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Nachruf auf Harry BelafonteEin eleganter, unerschrockener Freiheitskämpfer

Lesezeit 4 Minuten

Sänger und Schauspieler Harry Belafonte ist im Alter von 96 Jahren in New York gestorben. Er war ein Wegbereiter für schwarze Künstler in den USA und einer der wichtigsten Unterstützer Martin Luther King Jrs.

Als Harry Belafonte Anfang der 1950er Jahre zum ersten Mal in Las Vegas auftrat, wurde er in einem schäbigen Hotel im Schwarzenviertel der Stadt untergebracht, weit weg von den Lichtern des Strip. Das Zimmer stank nach Hundepisse. Belafonte schäumte vor Wut.

Am nächsten Tag wurde er umquartiert. Und rächte sich, indem er nach dem Frühstück zum Hotelpool spazierte, an den gaffenden weißen Poolgästen vorbeischritt, aufs Sprungbrett trat, ausgiebig auf und ab hüpfte und schließlich sprang: „Kaum zu glauben“, schreibt er in seiner Autobiografie „My Song“, „aber das Wasser wurde nicht schwarz.“

So, im Augenblick seines Sprungs, könnte man Harry Belafonte in Erinnerung behalten: ein schöner schwarzer Mann, elegant, charismatisch, unerschrocken. Am Dienstag ist der Entertainer und politische Aktivist in seiner Wohnung an der Upper West Side Manhattans an Herzversagen gestorben. Er wurde 96 Jahre alt.

Der Sänger, Schauspieler und Aktivist Harry Belafonte ist tot.

Der Sänger, Schauspieler und Aktivist Harry Belafonte ist tot.

Am Beckenrand gab er anschließend Autogramme, ließ sich mit den Kindern seiner Bewunderer fotografieren – und blickte verstohlen zu den Mafiaschlägern hoch, die die Szene eingriffsbereit von Balkonen aus verfolgt hatten, und die sich jetzt nach und nach verzogen.

Sein Ruhm als Sänger und Schauspieler schützte Harry Belafonte, doch jede weitere Stufe seines Erfolgs, schreibt er in seiner Autobiografie, brachte neue Rassenschranken zum Vorschein.

Harry Belafonte wurde als „König des Calypso“ weltbekannt

Sein Durchbruch zum Weltstar folgte ein paar Jahre später mit Hits wie „Day-O (The Banana Boat Song)“ und „Jamaica Farewell“. Mit „Calypso“, dem Album, mit dem der Sohn jamaikanischer Einwanderer die Musik der Karibik ins Herz Amerikas verpflanzte, wurde er zum ersten Künstler, der mehr als eine Million Langspielplatten verkaufte. Gut ein Jahr lang war Belafonte der größte Musikstar der Welt. Dann kam Elvis.

Einen Teil seiner Kindheit hatte Belafonte bei einer Großmutter in Jamaika verbracht, doch nichts prägte ihn so sehr, wie das Aufwachsen als bitterarmes Einwandererkind in den Straßen Harlems. Als er sich als Hausmeister verdingte, schenkte ihm das Schicksal in Gestalt eines Mieters zwei Eintrittskarten für das American Negro Theater. Es war Liebe auf den ersten Blick. Hier lernte er auch Sidney Poitier kennen, der ein Leben lang sein Freund und Rivale bleiben sollte. Belafonte studierte unter Erwin Piscator, zusammen mit Marlon Brando und Tony Curtis.

Harry Belafonte bei einem Auftritt im Circus Krone in München.

Die Calypso-Musik machte ihn international bekannt: Harry Belafonte bei einem Auftritt im Circus Krone in München. (Archivbild)

Er wollte spielen, was sie spielten, hatte kein Interesse an „Onkel-Tom-Rollen“, wie er sie nannte. Doch überall sonst stieß er auf Barrieren. Als er nach seinem Erfolg als Sänger seine erste Star-Rolle im Film „Island in the Sun“ erhielt, führte die angedeutete Romanze mit der weißen Hauptdarstellerin Joan Fontaine in den Südstaaten der USA zu Protesten. Die gab es noch mehr als zehn Jahre später, als er in einer Fernsehshow die Hand der Sängerin Petula Clark hielt.

Zu dieser Zeit galt Harry Belafontes Hauptinteresse weder seiner Gesangs- noch seiner Hollywood-Karriere. Letztere hatte ihren Höhepunkt schon früh mit Otto Premingers Musical „Carmen Jones“ erreicht. Ab da übernahmt Sidney Poitier, der wirkte, ätzte ein immer noch ein wenig neidischer Belafonte viele Jahre später, weniger sinnlich und bedrohlich aufs weiße Publikum.

Harry Belafonte: Bürgerrechtler und Vertrauter von Martin Luther King

Der Calypso-Sänger aber war bald schon prominenter als Stimme der amerikanischen Bürgerbewegung. Martin Luther King Jr. war ein enger Freund. Belafonte überließ ihm seine New Yorker Wohnung, bezahlte die Kautionen für ihn und andere Freiheitskämpfer, sammelte die Spenden seiner Freunde im Schaugeschäft ein und vermittelte zwischen King und den Kennedy-Brüdern.

Das Verhältnis zu JFK sei das beste Beispiel dafür, erzählte Belafonte dieser Zeitung vor einigen Jahren, dass sich politische Einflussnahme lohne: „Wir haben ihn herausgefordert, wir haben ihn angeschoben, bis wir eines Tages mit ihm zusammen im Weißen Haus saßen.“

Harry Belafonte (m) bei der Beerdigung des Bürgerrechtlers Martin Luther King (1929-1968) am 9. April 1968 in Atlanta.

Harry Belafonte (m) bei der Beerdigung des Bürgerrechtlers Martin Luther King (1929-1968) am 9. April 1968 in Atlanta.

Aber Belafonte ruhte sich nicht auf seinen Lorbeeren aus. Seine letzte Kinorolle spielte er in Spike Lees „BlacKkKlansman“, berichtete dort von einem Lynchmord an einem 17-jährigen schwarzen Farmarbeiter. Der Kampf um die Bürgerrechte, sagte er vor elf Jahren in Köln, sei noch lange nicht beendet: „Er war jede Investition wert. Wir haben keine Schlacht verloren. Aber wir haben nie den Krieg gewonnen.“