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Désirée Nosbusch über Social Media„Diese Vorverurteilung führt dazu, dass Menschen sehr kämpfen müssen“

Lesezeit 8 Minuten
Die einstige Staranwältin Anna Conti (Désirée Nosbusch) zieht in der Eingangshalle des Landgerichts die Aufmerksamkeit der wartenden Journalisten auf sich.

Die einstige Staranwältin Anna Conti (Désirée Nosbusch) zieht in der Eingangshalle des Landgerichts die Aufmerksamkeit der wartenden Journalisten auf sich.

Désirée Nosbusch war schon als Kind ein Star. Mit der ZDF-Serie „Bad Banks“ feierte sie vor einigen Jahren ein Comeback. Nun startet eine neue ZDF-Reihe mit der 58-Jährigen.

Frau Nosbusch, in der neuen ZDF-Reihe „Conti“ spielen Sie eine Strafverteidigerin. Im ersten Fall geht es um eine Mutter, die ihre Tochter getötet haben soll. Sie haben zur Vorbereitung eine Anwältin begleitet. Wären Sie selbst eine gute Anwältin?

Für mich wäre es schwierig, weil ich ein sehr emotionaler Mensch bin. Wenn mir jemand sympathisch ist, hat er schon so viele Pluspunkte auf dem Konto, dass ich vieles mit anderen Augen sehe. Dazu die Enttäuschung, wenn man von einer Unschuld überzeugt ist, die nicht anerkannt wird. Ich würde Wände hochgehen. Bei der Begleitung der Strafverteidigerin habe ich gelernt, dass man sich davon frei machen muss. Es geht um Fakten. Und es ist nicht alles Schwarz-Weiß. Grenzen können sich sehr schnell verschieben. Ich war am Ende der Zeit froh, dass ich das nur spielen darf und nicht im Leben solche Entscheidungen treffen muss.

Ein großes Thema des Films und unserer Zeit ist die Vorverurteilung von Menschen, ohne die Fakten genau zu kennen.

Mich treibt das sehr um. Wir urteilen alle. Seit ein paar Jahren versuche ich, mir einen Spiegel vorzuhalten, wenn ich mich dabei ertappe. Ich frage mich, wie ich es wage zu urteilen, wenn ich nicht die gesamte Geschichte kenne. Das andere sind Ratschläge, die wir ungefragt von uns geben. Auch da frage ich mich: Wer bin ich, dir zu raten? Hast du mich darum gebeten? Nein? Wie komme ich dann dazu, mir die Freiheit herauszunehmen dir zu sagen, wie du sein solltest? Da muss man sich an die eigene Nase packen.

Social Media hat diese Tendenzen, die es ja immer schon gab, noch verstärkt.

Diese Vorverurteilung führt dazu, dass Menschen sehr kämpfen müssen. Man sagt ja auch: Du bekommst keine zweite Chance für einen ersten Eindruck. Da ist viel Wahres dran. Dieses Bild brennt sich bei den Menschen fest. Sich dann zu erklären, hat viel weniger Gewicht oder Kraft. Da muss man unglaublich aufpassen. Ich versuche mir immer bewusst zu machen - gerade auch wenn eine Kamera läuft -, dass ich in dem Moment, in dem ich meinen Mund aufmache, Verantwortung trage.

Man muss lernen, damit umzugehen, wenn Menschen zu wissen glauben, was mit einem stimmt und was nicht stimmt
Désirée Nosbusch

Gerade für Sie als Schauspielerin hat sich der Umgang mit Öffentlichkeit durch Instagram und Co. auch sehr verändert. Ist das gut oder schlecht?

Das ist Fluch und Segen zugleich. Diese Kanäle ermöglichen uns einen direkteren Kontakt zum Publikum und zu einer Fangemeinde. Wir können dort auf Dinge aufmerksam, die uns wichtig sind. Aber es wird mittlerweile auch von Sendern und Produktionen erwartet, dass man mitmischt. Einen Kanal zu haben und ihn nicht zu nutzen für ein Projekt, wird ungern gesehen. Da entsteht auch wieder Druck. Früher was das sehr viel überschaubarer. Ich bin groß geworden zu einer Zeit, in der es nur zwei Fernsehsender gab. Das Gute ist, dass sich das heute sehr viel mehr verteilt und auch die Macht eines Mediums schrumpft.

