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Daniel Donskoy im Gespräch„In Deutschland macht es am wenigsten Spaß, Jude zu sein“

Lesezeit 7 Minuten
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Daniel Donskoy moderiert "Freitagnacht Jews"

Herr Donskoy, im WDR läuft zurzeit Ihre Late-Night-Show „Freitagnacht Jews“. Wie kam es zu diesem Format?

Daniel Donskoy: Beim Thema jüdisches Leben in Deutschland denken die Leute an Antisemitismus, Holocaust, Hitler. Die drei Worte fallen ihnen ein, vielleicht noch Israel-Palästina-Konflikt. Mit dem Thema Judentum verbinden sie nicht jüdischen Humor. Wir wollten in einem Late-Night-Format humoristisch mit dem Thema umgehen und vor allem neue Perspektiven schaffen.

Warum als Unterhaltungsformat?

Der Bereich Unterhaltung ist wichtig, man sieht es auch daran, was Joko und Klaas bei Pro Sieben machen. Ich finde das super. Wir haben davon nicht genug in Deutschland , vor allem nicht in der Late Night, eine krasse Satire, auch Politik-Kritik, wie es sie in Amerika gibt. Ich will provozieren mit der Show. Wir spielen mit Klischees. In der derzeitigen Phase der Diskussion zum Thema Identitätspolitik und den Shitstorms bei Social Media bin ich mir darüber im Klaren, dass ich hier und da anecke. Aber das mache ich bewusst, um in den Diskurs zu treten.

Wen wollen Sie denn besonders provozieren?

Wenn dann alle …ich muss alle hinterfragen, auch die, die woke sind. Warum gibt es so viel Antisemitismus in einer linksliberalen kulturellen Bubble? Es ist nicht so, dass der Antisemitismus in Deutschland allein aus der muslimischen Community kommt. Das Argument wird sehr geliebt, aber er kommt gleichermaßen von rechts und von links, weil unsere Gesellschaft im Kern eine rassistische und sexistische Gesellschaft ist.

Wie kann man die Vielfalt jüdischen Lebens in Deutschland in einer solchen Show abbilden?

Ein ganzheitliches Porträt über eine Minderheitengruppe herzustellen, geht gar nicht, weil wir allein schon durch die acht Folgen erkannt haben, dass jeder der Gäste einen komplett anderen Blick darauf hatte, was es bedeutet, jüdisch zu sein. Nach den acht Folgen muss man den Leuten sagen: Ok, jetzt wisst ihr eigentlich noch weniger. Aber ihr habt einen Ansatz, euch mit Jüdinnen und Juden auseinanderzusetzen, ohne sie nur mit dem Holocaust in Verbindung zu bringen.

Müsste sich die Mehrheitsgesellschaft stärker mit jüdischem Leben jenseits der Themen Antisemitismus und Holocaust auseinandersetzen?

Die jüdische Geschichte ist hier belastet. Das bedeutet, dass jede Auseinandersetzung mit dem jüdischen Leben zwangsläufig immer auf die Geschichte zurückzuführen ist.. Es gibt prozentual ungefähr gleich viele Juden wie Hindus in Deutschland. Mit dem Hinduismus setzt sich aber niemand auseinander. Die Auseinandersetzung mit Juden in Deutschland geschieht nur aus dem Grund der Verarbeitung. Wenn es den Holocaust nicht gegeben hätte, würde sich wahrscheinlich auch niemand mit dem Judentum auseinandersetzen müssen. Max Czollek sagte aber sehr treffend in der Sendung: Wir sind nicht dafür da, dass ihr euch besser fühlt.

Sie sind als Kind nach Deutschland gekommen. Wie haben Sie das damals erlebt?

