Die Hilfsorganisation CARE beleuchtet in einem Bericht zehn humanitäre Krisen, die 2023 keine Schlagzeilen machten.
Hilfsorganisation CARE legt Bericht vorZehn Krisen, die 2023 unsichtbar geblieben sind
Im Jahr 2023 machten wieder einige Krisen Schlagzeilen. Das Erdbeben in der Türkei und in Syrien, der Angriff der Hamas auf Israel oder die Entwicklungen im russischen Krieg gegen die Ukraine haben mindestens zeitweise starkes mediales Interesse gefunden.
Gleichzeitig gab es auch einige humanitäre Notlagen, über die kaum berichtet wurde. Die Hilfsorganisation CARE beschreibt deswegen jährlich in einem Bericht namens „Breaking the Silence“ zehn humanitären Krisen, die keine Schlagzeilen machten. Dazu arbeitet CARE mit dem Medienbeobachtungsdienst Meltwater zusammen, der im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. September fünf Millionen Artikel auf Arabisch, Englisch, Französisch, Deutsch und Spanisch ausgewertet hat. Als Krisen nahmen sie dabei diejenigen Ereignisse in den Blick, in denen mindestens eine Million Menschen von Konflikten, Kriegen oder Naturkatastrophen betroffen waren - oder nach wie vor sind.
Diese zehn humanitären Krisen machten 2023 keine Schlagzeilen
- Angola – 7,3 Millionen Menschen benötigen humanitäre Hilfe (1.049 Online-Artikel)
- Sambia – 1,35 Millionen Menschen haben zu wenig zu essen (1.371 Online-Artikel)
- Burundi – 5,6 Millionen Kinder leiden an chronischer Unterernährung (3.939 Online-Artikel)
- Senegal – 1,4 Millionen Menschen von Ernährungsunsicherheit betroffen (5,469 Online-Artikel)
- Mauretanien – Jeder vierte Mensch lebt in Armut (7.764 Online-Artikel)
- Zentralafrikanische Republik – Sechsthöchste Kindersterblichkeit weltweit (8.274 Online-Artikel)
- Kamerun – Jeder sechste Mensch braucht humanitäre Hilfe (10.801 Online-Artikel)
- Burkina Faso – 8,8 Millionen Menschen leben unterhalb der Armutsgrenze (11.323 Online-Artikel)
- Uganda – Müttersterblichkeit liegt bei 284 je 100.000 Lebendgeburten (12.632 Online-Artikel)
- Simbabwe – Knapp 8 Millionen Menschen von extremer Armut betroffen (14.440 Online-Artikel)
Alle zehn unsichtbaren Krisen betreffen afrikanische Länder
Alle zehn Krisen betreffen Länder in Afrika, was auch für den Bericht des letzten Jahres zutraf. Angola befindet sich erneut auf dem ersten Platz. Laut dem CARE-Bericht berichteten lediglich 1.049 Online-Artikel über die humanitären Nöte dort. Das Land ist mit Überschwemmungen und langanhaltenden Dürren stark vom Klimawandel betroffen, gleichzeitig lebt ein großer Teil der Menschen dort von der Landwirtschaft. Die Ernährungsunsicherheit ist groß. Außerdem stellen Landminen aus dem Bürgerkrieg ein großes Problem dar.
Simbabwe steht mit 14.440 Artikeln auf Platz zehn. Zum Vergleich: CARE gibt an, dass im selben Zeitraum 700.019 Artikel zum Erdbeben in Syrien und der Türkei erschienen sind. „Viele der humanitären Krisen in Afrika eskalieren im Schatten der großen Krisen“, so Deepmala Mahla, CARE-Direktorin Humanitäre Hilfe. Und auch im Unterhaltungsbereich kommt man auf höhere Zahlen: 273.279 Online-Artikel sind über den Kinofilm Barbie erschienen, 273.421 über das iPhone 15 und 215.084 über Prinz Harrys Buch „Spare“.
CARE-Direktorin Deepmala Mahla versteht, dass die Menschen krisenmüde sind
In einer Pressekonferenz zum Bericht betont Deepmala Mahla, dass sie verstehe, dass Unterhaltung eben auch ein Bedürfnis der Menschen sei und sie deshalb medial abgebildet werde. „Wir als humanitäre Organisationen sind uns völlig bewusst, dass die Menschen nicht ständig negative Nachrichten und Nachrichten über Katastrophen konsumieren wollen und vielleicht auch nicht können. Die Menschen sind krisenmüde.“
Dennoch ist bezeichnend, dass über die Lage so vieler afrikanischer Länder kaum berichtet wird. Gründe dafür seien etwa, dass die Kosten für die Auslandsberichterstattung hoch sind oder dass sie in bestimmten Regionen mit hohen Risiken verbunden ist. Journalisten könnten in manchen Ländern auch nicht unabhängig berichten.
Das gilt aber mitnichten nur für afrikanische Länder, vielmehr scheint es in dieser Hinsicht ein problematisches Desinteresse zu geben. Dabei wäre es enorm wichtig darauf hinzuweisen, dass der Klimawandel bereits jetzt viele Länder vor große Probleme stellt. Die Kombination aus Konflikt und Klimakrise ist eine enorme Herausforderung, so Deepmala Mahla: „Der Klimawandel ist nicht gerecht. Die Menschen in den Ländern mit niedrigem Einkommen sind stärker betroffen. Er schürt den Hunger. Er verschärft die Wasserprobleme. Er vertreibt die Menschen aus ihren Häusern. Er stört die Lebensgrundlagen der Menschen. Hält Kinder davon ab, zur Schule zu gehen.“
CARE spricht sich für eine politische Entwicklungszusammenarbeit aus, in der die Zivilgesellschaft gestärkt wird. Es sei wichtig, dass Betroffene selbst ihre Perspektive medial einbringen können. CARE sieht deshalb auch Hilfsorganisationen in der Pflicht, weiter in Medienarbeit zu investieren und ihre lokalen Partner in ihrer Öffentlichkeitsarbeit zu unterstützen.