Ihr Instagram-Account erweckt den Eindruck, dass Sie nur sehr ausgewählte Dinge preisgeben.

Ich poste nichts, von dem ich nicht möchte, dass es irgendwo in der Welt landet. Denn es zu posten und sich dann darüber aufzuregen, dass eine Zeitung das übernimmt, ist naiv. Man muss wissen, dass alles, was draußen ist, für jeden ersichtlich ist. Man muss lernen, damit umzugehen, wenn Menschen zu wissen glauben, was mit einem stimmt und was nicht stimmt. Es gibt Phasen, da verletzt es einen mehr, weil man vielleicht selbst unsicher ist. Und in anderen weiß man, morgen wird eine andere Sau durchs Dorf getrieben.

Sie haben vergangenes Jahr Ihre Autobiografie veröffentlicht und berichten darin sehr persönlich über Ihr Leben. Auch vor dem Hintergrund der Prozesse, die Sie gerade geschildert haben, stellt sich die Frage, wie verletzlich man sich darin zeigt, oder?

Ja, ich habe mich gefragt, ob ich das will. Ich wusste aber, wenn ich es mache, dann richtig. Ich habe mich entschlossen, ehrlich meinen Weg zu gehen. Da kann ich nicht auf halber Strecke sagen, jetzt mache ich kehrt. Mir war klar, wenn ich nicht alle Facetten ehrlich beschreibe, erklärt sich meine Geschichte nicht. Ich hatte null Interesse an einem Rache-Buch.

Haben Sie die Reaktionen darin bestätigt, dass es richtig war, sich so zu öffnen?

Ich hatte Angst, als es rauskam. Ich habe es kurzfristig bereut, weil ich nicht wusste, ob ich damit umgehen kann, was da auf mich zukommt. Ich bin nicht auf Lesereise gegangen, zur Enttäuschung des Verlags. Aber ich hatte das Gefühl, ich packe es nicht, ich kann nicht mein Leben da draußen verkaufen. Aber ich bin überrascht worden, wie behutsam und liebevoll Menschen mit diesem Buch umgegangen sind. Es ist vielleicht kein Bestseller geworden, aber ich glaube, es wird sich auf lange Sicht halten.


Désirée Nosbusch (58) stammt aus Luxemburg und wurde als Kind ein Star. Sie arbeitete als Radio- und Fernsehmoderatorin und interviewte Weltstars wie Klaus Kinski und Peter Ustinov. Sie wurde Schauspielerin und lebte lange in den USA. Für ihre Darstellung der Christelle Leblanc in der ZDF-Serie „Bad Banks“ erhielt sie 2019 den Grimme-Preis.

In der neuen ZDF-Reihe „Conti“ spielt sie die Staranwältin Anna Conti. Deren ersten Fall „Meine zwei Gesichter“ zeigt das Zweite am Samstag, 15. April, 20.15 Uhr und in der Mediathek. Am, 15. Mai, 20.15 Uhr, ist sie im ZDF-Fernsehfilm „Blutholz“ über Rodungen in Rumänien zu sehen.


Es geht darin auch um Ihre Herkunft. Ich wusste, dass Sie aus Luxemburg kommen und viele Sprachen sprechen. Deswegen ging ich davon aus, dass Sie sicher aus einer Diplomatenfamilie oder einem ähnlichen Umfeld stammen. Aber so ist es gar nicht. Passiert Ihnen das häufiger?

Als ich einmal Peter Ustinov interviewte, sagte er: Sie sind bestimmt eine Diplomatentochter aus Luxemburg. Und ich sagte: Nein, Sir Peter Ustinov, ich bin die Tochter eines LKW-Fahrers. Und er sagte: Ja, aber er ist ein diplomierter LKW-Fahrer. (lacht)

Aber wie findet man seinen Weg, gerade auch als junger Mensch, wenn Menschen mit solchen vorgefertigten Meinungen auf einen blicken?

