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Christo und Jeanne-ClaudeSo feiert Düsseldorf die Schöpfer der modernen Weltwunder

Lesezeit 4 Minuten

Düsseldorf – Der unaufhaltsame Aufstieg zum Gipfel der Weltkunst führte Christo und Jeanne-Claude zwangsläufig auch nach Köln. Hier hatte das Pariser Künstlerpärchen im Sommer 1961 seine erste Einzelausstellung, in der Galerie Haro Lauhus, und das Geld war noch so knapp, dass es nur für eine Bahnfahrkarte an den Rhein reichte. Im Zug brachte Christo einige mumienhaft verhüllte und verschnürte Dinge mit, eine Kaffeemühle, eine Schreibmaschine, vor Ort dachte er schon größer und stapelte Ölfässer im Niehler Hafen und in einem Hinterraum der Galerie.

Seine erste Kunstmarktlektion erhielt Christo 1961 in Köln

Sehr gelegen kamen Christo die beiden Klaviere, die Lauhus bei einem anderen Künstler, dem Klavierzertrümmerer Nam June Paik, wegen Geldstreitigkeiten konfisziert hatte. Sie wurden vor Ort verpackt, aber leider nicht verkauft, überhaupt war das Kölner Gastspiel für Christo ein Schlag ins leere Kontor. Nach seiner Heimkehr nach Paris forderte er seine Ladenhüter zurück, worauf ihm Lauhus beschied, er habe sie allesamt zerstört (und Paik seine Klaviere wieder ausgepackt).

Man kann diese Geschichte im Katalog zur großen „Christo und Jeanne-Claude“-Ausstellung im Düsseldorfer Kunstpalast nachlesen. In den Museumshallen selbst erinnern jetzt lediglich einige Hafenbilder daran, Köln blieb eine Fußnote in der Karriere der Verpackungskünstler – vielleicht hatte Christo seine kölsche Kunstmarktlektion einfach nur gut gelernt. Auch der Dom wurde bekanntlich nicht verhüllt oder eben nur in Gedanken, wie etwa eine entsprechende, Anfang der 80er Jahre für den Kölnischen Kunstverein entstandene Projektstudie beweist.

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Glücklicherweise gibt es bessere Gründe, zur „Christo und Jeanne-Claude“-Schau nach Düsseldorf zu reisen, als Nostalgie für Kölner Pioniertaten in der Kunst. Der beste prangt als Christo-Zitat an einer Museumswand: „Viele finden die Irrationalität, die Absurdität unserer Projekte zum Verrücktwerden. Das ist genau der Grund, warum wir sie machen.“ Von diesem Wahnsinn erzählt die Ausstellung beredt genug, auch wenn die weltweit bestaunten Großprojekte der Verpackungs-, Stapel-, Luft- und Landschaftskünstler in ihr nur in Form von Entwürfen, Modellen und dokumentarischen Fototapeten zu haben sind.

Auf den ersten Metern erinnern uns die Kuratoren an das Markenzeichen von Christo und Jeanne-Claude und kleben Aufnahmen verhüllter Sehenswürdigkeiten an die Wand. Danach geht es schon zu den Anfängen des Paares ins Paris der späten 50er Jahre zurück – eines der frühesten Christo-Werke zeigt eine französische „Comtesse“ in jener realistischen Manier, mit der sich der bettelarme bulgarische Exilant damals seinen Lebensunterhalt verdiente.

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Christos Mein Kölner Dom, verhüllt (Projekt für Köln), 1992

Auch Jeanne-Claudes Mutter wurde von ihm auf diese Weise verewigt, die Tochter teilte mit Christo hingegen das Interesse für die jüngsten Entwicklungen der Avantgarde. Wie Yves Klein, Arman, Lucio Fontana oder Alberto Burri arbeitete Christo daran, die Oberflächlichkeit der bemalten Leinwand aufzubrechen; jetzt hängt eine seiner aus Sand, Kies und Farbe gebildeten Kraterlandschaften neben einem Schwammbild von Klein und seine verschnürten Päckchen neben Armans Objektkästen.

Schon bald erweiterten Christo und Jeanne-Claude ihr Repertoire, stapelten Ölfässer, weil die ihnen so praktisch wie schön erschienen, und verschnürten größere Objekte in Packpapier, Stoff oder Plastikplanen; ein 1961 in Gelb verpackter VW-Käfer kündet im Kunstpalast von höheren Ambitionen, die sich freilich erst mit einiger Verspätung in triumphalen Großprojekten wie der Verhüllung des Berliner Reichstags oder von Stoffbahnen umhüllten Inseln erfüllten.

Die Handelsreisenden in Sachen Weltwunder machen posthum im Kunstpalast Station

Die sich teilweise über Jahrzehnte hinziehenden Kämpfe um die Projekte gehörten zum Marken- und Wahnsinnskern dieser Handelsreisenden in Sachen Weltwunder. Ihre Inszenierungen hielten das Leben kurzzeitig an und ließen die Menschen staunen – über die Kunst an sich oder darüber, dass so etwas erlaubt ist.

Zum Christo-und Jeanne-Claude-Kosmos gehört wohl auch die Melancholie der Erfüllung. Jedenfalls sehnt man sich in Düsseldorf am meisten an den Ort des letzten unvollendet gebliebenen Projekts der verstorbenen Künstler: die Mastaba-Pyramide, die in der arabischen Wüste aus 410.000 gestapelten Ölfässern entstehen sollte. Es wäre das größte Bauwerk der Menschheitsgeschichte – vielleicht ließ sich der künstlerische Wahnsinn nur so vor der Routine des Gelingens bewahren.

„Christo und Jeanne-Claude. Paris, New York, Grenzenlos“, Kunstpalast, Düsseldorf, bis 22. Januar 2023, Katalog: 45 Euro.