Buhlschaft in „Jedermann“Kurze Haare, kleiner Busen und peinliche, wütende Sexisten
Salzburg – Seit 1920 wird Hugo von Hofmannsthals modernes Mysterienspiel „Jedermann“ im Rahmen der Salzburger Festspiele vor dem Domplatz (oder bei schlechtem Wetter im Großen Festspielhaus) aufgeführt. Das Stück um den reichen Mann, der erst im Angesicht des Todes zum Glauben findet, und seine jeweilige Inszenierung sind dabei zweitrangig. In der öffentlichen Wahrnehmung geht es seit jeher allein um die Besetzung: Wer den Jedermann verkörpert, darf sich erster – oder zumindest etabliertester – unter den deutschsprachigen Theaterschauspielern nennen, in diesem Sommer ist es Lars Eidinger.
Gleiches gilt für die Buhlschaft, den prominentesten weiblichen Part des Dramas, auch wenn der erheblich kleiner ausfällt als die männliche Hauptrolle. „Sehr wenig Text, maximale Sichtbarkeit“ formuliert der Wikipedia-Eintrag zum Salzburger „Jedermann“ treffend.
Eine Frisurfrage
Und damit kommen wir zur österreichischen Schauspielerin Verena Altenberger, der aktuellen Buhlschaft und der ersten, die eine Kurzhaarfrisur trägt. Für die gibt es keine inszenatorischen Gründe, Altenberger hatte sich die Haare für eine Filmrolle abgeschnitten, in der sie eine krebskranke Frau spielt. Sich den Schopf eigens raspeln zu lassen um partout gegen das Buhlschaftsklischee zu löcken, sagt Altenberger, hätte sie als albern empfunden. Und eigentlich wäre die Frisurfrage auch schlicht nicht weiter bemerkenswert, wenn nicht... siehe Wikipedia.
Prompt faselte ein Kritiker in der „Welt“ im altherrenwitzelnden Ton von einer „burschikosen Dame“ die „mit kaum Buhlschaftsbusen und noch weniger Haar“ ganz entschieden die Hosen anhabe. Soll er halt alte „Baywatch“-Folgen gucken, möchte man da sagen, oder andere Trash-Produkte, bei denen gewisse anatomische Vorgaben zum Rollenprofil gehören.
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Indes blieb der Profi-Busenglotzer nicht der einzige Mann, der hier seine Schaulust nicht befriedigt sah. Verena Altenberger musste sich auch in den Asozialen Medien beschimpfen lassen, oder – ganz alte Schule – per Brief. Ein solches Schreiben veröffentlichte Altenberger nun auf ihrem Twitter-Account, unter der Überschrift „Hermann aus Wals findet meine Frisur kacke, ist aber froh, dass ich einen geilen Hintern habe, denn das ist gottgewollt.“
Der auf der Maschine getippte Brief erweist sich als wahres Füllhorn solcher sabbernden Formulierungen, von der „entarteten Emanze“ über wirre Theorien über die göttliche Befruchtung, bis hin zum bereits erwähnten „geilen Hintern“, den der Schreiber auch für sein Eintrittsgeld erwartet hatte.
Entlarvendes Schreiben
Fast möchte man einen Böhmermann-Streich hinter dieser wirren Buhlschaftssuada vermuten. Derart selbstentlarvend kann doch kein Mann formulieren, der doch immerhin des Schreibens mächtig ist. Aber natürlich kann er es doch.
Freilich muss man Verena Altenberger gar nicht erst gegen solche tumben Angriffe verteidigen. Ungefragt zudem. Sie hat ja selbst mit maximaler Souveränität reagiert und noch dazu den Sexisten-Backlash in einem Interview gleich selbst als Problem eingeordnet, das über ihre eigene Situation ins Gesamtgesellschaftliche hinausweist: Es handele sich bei der Körperkritik um eine „Vorgehensweise von Männern, Frauen ihre Weiblichkeit abzusprechen und sich selbst dadurch zu erhöhen“.
Mehr muss man dazu nicht sagen. Nur, dass es mir trotzdem leid tut, dass sich Frau Altenberger überhaupt mit so einem Scheiß auseinandersetzen muss. Den größten schauspielerischen Erfolg in Salzburg konnte in dieser Saison übrigens Lina Beckmann – aus Karin Beiers Tagen noch bestens in Köln bekannt – als Richard III. verbuchen. Vielleicht übernimmt Verena Altenberger dann in nächsten Jahr den Jedermann und Lars Eidinger spielt die Buhlschaft. Die schönen langen Haare hat er bereits.