Die Berichterstattung über Mathias Döpfner und Julian Reichelt reißt nicht ab. Nun beschäftigt sich der Spotify-Podcast „Boys Club - Macht und Missbrauch bei Axel Springer“ mit den Machtstrukturen im Verlag.
„Limousinen, Schampus, Leistungsdruck“Das erzählt der „Boys Club“-Podcast über „Bild“ und Springer
Die Springer-Wochen gehen in eine neue Runde. Am Montag sind bei Spotify die ersten zwei Folgen eines Podcasts über den Konzern erschienen. Gerade erst hatte die „Zeit“ ausführlich über abwertende Nachrichten berichtet, die Vorstandschef Mathias Döpfner unter anderem über Ostdeutsche geschrieben hatte. Dieser hatte daraufhin öffentlich um Entschuldigung gebeten. Mit Spannung erwartet wird auch der neue Roman „Noch wach?“ von Benjamin von Stuckrad-Barre, der am 19. April im Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch erscheint und Döpfner und Springer zum Thema haben soll.
Im Podcast „Boys Club“ beschäftigen sich die beiden Journalistinnen Pia Stendera und Lena von Holt mit „Macht und Missbrauch bei Axel Springer“. Die Veröffentlichung dieser Recherchen und des Romans mit wenigen Tagen Abstand sorgt für gewaltige Aufmerksamkeit. Das Timing könnte also nicht besser sein.
Jan Böhmermann macht seit Tagen auf seinen Social-Media-Kanälen und in seinem eigenen Podcast „Fest und flauschig“ kräftig Werbung für „Boys Club“, allerdings ohne zu erwähnen, dass dies die erste Kooperation zwischen seiner Produktionsfirma und Spotify ist. TRZ Media gründete er im Februar 2022 mit Hanna Herbst und Robin Droemer.
Reichelt bestreitet alle Vorwürfe
Über Julian Reichelts mutmaßliche Verfehlungen ist seit seinem Rauswurf als Chefredakteur der „Bild“ im Oktober 2021 ausführlich berichtet worden. Er soll seine Macht missbraucht haben, indem er mit Frauen Affären hatte, die beruflich von ihm abhängig waren. Der Journalist bestreitet das bis heute.
Sein Anwalt Ben M. Irle teilte dazu aktuell mit, nach dem Ergebnis seiner Prüfung seien die wesentlichen Behauptungen einer „Bild“-Mitarbeiterin gegen Reichelt frei erfunden. Der Rechtsstreit zwischen Verlag und Mitarbeiterin wurde durch eine einvernehmliche Einigung beendet.
Nun kommt Julian Reichelt in den beiden ersten der acht Folgen des neuen Spotify-Podcasts, die am Montag veröffentlicht wurden, natürlich vor. Eine junge Journalistin berichtet darüber, wie sie ihn kennenlernte und er sie daraufhin förderte. Aber eigentlich ist Reichelt nur ein Randaspekt. Das mag zunächst überraschen, ist aber ein Gewinn.
Denn Stendera und von Holt geht es um mehr als den Fall Reichelt. Sie wollen aufzeigen, wie die Machtstrukturen bei Springer sind und was das mit den Menschen, die dort arbeiten, macht. Sie sind sicher: „Dass die Affäre um Julian Reichelt bei Bild passiert ist, ist kein Zufall“.
Für den Podcast sprachen die Journalistinnen nach eigenen Angaben mit mehr als 40 aktuellen und ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Axel Springer. Dabei kamen über 80 Stunden Material zusammen, die Arbeit am Podcast dauerte mehr als ein Jahr.
Dabei betonen sie zu Beginn, wie mühsam die Recherche gewesen sei. Noch nie seien sie auf so viel Zurückhaltung gestoßen. „Sie alle haben Befürchtungen, zum Teil sogar panische Angst, mit mir über ihre Zeit bei Springer zu sprechen“, sagt Stendera im Podcast.
Es erinnert an einen Kult
Sie haben dann doch Gesprächspartnerinnen und -partner gefunden, die allerdings alle nicht mit ihrem Namen und teilweise auch nur mit verstellter Stimme sprechen wollten. Die beiden Frauen, die in den ersten beiden Folgen berichten, beschreiben auf der einen Seite den Druck, der herrscht („Bei der Bild muss man liefern“), aber eben auch, wie sich das anfühlt, wenn man Artikel schreibt, die Millionen Menschen lesen und selbst für Schlagzeilen sorgen.
Die Beschreibungen erinnern fast ein bisschen an einen Kult oder eine Sekte. Das Verlagsgebäude sei wie ein kleines Dorf mit Einkaufsmöglichkeiten, man müsse da eigentlich gar nicht raus. Die erste Zeit erlebten sie wie im Rausch, irgendwann erfolgte das böse Erwachen.
Geld spiele keine Rolle, wenn eine Recherche von der Spitze der Redaktion angestoßen wurde. „Wenn Julian eine Geschichte wollte, hat er sie auch bekommen“, berichtet eine junge Journalistin, die sich Jasmin nennt.
Da seien dann auch teure Businessclass-Flüge und andere Annehmlichkeiten kein Problem gewesen. Sekt am Morgen sei ganz normal gewesen. Aber es sei eben auch klar gewesen, dass man liefern müsse, wenn der Verlag so viel Geld für eine Geschichte ausgab: „Limousinen, Schampus, Leistungsdruck“ - so fasst es die ehemalige „Bild“-Mitarbeiterin zusammen.
Bei Amazon Prime Video erschien Ende 2020 eine sehenswerte Doku-Serie. „Bild.Macht.Deutschland?“ ist distanzlos und schlecht gealtert, aber das Selbstverständnis der „Bild“-Journalisten fängt sie perfekt ein und ist daher sehr lehrreich. Bei diesem Alphamännchen-Gehabe setzt nun der Spotify-Podcast an. Und liefert hoffentlich in den noch folgenden sechs Folgen weitere spannende Erkenntnisse. Die Zeit der Unruhe ist für den Springer Verlag wohl noch lange nicht vorbei.