Am 21. August spielt Star-Pianist Chilly Gonzales in Köln ein Konzert für die Ukraine. Wie jeder helfen kann, erzählt er im Gespräch mit Aktivistin Kristina Koch.
Chilly Gonzales spielt Benefiz-Konzert„Köln ist hässlich? Ich bin da anderer Meinung“
Kristina Koch, Sie haben die humanitäre Hilfsorganisation Cologne Cares mitgegründet, für deren Ukraine-Hilfe Sie, Chilly Gonzales am kommenden Montag ein exklusives Benefizkonzert geben. Wie sind Sie zusammengekommen?
Kristina Koch: Wir sind alte Freunde.
Chilly Gonzales: Ja, sehr alte Freunde. Ich wusste, dass Kristina diese Organisation ins Leben gerufen hat. Vor kurzem habe ich einen Tag lang bei ihr hospitiert. Da konnte ich direkt miterleben, was sie tut. Wir haben elektrische Rollstühle für Kinder abgeholt, die sie organisiert hat.
Koch: Wir unterstützen damit ein Waisenhaus für behinderte Kinder im Osten der Ukraine. Das ist jetzt natürlich total überfüllt. Es ist für 60 Kinder gemacht und jetzt wohnen dort 120 und es fehlt an allem.
Gonzales: Das zu sehen, da einmal mitzumachen, war sehr inspirierend. Wenn tragische Dinge in der Welt passieren, haben viele Künstler das Gefühl, dass ihre Möglichkeiten zu helfen begrenzt sind. Am Realistischsten kann man helfen, indem man seine Plattform nutzt. Kristina hat ein Netzwerk geschaffen, das wirklich funktioniert und ich habe wiederum mein Netzwerk von Leuten in Köln und dann hatte ich die Idee, ein Benefizkonzert im Sancta Clara Keller zu geben.
Da findet sonst eher Kammermusik statt, wie kamen Sie auf die Location?
Gonzales: Ich hatte mich mit den Besitzern dieses historischen Gewölbes angefreundet, deshalb wusste ich schon, dass sie die Art von Menschen sind, die so wie ich nach jemandem wie Cologne Cares suchen, der es ihnen ermöglicht, zu helfen. Ich glaube, dass im Grunde viele Menschen helfen wollen.
Frau Koch, Sie helfen schon ziemlich lange, nicht wahr?
Koch: Ich mache seit acht Jahren lokale Flüchtlingsarbeit in Köln-Nippes unter dem Namen Willkommen in Nippes. Cologne Cares ist der internationale Zweig, den ich mit meinem besten Freund betreibe, unterstützt von der evangelischen Gemeinde Köln-Nippes. Der heißt Mowafaq Abdulmuati, stammt aus Mosul im Irak und ist 2015 als Flüchtling hier angekommen. Zusammen haben wir humanitäre Transporte nach Syrien, in den Irak, in Flüchtlingslager in Griechenland oder in das Erdbebengebiet in der Türkei organisiert. Vier Tage nach Kriegsbeginn sind wir mit dem Bus an die slowakisch-ukrainische Grenze gefahren. Aber einen festen Platz haben wir in der West-Ukraine nahe der rumänischen Grenze eingerichtet, wo wenig Hilfe ankommt. Wir haben in Czernowitz auch ein Lager und eine Menge super-zuverlässiger Leute, Ärzte und Freiwillige, die uns über die genauen Bedürfnisse informieren. Ich glaube, wir haben keine einzige nutzlose Sache in die Ukraine geschickt.
Der Krieg dauert nun schon eineinhalb Jahre an. Sind die Menschen inzwischen weniger bereit, zu spenden oder auf andere Weise zu helfen?
Koch: Ja, es gibt weniger finanzielle Hilfe, die Menschen vergessen oder gewöhnen sich an den Krieg. Ich hatte das Gefühl, dass sich nach dem Erdbeben in Syrien und der Türkei etwas geändert hat. Das gab es eine enorme Hilfsbereitschaft – aber danach brach sie ein. Die Menschen in der Ukraine brauchen aber noch genau die gleichen Dinge wie vor einem Jahr, Lebensmittel, Medikamente, Strom, Seife. Und jetzt, nachdem der Damm gebrochen ist, auch Wasserfilter.
Gonzales: Und Du hast mir von Generatoren erzählt, die für den Irak-Krieg gebaut wurden.
Koch: Die sind besonders leise und somit nicht auffällig.
