.
  2. Die Schau ist großzügig und perspektivenreich – und überfordert dennoch nicht durch pure Masse.
  3. Einige Aspekte fehlen jedoch. Denn manches, was Beethoven produzierte, ist Kennern auch peinlich.

Bonn – Eines der spektakulärsten Exponate hatte keinen weiten Weg in die Bonner Bundeskunsthalle, den Ort des Geschehens: Das Porträtbild Joseph Karl Stielers, das den Komponisten an seiner Missa solemnis schreibend zeigt, wurde der Ausstellung „Beethoven – Welt.Bürger.Musik“ vom nahen Beethovenhaus überlassen. Ironischerweise war dieses Bild in besonderer Weise geeignet, einen jener Mythen zu befördern, die die Schau eigentlich dekonstruieren möchte – wie Agnieszka Lulinska von der Bundeskunsthalle, eine der beiden Kuratorinnen, anlässlich der Pressevorstellung ausführte.

Gemeint ist die Vorstellung vom einsamen Revolutionär, der fernab vom Weltgetriebe sein titanisches Werk vollbrachte. Sie ist tatsächlich unbegründet: Die Ausstellung dokumentiert das dichte Netzwerk aus Freunden, Gönnern, Zuarbeitern, mit denen Beethoven zeitlebens rechnen konnte.

Höhepunkte des Bonner Beethoven-Jahres

Jazzfest Bonn (30. April bis 28. Mai): Jazz-Beet, der Nachwuchswettbewerb, ruft die teilnehmenden Trios auf, sich bei ihrer Vorstellung mit mindestens einem Stück des Klassikers auseinanderzusetzen.

Bonner Beethovenfest (13. bis 23. März, 4. bis 27. September): Diesmal wird geklotzt – und man startet bereits im März. Dann spielt etwa MusicaAeterna unter Currentzis und Antonini die Sinfonien.

Sonderausstellung im Beethovenhaus (17. Dezember 2019 bis 26. April): „In bester Gesellschaft – Joseph Stielers Porträt und seine Geschichte“ rekonstruiert die Genese des berühmtesten Beethoven-Bildes.

Spezial der Beethoven-Schau in der Bundeskunsthalle (1. Februar, 19 Uhr): „Beethoven – Der große Einsame“. Die Aufführung des Stummfilms von 1927 begleitet das Metropolis Orchester Berlin live mit Musik von Richard Siedhoff.

Bthvn Woche im Beethovenhaus (17. Januar bis 9. Februar): Tabea Zimmermann, Präsidentin des Beethoven-Hauses, hat es hinbekommen: In 16 Konzerten im Kammermusiksaal wird das komplette Kammermusikwerk aufgeführt. (MaS)

Das Beethovenjahr – Ende 2020 begeht die Musikwelt den 250. Geburtstag – hat noch nicht begonnen, da trumpft die Geburtsstadt schon auf: Die in Kooperation von Geburtshaus und Bundeskunsthalle erstellte Schau, die vom Dienstag an zu sehen ist, hat aus vielen Ecken Europas rund 250 hochkarätige Exponate versammelt, deren Konfiguration darauf abzielt, den Menschen Beethoven in seiner Epoche zu zeigen, in jenen von Reinhard Koselleck als „Sattelzeit“ bezeichneten Jahrzehnten, die den Übergang von der feudalen zur bürgerlichen Ära markieren. Das Ganze wird chronologisch in fünf Abschnitten rhythmisiert, deren erster den Bonner Jahren von 1770 bis 1792 gilt.

Aber Chronologie ist auf die Dauer langweilig, und so gewinnt die Schau vor allem durch die thematischen Schwerpunkte abseits der Zeitleiste: instruktiven Kapiteln zu Beethovens Orchester und seinen Instrumenten, zur Krankheitsgeschichte des Meisters, zu seinem Tagesablauf, zum Komplex „Beethoven und das Geld“ oder zum Thema „Beethoven und Goethe“. Einzelne zentrale Werke werden übersichtlich auf ihnen gewidmeten blauen Kreistafeln abgehandelt.

Und unter all diesen Bildern, Stichen, Briefen, Notenblättern und authentischen Alltagsgegenständen gibt es ein paar echte Highlights: die Kopistenabschrift der „Eroica“, die Skizzen zur Ode „An die Freude“, die bereits 1812 entstanden, oder das „Heiligenstädter Testament“ von 1802. Hervorzuheben: ein Brief des Bonner Professors Fischenich an Schillers Ehefrau Charlotte von 1793, aus dem hervorgeht, dass Beethoven sich bereits damals mit Plänen zur Vertonung der Freudenode trug.

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Die Ausstellung ist großzügig und perspektivenreich – und überfordert dennoch nicht durch pure Masse. Und sie legt, weil sie dem Komponisten auch als Alltagserscheinung auf die Pelle rückt, keine Schwellen für den Nichtfachmann. Dennoch bleiben Wünsche offen. So gehörte zum Mythos Beethoven, den die Schau angreifen will, auch die revolutionäre Gesinnung, die der Mann unbekümmert um Freund und Feind zur Schau gestellt habe. Nun lehrt die Entstehungsgeschichte der „Eroica“ exemplarisch, dass Beethoven seine Napoleon-Begeisterung weniger wegen dessen Kaiserkrönung an den Nagel hängte, als vielmehr, weil ihm seitens des prospektiven Widmungsträgers, des Fürsten Lobkowitz, ein saftiges Honorar winkte.

Julia Ronge, die Kuratorin vom Beethovenhaus, stellte diese Zusammenhänge vor der Presse wünschenswert deutlich dar, in der Schau selbst aber kann man sie nicht einmal erschließen. So bleibt die Entmythisierung auf halbem Weg stecken, die auch in den Zeitleisten nahegelegte Verbindung von Person und Zeitgeschichte streckenweise unterbelichtet.

Es fehlt etwas über den „mittelguten Beethoven”

Nicht schlecht wäre in diesem Sinne auch ein Kapitel etwa mit der Überschrift „Der mittelgute Beethoven“ gewesen. Der Meister schrieb nämlich rund um die Befreiungskriege und den Wiener Kongress einige Gelegenheitswerke („Wellingtons Sieg“ und „Der glorreiche Augenblick“), die ihm selbst viel äußere Ehre einbrachten, die heutzutage aber sogar inbrünstigsten Verehrern peinlich sind.

Schließlich: Es reicht nicht, wenn man das revolutionär Neue der Musik beschwört, dies aber dann de facto lediglich an den Satzlängen festmacht. Eine einzige große Partiturseite, auf der man mit roten, blauen und grünen Kreisen die Motiventwicklung und -transformation eines Beethovenschen Kammermusikwerks deutlich gemacht hätte (mit der Gelegenheit, dazu die Musik zu hören) – es hätte auch ein Laienpublikum nicht überfordert. So kreist die allemal sehenswerte Schau am Ende dann doch um ein paar schwarze Löcher.

Die Ausstellung „Beethoven – Welt.Bürger.Musik“ ist in der Bonner Bundeskunsthalle vom Dienstag bis zum 26. April zu sehen. Der Katalog ist im Kölner Wienand-Verlag erschienen, umfasst 264 Seiten und kostet 35 Euro (Buchhandel: 39,80 Euro).