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Carola Willbrand im Kunstmuseum Villa ZandersWenn Feminismus zu Nadel und Faden greift

Lesezeit 3 Minuten
Carola Willbrand hält eine Skulptur aus getragenen Kleidungsstücken in den Händen.

Carola Willbrand bei einer Performance im Jahr 2005

In Bergisch Gladbach sind die Textilarbeiten der Kölner Künstlerin Carola Willbrand zu sehen. Sie näht an einer Tafelrunde von Superheldinnen.

Auf einem krisseligen Video wuchtet eine Frau Teppichstücke auf ein Rollbrett und schiebt den Stoffberg vorsichtig über einen grauen Innenhof. Anschließend geht es wieder zurück – oder ist das Video einfach wieder an den Anfang zurückgesprungen? Ein wenig erinnert die Anfang der 1990er Jahre in der Kölner Chaos-Galerie aufgezeichnete Performance an die Endlosschleifen japanischer Horrorfilme: Die Zeit hat beinahe alle Farben aus den Bildern gewaschen, und die schemenhafte Gestalt scheint in einem Ritual gefangen.

Zur Eröffnung kamen mehr Menschen, als die Villa Zanders auf einmal fassen darf

Ganz so verschwommen wie auf diesem privaten Mitschnitt ist die Erinnerung an Carola Willbrand in der Kölner Kunstszene glücklicherweise noch nicht. Zur Eröffnung ihrer Werkschau in der Villa Zanders kamen mehr Menschen, als das Museum in Bergisch Gladbach auf einmal fassen darf, und vermutlich haben etliche Besucher die Kölner Künstlerin (die seit einigen Jahren in Windeck lebt) schon bei ihren improvisierten Performances in KVB-Bahnen erlebt. Auch in diesen tat sich offenbar kaum etwas. Aber übersehen konnte man Willbrand in ihren selbstgenähten Kleidern sicher nicht.

Geboren wurde Willbrand 1952 in Köln. Hier wuchs sie als Tochter eines bürgerlich-katholischen Elternhauses auf, und hier erwarb sie sich auch ihre „Schulphobie“, so Petra Oelschlegel, Leiterin der Villa Zanders. Statt bei Franz Erhard Walther an der Hamburger Kunstakademie zu studieren, blieb sie Autodidaktin und verließ sich lieber auf die Eindrücke einer Studienreise zu den US-Heldinnen der modernen Kunstgeschichte, Georgia O’Keefe etwa oder Louise Bourgeois. Am stärksten beeindruckte sie das Werk der aus Deutschland emigrierten Anni Albers; deren Textilarbeiten zeigten ihr, dass man in der schulischen Haushaltslehre auch für das Künstlerinnenleben lernt.

Nadel, Faden und Nähmaschine sind Willbrands Werkzeuge

Nadel, Faden und Nähmaschine wurde zu Willbrands Werkzeugen, mit denen sie Altkleider, Papiere, Teppichreste oder Tapetenmuster bearbeitete; ihr großes Thema ist bis heute die lange gering geschätzte weibliche Seite der Kunstgeschichte. Die beginnt in Willbrands Kosmos mit ihrer „Tante Käthe“, der Malerin Käthe Schmitz-Imhoff, und reicht bis zu Krimhild Becker oder Helene Moch. In der Villa Zanders versammelt sie diese „Tafelrunde“ ihrer „Superheldinnen“ gleich zweimal: als 13-teilige Serie surrealer Porträts auf Papier und in Form grotesker, aus alten Kleidern collagierter Köpfe, die, auf Stelen und einem animalischen Teppich drapiert, eine Ruhmeshalle wilder Weiber bilden.

Am bekanntestes ist Carola Willbrand für ihre Künstlerbücher, die sich oft wie Leporellos auseinanderfalten lassen. In der Villa Zanders wird aus diesen Unikaten dann etwa ein Himmelszelt, das, von der Decke baumelnd, die Handarbeit in Klöstern mit einer Folge genähter Totentänze ehrt; oder das Buch hängt als „Leinwand“ aus miteinander verwobenen Lochkarten an der Wand. Mitunter bleibt es auch einfach, was es ist, etwa wenn Willbrand die einzelnen Blätter eines Musterbuchs für Tapeten mit abstrakten Figuren und Volumen bemalt. Was heute „Upcycling“ heißt, tut Willbrand seit Jahrzehnten. Sie ist eine Meisterin darin, ausrangierten Stoffen eine Geschichte zu verleihen.

In diese Stoffe, aus Altkleidern geschöpftes Papier oder Lebensmittelfolien, zieht sie, ganz im Sinne von Anni Albers, Lebensfäden ein, oft als fein gezeichnetes Frauen- oder Künstlerinnenporträt. Die Albers’sche Fadenphilosophie führt Willbrand dabei fort, um sie ins Performativ-feministische zu wenden. Wenn sie zu Nadel, Faden oder Nähmaschine greift, arbeitet sie gegen das Klischee minderwertiger Frauenarbeit – und verbindet einige lose Enden der Kunstgeschichte.

Am schönsten gelingt ihr dies auf den Nähzeichnungen, in denen sie sich ganz auf die Poesie von Umrisslinien verlässt. Sobald Willbrand beginnt, die Konturen und Körper mit einem farbigen Innenleben zu füllen, wirken ihre Bilder dagegen eher konventionell. Die kurze Reise nach Bergisch Gladbach lohnt ihr „Künstlerinnen-Komplex“ aber allemal.

„Carola Willbrand. Der Künstlerinnen-Komplex“, Kunstmuseum Villa Zanders, Bergisch Gladbach, Di., Fr. 14-18, Mi., Sa. 10-18, Do. 14-20, So. 11-18 Uhr, bis 21. Mai. Gespräch mit der Künstlerin: Donnerstag, 2. März, 18 Uhr.