Der viel kritisierte Auftritt von CDU-Chef Friedrich Merz, der sich bei Markus Lanz zu den Silvester-Krawallen äußerte, zieht weitere Kreise.
„Ins Gesicht gespuckt“Carlo Masala greift Friedrich Merz nach Lanz-Auftritt an
Am Mittwochabend sollte es in der zweiten Lanz-Sendung des neuen Jahres im ZDF eigentlich um die Panzerlieferungen an die Ukraine, den Arbeitsmarkt und das Bürgergeld gehen. Eingeladen hatte der Gastgeber den Militär-Experten Carlo Masala, Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, Antje Höning (Wirtschaftsexpertin der „Rheinischen Post“) sowie den Ökonomen Simon Jäger vom Bonner Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA). Die Sendung vom Vortag, in der sich CDU-Chef Friedrich Merz zu den Silvester-Krawallen in Deutschland geäußert hatte, färbte jedoch noch auf den Mittwochabend ab.
Merz hatte im Streitgespräch mit dem Soziologen Aladin El-Mafaalani immer wieder von Migranten aus dem arabischen Raum gesprochen, die nicht integriert seien und die mangelnden Respekt vor staatlichen Institutionen hätten. Wortwahl und Fokus seiner Beiträge hatten Merz den Vorwurf des Rassismus eingebracht.
Journalistin zu Lützerath: „Billige Klima-Show“ der Aktivisten
Am Mittwoch drehte sich die Diskussion zunächst um die Räumung des Dorfes Lützerath im Rheinischen Braunkohle-Revier. Journalistin Höning kritisierte die Besetzer und sprach von einer „Klima-Show“, die dort ablaufe. Es gebe eine eindeutige Rechtslage, der frühere Ausstieg in NRW aus der Kohle sei beschlossen. Die Polizisten müssten jetzt ihren Kopf hinhalten, der Protest sei „billig“. Minister Heil sprach ebenfalls von einem falschen Symbol und fand klare Worte gegen jegliche Gewalt. Lützerath werde „hochgejazzt“.
Carlo Masala sprach sich dagegen aus, in Lützerath eine „bürgerkriegsähnliche Situation“ herbeizureden und kritisierte auch die Medien, die mit Livetickern laufend berichteten. Ökonom Jäger hat die Sorge, dass die großen Zukunftsfragen bei diesen tagesaktuellen Themen zu kurz kämen.
Carlo Masala kritisiert Friedrich Merz hart
Dann sprach Markus Lanz Carlo Masala ganz direkt auf den Auftritt von Merz an und blendete mehrere Einspieler vom Vortag ein, in dem dieser von arabischstämmigen Familien spricht, die keinen Respekt vor Lehrerinnen hätten. Merz hatte dabei auch von den Kindern als „kleinen Paschas“ gesprochen. Erst seien es die Achtjährigen, später die 15-Jährigen, die Probleme bereiteten. Wer sich nicht an die Regeln halte, der habe „in Deutschland nichts zu suchen“. Lanz fragte Masala „als Sohn italienischer Gastarbeiter“, was ihm bei diesen Äußerungen durch den Kopf gehe.
Masala holte tief Luft und sagte dann, die Debatte in Teilen der Politik seit der Silvesternacht „erzürne ihn über die Maßen“. An den Auseinandersetzungen seien ohne Zweifel junge Menschen mit, aber auch ohne Migrationshintergrund, beteiligt gewesen. In Berlin-Neukölln gebe es 150.000 Menschen mit Migrationshintergrund, nur 48 von ihnen seien festgenommen worden. Die Reaktionen aus CDU und FDP darauf seien aber Einlassungen von „kultureller Überfremdung“ oder dem „westasiatischen Phänotyp“ gewesen, es hätte eine Namensabfrage der CDU gegeben, erinnerte Masala.
Carlo Masala bei Markus Lanz: Generationen von Migranten werden verhöhnt
„Man spuckt all denjenigen ins Gesicht, die hier seit zwei, drei Generationen leben“, empörte sich Masala. Das gelte für Menschen mit oder ohne deutschen Pass. Die Debatte laufe völlig aus dem Ruder mit einer unsäglichen Wortwahl. Es gebe Probleme mit der Integration. Diese würden aber dadurch entstehen, weil es in Deutschland nie eine wirkliche Integrationspolitik gegeben habe. Menschen hätten noch in der Generation seiner Eltern wie in Ghettos gelebt, Deutsch-Angebote habe es kaum gegeben.
Als Jugendlicher und selbst noch junger Erwachsener habe er selber Diskriminierung und sogar Racial Profiling erlebt, erzählte der 54-jährige gebürtige Kölner. Er habe „bittere Erfahrungen“ gemacht, sagte Masala, und berichtete von einem Polizeiverhör in Köln, in dem er als „Südländer“ automatisch in den Kreis der Verdächtigen gerückt sei. Noch kürzlich sei er bei Twitter gefragt worden, wie es denn sein könne, dass „ein Italiener die Bundeswehr berät“. Italiener seien immerhin noch stärker anerkannt als beispielsweise Türken. Wie sollten sich denn ein „Ali, Achmed oder eine Aische“ in diesem gesellschaftlichen Klima fühlen, fragte Masala.
Carlo Masala: Brauchen Debatte über Integration und Aufstiegschancen
Die Kritik am geplanten neuen Staatsbürgerschaftsrecht sei ebenso unsäglich. Es würde von „Verramschen der deutschen Staatsbürgerschaft gesprochen“ – für „Leute, die mittlerweile ihre Kinder und Enkel hier haben, die Rente und Arbeitslosenversicherung gezahlt haben“, so Masala. Man brauche eine Debatte über Aufstiegschancen, die hier für Migranten eben nicht so toll seien wie immer behauptet. Für Fachkräfte aus dem Ausland, die von Wissenschaft, Forschung und Unternehmen dringend gebraucht würden, sei die Diskussion absolut abschreckend. Hochqualifizierte Menschen würden sich dreimal überlegen, in so einem Klima nach Deutschland zu kommen, berichtet Masala ebenfalls aus eigener Erfahrung.
Heil stimmte Masala zu und sagte, das eigentliche Problem sei Gewalt und Respektlosigkeit gegenüber dem Staat. „Pauschal einen ganzen Stadtteil, der im Wesentlichen von Menschen geprägt ist, die eine Einwanderungsgeschichte haben, wie Neukölln, zu bashen“ sei leider die Botschaft, die bei den Menschen ankomme. Man brauche schnelle Gerichtsurteile gegen Gewalttäter, aber alles in einen Topf zu rühren, helfe nicht. Fehler in der Integrationspolitik dürften nicht wiederholt werden, so Heil. (cme)