Gonzales: Und von diesen Generatoren habt Ihr schon viele aus dem Irak in die Ukraine geschickt. Das ist nur ein Symbol dafür, wie diese Krise immer näher an uns in Europa heranrückt. Die beiden sind ein richtig gutes Team. Und sie haben sich über Telegramm- und WhatsApp-Gruppen mit all diesen verschiedenen, kleinen Organisationen vernetzt, und können so schnell auf alle Veränderungen vor Ort reagieren. Das ist sehr beeindruckend.
Koch: Ja, das ist wie eine geheime Parallelwelt, verrückt. Einmal wollten wir einen kleinen Jungen, zehn Jahre alt, nach Deutschland transportieren. Er hatte einen Tumor im Gesicht, sein Zustand war nicht gut. Aber in der Ukraine war seine Behandlung eingestellt worden, weil sie jetzt Soldaten in den Krankenhäusern behandeln müssen. Er war in keinem guten Zustand, wir konnten ihn nicht einfach in einen Bus setzen und auch nicht in unser Auto. Aber dann hörte ich von freiwilligen Piloten, die bei Bedarf von der Ukraine aus zur polnischen Grenze oder nach Deutschland fliegen. Und die haben diesen Jungen zusammen mit seiner Großmutter in einem kleinen Flugzeug nach Köln evakuiert.
Gonzales: Ich finde es außerdem toll, wie ihr eine Verbindung zwischen dem, was in der Ukraine passiert, und meiner Welt schafft. Die existiert sonst ein wenig in ihrer eigenen Blase. Auch wenn natürlich alle irgendwie helfen wollen. Im Hamburger Schauspielhaus hat Cologne Cares zum Beispiel eine Benefiz-Auktion mit Rocko Schamoni und Schorsch Kamerun veranstaltet.
Was erwartet die Zuschauer im Sancta Clara Keller?
Gonzales: Es wird ein sehr intimes Konzert werden. Das Tolle an diesem Ort ist, dass man aufgrund der Größe und des Settings kein Soundsystem braucht. Es ist einfach ein schöner Raum mit einem schönen Klavier. Wenn ich in der Philharmonie auftrete, brauche ich ein ganzes Soundsystem, da muss ich schließlich 2000 Leute erreichen. Aber dieses Benefizkonzert wird die kleinste und intimste Show sein, die ich in den letzten zehn Jahren gemacht habe. Und es fühlt sich besonders gut an, das in meiner Wahlheimatstadt zu tun. Die Leute beschweren sich manchmal, Köln sei hässlich, nicht aufregend oder anspruchsvoll genug. Ich bin da anderer Meinung. Man muss nur wissen, wo die richtigen Orte sind. Und der Sancta Clara Keller ist etwas ganz Besonderes.
Koch: Es wird zudem die Möglichkeit geben, an diesem Abend zu spenden. Wir wollen mit den Spenden ein Feuerwehrfahrzeug für die Ukraine zu finanzieren, durch Explosionen nach Bomben- und Raketenangriffen gibt es viele Verbrennungsopfer in der Ukraine.
Abgesehen von der schnellen und direkten Hilfe, gibt es schon längerfristige Hilfspläne für den Wiederaufbau?
Koch: Wir würden gerne einen Plan haben, um vielleicht bei der Renovierung eines Krankenhauses oder beim Wiederaufbau einer Schule zu helfen. Aber unsere ukrainischen Freunde sagen, es sei noch nicht der richtige Zeitpunkt, um über den Wiederaufbau zu reden. Sie brauchen alltägliche Dinge. Schulsachen für die Kinder zum Beispiel. Es gibt Flüchtlingskinder aus Cherson oder Donetsk, die in die Westukraine geflohen sind. Sie sollen dort zur Schule gehen, aber haben noch nicht einmal ausreichend Kleidung und in den Schulen gibt es keine Stühle.
Gonzales: Nicht jeder hat den Luxus wie ich, jemanden zu kennen, der wirklich vor Ort ist, und deshalb bin ich so froh über das Konzert. Die Leute können sich über diese großartige Organisation informieren, die hier in Köln ansässig ist. Ich kann dem Instagram-Account von Cologne Cares folgen und sehen, wie der Rollstuhl, den ich in Köln in einen Lieferwagen gehoben habe, in der Ukraine angekommen ist.
Koch: Und das ist ein gutes Gefühl.
Chilly Gonzales spielt das exklusive Konzert zugunsten der Ukraine-Hilfe von Cologne Cares am 21. August im Sancta Clara Keller (Am Römerturm 3). Der Eintritt kostet 100 Euro (inkl. VVK-Gebühr), die Tickets gibt es hier.