Nachruf auf Sidney PoitierEin Pionier, der Barack Obamas Vater unterstützte
Wer diesen Film je gesehen hat, dürfte ihn nicht vergessen: In einem rassistischen Südstaatenkaff wird ein ortsfremder Afroamerikaner – nur weil er eben dies ist – vom örtlichen Polizeichef eines Mordes verdächtigt. „Racial Profiling“ heißt das heutzutage. Der Fremde entpuppt sich indes als Polizeidetektiv aus dem Norden, der jenem trotz der massiven Kränkung Hilfe bei der Aufklärung des Falles anbietet.
Bemerkenswerter als die Krimikonstellation ist die brachiale aufklärerische Lehrstunde, die dem weißen Sheriff zuteil wird – am Ende sieht er neben dem verachteten Kollegen, dem er zögernd Anerkennung entgegenbringt, ziemlich mickrig aus.
„In der Hitze der Nacht“ heißt dieser Film aus dem Jahre 1967, der neben vielem anderen durch die Intensität der Charakterdarstellungen besticht: Rod Steiger als Polizeichef kassierte eine Oscar-Nominierung und einen Golden Globe, aber Sidney Poitier als schwarzer Detektiv – die Vorlage wurde eigens für ihn adaptiert – beeindruckt mindestens genauso.
Sidney Poitier: Kein Vorgänger von „Django Unchained“
Dabei ist er in dieser Rolle alles andere als ein Vorgänger von Jamie Foxx in Tarantinos „Django unchained“. Apokalyptische Rebellion angesichts des erlittenen Unrechts ist hier nicht angezeigt, es geht ja auch nicht mehr um Sklavenbefreiung im engeren Sinne. Im Gegenteil, fast befremdet der schwarze Polizist durch den Gleichmut, mit dem er noch die schlimmsten Beleidigungen hinnimmt. Es ist vielmehr das elegante Florett des fast mitleidigen besseren Wissens, die so feine wie beschämende Ironie des noblen Gentleman, die sein grobkörniges Gegenüber kleinkriegt. Hier findet eine Vertauschung der sozialkulturellen Zuschreibungen statt, die es in sich hat.
Verschmilzt da vielleicht ein Darsteller mit seiner Rolle? Wenn man sich die Biografie Sidney Poitiers anschaut, der am Donnerstag auf den Bahamas im Alter von 94 Jahren verstarb, wird man bewogen, mit „ja“ zu antworten.
Tatsächlich war er als erster schwarzer Schauspieler der Geschichte, der einen Oscar erhielt (1964 für „Lilien auf dem Feld“), wie sein Detektiv ein Pionier der Emanzipation – der darüber zur Legende wurde und zur personalisierten Hoffnung zahlloser aufstiegswilliger Afroamerikaner. Es war ja in den Vereinigten Staaten seinerzeit, trotz der bereits aktiven Bürgerrechtsbewegung, weithin so wie im Film: Den Schwarzen wurden auf breiter Front grundlegende demokratische Rechte vorenthalten.
Sidney Poitier und die Verbindung zu Barack Obama
In Miami als Sohn armer Tomatenzüchter geboren, wuchs Poitier auf den Bahamas auf, in der Heimat seiner Eltern. Tatsächlich besaß er bis zum Schluss neben der US-Staatsbürgerschaft auch die der Bahamas. Mit 15 zog er zu einem Bruder nach Florida, später nach New York, wo er sich zunächst mit kleinen Jobs durchschlug. Nach ersten Erfolgen am Broadway kam er nach Hollywood – und kam dort ziemlich schnell groß heraus. Für „Flucht in Ketten“ erhielt er eine erste Oscar-Nominierung.
Keine Frage: Das immer wiederkehrende Thema seiner Filme, die skandalöse völkisch definierte Ungleichheit im Land der unbegrenzten Möglichkeiten – es war Poitiers eigenes Thema. Ihm widmete er auch ein starkes zivilgesellschaftliches Engagement: In den 1950er Jahren unterstützte er eine Stiftung, die Afrikanern durch Stipendienvergabe ein Studium in den USA ermöglichte.
Ein Stipendiat war der Kenianer Barack Obama Senior, dessen Sohn Präsident der USA wurde. 2009 erhielt Poitier aus seinen Händen die Presidential Medal of Freedom.
Es ist bezeichnend für sein gelassen-weitstrahliges Temperament und Talent, dass er nicht nur in düsteren Rassismus-Landschaften, sondern auch in Komödien glänzte. Eine Perle des Genres ist „Drehn wir noch’n Ding“ von 1975, bei dem Poitier auch Regie führte. Dort spielt er einen einfachen Arbeiter, der mit spitzbübisch-intelligenter Chuzpe zwei Topfiguren der Unterwelt viel Geld abknöpft. Und nun ehren wir Sidney Poitier, indem wir uns – zum wievielten Mal? – seine Filme ansehen!