Die Sängerin Rita Lee war Brasiliens größter Rockstar. Jetzt ist sie im Alter von 75 Jahren gestorben.
Brasiliens größter Rockstar totDas raten Sie nie, wer Rita Lees prominentester Fan war
Andere Mädchen wünschten sich ein Kleid für den Abschlussball. Rita Lee Jones aus São Paulo wollte ein Schlagzeug. Bekam sie auch, ebenso wie Klavierunterricht bei einer berühmten Pianistin, der ihr Zahnarzt-Vater im Gegenzug das Gebiss richtete.
Die Tochter zeigte musikalisches Talent, doch als sie während eines Auftritts aus Lampenfieber auf die Bühne pinkelte, riet ihre Lehrerin ihr von einer künstlerischen Laufbahn ab. Aber Rita Lee Jones ließ sich von kleineren Unfällen nicht aufhalten. Noch als Teenager begann sie Songs zu schreiben, in Clubs und auf Schulfesten aufzutreten.
Zwischen Beatles und Bossa nova, Rock und Neuer Musik
1966 gründete sie – erst 18-jährig – zusammen mit dem Bruderpaar Arnaldo Baptista und Sérgio Dias Os Mutantes. Das Trio verknüpfte sonnigen Pop mit LSD-getränktem Rock und Neuer Musik und stieß schon bald zur wesensverwandten Tropicália-Bewegung von Gilberto Gil und Caetano Veloso. Die Tropicalisten propagierten den künstlerischen Kannibalismus. Alles wollten sie sich einverleiben, Beatles und Bossa nova, Pop und Avantgarde, Afro-Rhythmen und US-Soul.
Damit setzten sie sich im Brasilien der späten 1960er zwischen alle Stühle: Die Militärdiktatur fühlte sich von den subversiven Hippies bedroht, kommunistischen Studenten von dem bunten Haufen veralbert. Rita Lees Band – den Nachnamen Jones ließ sie zukünftig fallen – feierte ihr Studio-Debüt 1968 auf dem albumlangen Manifest der Bewegung „Tropicália: ou Panis et Circencis“, ihre eigene erste Platte „Os Mutantes“ erschien noch im selben Jahr. Sie gilt heute als eine der wichtigsten Veröffentlichungen der brasilianischen Populärmusik.
Kurt Cobain outete sich als Rita-Lee-Fan
„Wir waren allen anderen einfach Lichtjahre voraus“, befand Rita Lee später und niemand würde da widersprechen: Immer wieder outen sich angloamerikanische Popgrößen – David Byrne, Kurt Cobain, die Red Hot Chili Peppers – als Mutantes-Fans. Zwei Jahre später erschien Rita Lees Solodebüt „Build Up“ und als sich die Brüder zunehmend in Prog-Rock-Exzessen verzettelten, verließ sie die Band endgültig und schritt ihrer eigentlichen Bestimmung entgegen: Brasiliens größter Rockstar zu werden.
Das gelang ihr 1974 zusammen mit ihrer neuen Band Tutti Frutti und „Fruto Proibio“, auch das ein Album für die Ewigkeit. Ihre nächste musikalische Partnerschaft, mit ihrem Ehemann, dem Multiinstrumentalisten Roberto de Carvalho, war sogar noch erfolgreicher: Mit Hits wie „Mania De Você“ und „Lança Perfume“, immer größeren Konzerten – und einem unerwarteten Anhänger: König Charles III., berichten englische Zeitungen, könne viele ihrer Lieder auswendig mitsingen.
Den Lungenkrebstumor, an dem Rita Lee nun im Alter von 75 Jahren gestorben ist, hatte sie auf den Namen „Jair“ getauft, um noch todkrank ihrer Verachtung für Brasiliens rechtsextremen Ex-Präsidenten Bolsonaro Ausdruck zu geben.