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Künstliche IntelligenzKann jetzt jeder mit ein paar Worten Kunst erschaffen?

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Jason Allen hat das Bild „Théâtre D’opéra Spatial“ mit Hilfe des Programms Midjourney erzeugt  

Colorado – Als in den 1840er Jahren die ersten Fotoateliers öffneten, begrüßten viele Maler das neue Verfahren zunächst als „idealen Diener der Malerei“, wie es der Dichter Charles Baudelaire formulierte. Bereits die alten Meister hatten Gebrauch vom Hilfsmittel der Camera obscura gemacht, bei der durch ein kleines Loch in einer dunklen Kammer das Bild der Außenszene auf die gegenüberliegende Wand trifft: Eine ideale Malvorlage.

Doch bald trat die Fotografie in Konkurrenz zur Malerei, ja sie stürzte diese in ihre bis dahin tiefste Krise. Eine Zeit lang sah es sogar so aus, als behielte der Historienmaler Paul Delaroche Recht, der 1840, nachdem er seine erste Daguerreotypie zu Gesicht bekommen hatte, ausrief: „Ab heute ist die Malerei tot.“

Sie mag ein wenig von ihrer Hoheitsstellung innerhalb der bildenden Kunst eingebüßt haben, aber 180 Jahre später erfreut sich die Malerei bester Gesundheit. Allerdings droht ihr nun neue Unbill durch Künstliche Intelligenz.

Bilder aus Stichworten dank DALL-E und Co

Von Algorithmen, die Orchesterwerke oder Gedichte hervorbringen, hat man schon gehört. Dieses Jahr wurden gleich mehrere KI-Programme der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, mit deren Hilfe auch Menschen, die nie Palette und Pinsel in der Hand hielten, Gemälde erschaffen können. Programme wie DALL-E 2, Craiyon, Midjourney oder Stable Diffusion generieren aus wenigen beschreibenden Worten komplexe Bildwerke.

Dank der immer besseren Qualität von Smartphone-Kameras werden täglich weltweit 4,7 Milliarden Fotos geschossen. Wie viele Digitalgemälde dürften jetzt entstehen, wo es nur ein paar wohlgewählter Wörter bedarf, um ein überzeugendes Gemälde nach Wunsch herzustellen? Oder werden demnächst Dichter die besseren Maler sein?

Wie das Coverbild einer Weltraumoper

Die erste richtige Debatte über die Ethik computerbasierter Werke und die knifflige Frage nach der Urheberschaft hat sich jetzt an einem im Prinzip albernen Bild entzündet. Mit dem oben abgebildeten Werk namens „Théâtre D’opéra Spatial“ hat der amerikanische Computerspielentwickler Jason Allen den ersten Preis für digitale Kunst/digital manipulierte Fotografie auf dem Colorado State Fair gewonnen.

Das ist nun freilich alles andere als ein wichtiger Kunstpreis (er ist mit 300 Dollar dotiert) und das prämierte Bild taugt wohl bestenfalls als Coverillustration eines Science-Fiction-Romans aus dem Subgenre der Weltraumoper – so erklärt sich ja auch sein Titel.

Die KI spuckt nach wenigen Minuten ein Ergebnis aus

Dass diese kuriose Mischung aus John Singer Sargent und „Dune“-Konzeptkunst überhaupt einen Streit vom Zaun brechen konnte, liegt allein an der Entstehungsgeschichte des Bildes: Jason Allen hat nämlich nur einige Wörter – welche genau will er nicht verraten – in ein Textfeld des Programmes Midjourney eingegeben und das von der KI nach wenigen Minuten ausgespuckte Ergebnis auf eine Leinwand drucken lassen.

Darf sich der Programmierer fortan „Künstler“ nennen? Ist er der Urheber des Bildes, oder nur Stichwortgeber für eine Künstliche Intelligenz, die als eigentlicher Schöpfer des Bildes gelten sollte? Allen hat das Bild clevererweise unter dem Autorenverweis „Jason M. Allen via Midjourney“ eingereicht. Oder teilen sich User und KI die Bildrechte mit den Softwareentwicklern von Midjourney?

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Programme wie DALL-E oder Midjourney greifen auf den schier unerschöpflichen Bildervorrat des Internets zurück, entdecken Muster und Querverbindungen in diesem chaotischen Datenhaufen und entwickeln daraus ihre Bildstrategien, wenn man die denn so nennen kann. Um zu überzeugenden Ergebnissen zu gelangen, wurden diese Programme insbesondere darauf abgerichtet, die Werke und Bildsprachen toter wie lebender Künstler zu erkennen und zu imitieren.

Aus dieser unbewussten – noch hat ja keine Künstliche Intelligenz ein Ichbewusstsein erlangt – Annäherung an bekannte künstlerische Positionen ergibt sich vielleicht die geisterhafte Qualität so vieler computergenerierter „Kunstwerke“. Fürs erste bleiben die Anführungszeichen. Aber das kann sich schnell ändern. Letztlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Bilder aus der digitalen Camera obscura ein Eigenleben entwickeln, das es wert ist, von Kunstkritikern und -geschichtlern interpretiert zu werden.