Preisverleihung in KölnWie Maren Kroymann die Ehre der deutschen Comedy rettete
Köln – Knapp dreieinhalb Stunden dauerte es, bis die Verleihung des Deutschen Comedypreises einen Moment bot, der würdig war. Und das verdankte sie weder Sat. 1, wo die Verleihung live gezeigt wurde, noch der ausrichtenden Produktionsfirma Brainpool, sondern einzig und allein Hazel Brugger und Maren Kroymann.
Die 27 Jahre alte Brugger war als Laudatorin auf die Bühne gekommen, um der Kollegin den Ehrenpreis zu überreichen. Und Brugger war die erste, die den Elefanten im Raum ansprach, den jeder sah, um den jeder wusste, der aber vorher nicht erwähnt worden war: Luke Mockridge.
Statement von Hazel Brugger
Brugger und ihr Mann Thomas Spitzer trugen T-Shirts, auf denen „Konsequenzen für Comedian XY“ auf der Vorderseite und „Künstler ohne Rückgrat sind Künstler ohne Geschmack“ auf der Rückseite stand. Und jeder wusste natürlich, wer gemeint war.
Mockridge hatte im August in einem Video angekündigt, dass es 2021 keine Shows mehr mit ihm im Fernsehen geben werde. Er reagierte damit auf auf eine Anzeige seiner Ex-Freundin, die den Komiker als übergriffig beschrieb und ihm eine versuchte Vergewaltigung vorwarf.
Mockridge hatte das zurückgewiesen, verwies darauf, dass das Verfahren eingestellt wurde. Doch im "Spiegel" machten vor einer Woche viele weitere Frauen dem 32-Jährigen teils sehr schwere Vorwürfe und beschrieben ihn als Mann, der seine Grenzen nicht kennt. Daraufhin verlängerte Mockridge seine Auszeit auf unbestimmte Zeit.
Das wussten natürlich alle Anwesenden im Brainpool-Studio in Köln-Mülheim. Aber erwähnt worden war Mockridges Name vorher nur einmal. Und das auch nur, weil es sich nicht vermeiden ließ. Die Serie „Über Weihnachten“, in der Mockridge die Hauptrolle spielt, hatte ursprünglich zu den Nominierten gehört.
Einen Tag vor der Verleihung war sie aus dem Rennen genommen worden. Die Veranstalter hatten auf die „öffentlich geführten Diskussionen“ verwiesen, wegen der man – auch mit Mockridge – übereingekommen sei, die Nominierung zu streichen.
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Genau das gab Steven Gätjen kurz als Begründung dafür an, warum es in der Kategorie "Beste Comedy-Fiction" nur vier statt fünf Nominierte gab. Und das war es auch schon.
Doch dann kam Maren Kroymann. Nach langem Applaus des Saal-Publikums nutzte sie die Bühne, um anzusprechen, was angesprochen werden musste. „Ich hätte gerne gehabt, dass Verantwortliche hier für diesen Preis und auch von dem Sender die Eier gehabt hätten, zu sagen: Wir solidarisieren uns nicht nur mit unserem beliebten Künstler, sondern mit den Frauen, die betroffen sind“, sagte sie in sehr ruhigem, fast sachlichem Tonfall, der dem Gesagten nur noch mehr Gewicht verlieh.
Eigene negative Erfahrungen
„Ich würde mir wünschen, dass ihre Geschichte gehört wird, dass diese Frauen ernst genommen werden, dass sie respektiert werden. Dass man ihnen glaubt.“ Und in ebenso unaufgeregtem Ton berichtete sie von eigenen negativen Erfahrungen in ihrer langen Karriere.
Doch das waren nicht ihre einzigen kritischen Bemerkungen. „Geht's noch jemand so wie mir, dass ich ein paar Frauen einfach vermisst habe auf der Bühne?“, fragte sie ins Publikum. „Und wer hat sich das Kleid ausgedacht, das die fabelhafte Kollegin trägt, die die Preise bringt?“, fragte sie. Die junge Frau trug ein sehr kurzes, eng anliegendes Glitzerkleid.
Kroymann hatte überlegt, ob sie den Preis persönlich entgegennehmen sollte, und es war sehr gut und sehr wichtig, dass sie es getan hat. Sie lehnte ihn auch nicht wie einst Marcel Reich-Ranicki den Fernsehpreis ab, sie machte etwas viel Besseres: Sie nutze die Bühne einer unwürdigen Show, um denen eine Stimme zu geben, die allzu oft nicht gehört werden.
Appell an junge Kolleginnen
Sie beschrieb ihre eigenen Erfahrungen, um zu zeigen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass sie es so weit geschafft hat. Ihr wurden im Lauf der Jahre viele Steine in den Weg gelegt. Sie rief junge Kolleginnen auf, mutig und selbstbewusst zu sein.
Maren Kroymann hatte schon vor dieser Rede jeden Preis verdient, aber dieser Auftritt, der so gar nicht lustig, sondern angemessen ernst war, wäre einen eigenen Preis wert, an einem Abend, der ansonsten das Schlimmste befürchten ließ, was den Zustand des deutschen Humors angeht.