Ganz ehrlich: Ich weiß nicht, ob man ihn findet. Man setzt einen Fuß vor den anderen, macht Umwege, kehrt um und glaubt, man habe sich verlaufen. Dann sieht man ein Licht am Horizont und geht in diese Richtung. Mir war immer wichtig, ehrlich zu sein. Ich wollte auf meinem Weg so wenig Menschen wie möglich verletzten. Leider gelingt das nicht immer. Ich wollte mir immer treu bleiben. Ich will zu meinen Fehlern stehen und auch einräumen, dass ich es nicht besser wusste, und es heute anders machen würde. Aber im Rückspiegel ist immer alles anders. Das bringt nichts. Man muss nach vorne schauen und wach bleiben im Kopf. Ich finde es schade, wenn Menschen verbittert zurückblicken. Auch in meinem Leben ist vieles anders gelaufen, als ich dachte. Aber ich freue mich noch immer über jeden Tag, an dem ich etwas Neues gelernt habe.

Staatsanwältin Silvia Dancu (Désirée Nosbusch) hat politische Ambitionen und kandidiert für die Bürgermeisterwahl im siebenbürgischen Kronstadt.

Désirée Nosbusch im ZDF-Film „Blutholz“: Staatsanwältin Silvia Dancu (Désirée Nosbusch) hat politische Ambitionen und kandidiert für die Bürgermeisterwahl im siebenbürgischen Kronstadt.

Sie sind im ZDF auch noch in „Blutholz“ zu sehen, einem Film, der illegale Rodungen in Rumänien und deren Folgen beleuchtet. Ich gebe zu, dass ich über Rumänien sehr wenig weiß.

Genauso ging es mir. Ich hatte das Glück, dass ich die Sprache lernen durfte. In diese Unterrichtsstunden fließen ja Fragen über die Kultur und das Land ein. Aber wenn ich Rodungen hören, denke ich an den Regenwald, aber dass das in den Karpaten genauso stattfindet und Auswirkungen auf Deutschland und Luxemburg hat – klimatisch und ökonomisch – wusste ich nicht. Man muss aufpassen in deutschen Baumärkten, welches Holz man kauft, das habe ich jetzt erst gelernt.

Wie hat es Ihnen in Rumänien gefallen?

Siebenbürgen entdecken zu dürfen, war ein Geschenk. Da ist im positivsten Sinne die Zeit stehen geblieben. Das war für mich einer der wichtigsten Drehs. Es ist ein wunderschönes Land mit einer spannenden Kultur und vielen Verletzungen. Wir sind nebenan und müssten uns mehr damit auseinandersetzen.

„Bad Banks“ war Ihr Comeback nach einigen beruflich schwierigen Jahren. Seither spielen Sie häufig toughe Frauen. Ist das heute selbstverständlicher als früher?

Da hat sich sehr viel getan. Es gibt sicher noch Männer, denen es suspekt ist, wenn eine starke Frau ihnen gegenübersteht, die genau die Mittel benutzt, die sie selbst nutzen würden. Aber das sagt viel über diese Herren aus, die sind einfach nicht auf der Höhe der Zeit. Ja, es gibt immer noch eine Schicht von alten weißen Männern, die darin eine Bedrohung sehen. Man muss sie ernst nehmen, weil sie in Positionen sind, in denen sie viel anrichten können, wie wir immer wieder sehen.

Viele Schauspielerinnen jenseits der 50 beklagen, dass es weniger gute Rollenangebote für sie gibt. Haben Sie das auch so erlebt?

Ich habe meine schwierige Phase nicht festgemacht am Alter. Ich hatte eher das Gefühl, es habe etwas mit mir zu tun, ich sei nicht das, was gefragt ist. Aber in den Spitzenpositionen hat sich viel getan. Die Männer, die versucht haben, Frauen kleinzuhalten, haben nicht mehr allein das Sagen. Und wer soll die tollen weiblichen Geschichten erzählen, wenn nicht Frauen in diesem Alter? Wir bewegen uns in die richtige Richtung, aber wir dürfen nicht müde werden, darauf aufmerksam zu machen. Gleichberechtigt ist es sicher noch nicht. Wir müssen als Frauen zusammenhalten und zu unserem Alter stehen. Man darf dann als 58-Jährige nicht davon ausgehen, wie eine 30-Jährige behandelt zu werden. Es gehört von beiden Seiten Mut dazu. Es ist auch eine Herausforderung an Sender und Autoren. Denn das Publikum nimmt diese Geschichten an, man muss sie ihm nur anbieten.