Der Philharmonie-Auftritt von Concerto Köln unter Dirigent Jakob Lehmann ließ zu wünschen übrig. Unsere Kritik.
Dirigent Jakob LehmannConcerto Köln – War da zu wenig geprobt worden?
Mendelssohn versuchte seiner Schwester Fanny das Komponieren zu verbieten, Schumann seiner Ehefrau Clara sogar das Klavierspielen – weil es ihn beim eigenen Komponieren störte. Ja, Frauen hatten es in diesem von Männern wie von Vorurteilen beherrschten Metier traditionell schwer. Die Umstände haben sich mittlerweile gebessert, aber für das 18. und 19. Jahrhundert sieht es bei den Komponistinnen allein zahlenmäßig tatsächlich mau aus.
Wenn dann – wie jetzt beim Auftritt von Concerto Köln in der Philharmonie – gleich zwei Frauen auf dem Programmzettel erscheinen, erregt das immer noch Aufmerksamkeit. Man kennt die beiden – die Französin Louise Farrenc (1804-1875) und die Berlinerin Emilie Mayer (1812-1883) – in halbwegs informierten Kreisen wenigstens dem Namen nach, Außenseiterinnen des Kanons sind sie bis zur Stunde geblieben.
Violinist Shunske Sato hat weder einen besonders großen noch besonders schönen Ton
Nun muss man weder Farrancs Konzertouvertüre opus 24 von 1834 noch Mayers siebte Sinfonie von 1856 gleich zu musikalischen Gipfelleistungen erklären, um die Begegnung auf jeden Fall interessant zu finden. Sicher, da grüßen überall Vorbilder von Mozart bis Mendelssohn, da ist eine formbewusst-klassizistische Kunsthaltung am Werk, die nie über die Stränge schlägt. Aber Instrumentation, Themenerfindung, Kontrapunkt – das ist alles ist nicht nur solide, sondern auch hochprofessionell und gewinnend.
Möglicherweise wurden die Stücke aber auch unter Wert verkauft, denn Concerto Köln hatte nicht seinen besten Tag erwischt. Im Gegenteil, gemessen daran, was man von dem Ensemble gerade vor dem Hintergrund seines laufenden Wagner-„Ring“-Projekts erwarten darf, muss man von einer herben Enttäuschung sprechen. Ein wuchtig-fetter, sämig-zäher Grundklang, bei dem die Bläser und die Pauken immer wieder die Streicher zupackten, häufige Einsatz-, Koordinierungs- und Homogenitätsmängel, weder Feinschliff noch Eleganz noch rhythmischer Biss – nein, das war es leider nicht.
Schwer zu sagen, woran es lag, dass man sich da durch die Partituren hangelte, ohne den wirklich großen, spannenden Bogen hinzukriegen. War da zu wenig geprobt worden, oder waren es Defizite des Dirigenten Jakob Lehmann, der nun in der Tat dem Concerto-Köln-Ehrendirigenten Kent Nagano nicht das Wasser reichen kann?
Von einer stilistischen Entgleisung besonderer Güte muss man hinsichtlich der stark übertriebenen Portamenti sprechen – da legte das Legato schlimmsten Fall katzenmusikalische Assoziationen nahe. Soll das etwa „historisch“ sein? Ob des üblen Effekts kann man sich das kaum vorstellen.
Leider konnte es auch der Solist von Schumanns Violinkonzert (das bei allem anerkennenswerten Rehabilitierungswillen unter dem Niveau des unsterblichen Mendelssohn'schen Schwesterwerks bleibt), der in Amsterdam lehrende Japaner Shunske Sato, nicht herausreißen. Der hat weder einen besonders großen noch besonders schönen Ton, und auch er lieferte die erwähnten unerquicklichen Schmiereffekte im Portamento ab. Die Bach-Zugabe litt dann an substanziellen Intonationsmängeln.
Concerto Köln tritt am ersten Weihnachtstag erneut in der Kölner Philharmonie auf – mit einem reinen Barockprogramm. Dann hat das Ensemble alle Chancen, die aktuelle Scharte auszuwetzen.