In Deutschland waren meine ersten Begegnungen als Kind von Migranten nicht negativ, als Jude schon. In der Schule hat keiner gesagt, ich will nicht neben dem Russen sitzen, sondern ich will nicht neben dem Juden sitzen. Später war ich in einer jüdischen Einrichtung und habe gelernt, mein Anderssein mit Stolz wahrzunehmen. Ich habe mich aber nicht mehr als Mitte der Gesellschaft gesehen. Dann bin ich nach Israel gezogen, dort ist die Mehrheit jüdisch, ich war also Teil der Mehrheit, aber ich war plötzlich deutscher Einwanderer. Vorher war ich stolz darauf, nicht deutsch zu sein, nach dem Motto: Wenn ich der Jude bin, seid ihr eben die Kartoffeln. Und zwei Monate später war ich plötzlich die Kartoffel. Ich war der Deutsche. Masel Tov!

Was bedeutet jüdisch sein für Sie ganz persönlich?

Ich verbinde mit meiner jüdischen Identität Nostalgie. Das ist Zuhause. Damit verbinde ich Positives. Ich stehe aber nicht repräsentativ für Tausende Jahre jüdische Geschichte. Ich will auch nicht der Repräsentant sein für die dritte Generation Holocaust-Überlebender. Durch die Sendung hab ich noch viel mehr gelernt, dass es niemals einem anderen Menschen obliegt, für dich zu entscheiden, was deine Identität ist. Das muss man für sich selbst herausfinden. Ich bin in- und außerhalb der jüdischen Community aufgewachsen und darf das kritisch hinterfragen. Ich kann nicht für alle Juden sprechen, mir widerfährt nicht so viel Rassismus. Aber wir leben in einer Zeit, in der vor jeder jüdischen Einrichtung Polizei steht. Ich fühle mich als Teil dieser Schicksalsgemeinschaft, kann aber nur meine persönliche Perspektive anbieten.

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Sie haben in vielen Ländern gelebt. Wie unterschiedlich waren die Erfahrungen?

In Deutschland macht es am wenigsten Spaß, Jude zu sein. Englische Juden setzen sich nicht mit dem Holocaust auseinander. Aber das ist nun mal Teil der deutschen Geschichte, man muss akzeptieren, dass es so war. Der Mensch lernt leider nur aus ganz schlimmem Leid. Nur das bringt Veränderung – und auch die ist nur eine Momentaufnahme. Es ist schwierig, Optimist zu bleiben. Ich trage beides in mir: Einen gesunden Optimismus und gleichzeitig eine kleine Misanthropie und ein Verzweifeln über die Menschheit.

War es anstrengend, sich so intensiv mit dem eigenen Verhältnis zum Judentum auseinanderzusetzen?Es ist für mich nicht mühsam. Ich habe mich vorher auch nicht als Jude positioniert. weil ich mich vorher noch nie als Jude deklariert habe. Natürlich habe ich mich gefragt, was denn nach einer solchen Sendung passiert. Googelt man jüdische Kulturschaffende, findet man Artikel über Rassismus und Antisemitismus. Denn die Medien konzentrieren sich nicht auf Good News, sondern auf Bad News. Es ist also schwierig, den Blickwinkel zu verändern. Würde man acht jüdische Menschen in eine solche Sendung setzen und ausschließlich über Positives sprechen, würde es aber auch nicht funktionieren. Dann würden sich zum Beispiel die Überlenden des Holocaust nicht repräsentiert fühlen. Wir hätten ihre Geschichte verschwiegen.

Haben Sie sich im Vorfeld mit der Frage beschäftigt, welche Reaktionen wohl kommen werden auf eine solche Show?Ich habe schon auf meiner ersten Tour gelernt, was geschieht, wenn man sich politisch äußert. Man nimmt nicht alle Menschen mit, und das ist auch in Ordnung so. Als Schauspieler und Musiker erhält man oft eher Zuspruch. Hier ist das krass, weil ich mich als Daniel Donskoy hinsetze. Ich kann nicht mehr behaupten, jemand anderes hätte die Texte für mich geschrieben. Es kam auch die Frage auf, warum ich das beim WDR mache. Wenn ich aufgrund der Rassismus-Debatten in „Die letzte Instanz“ gesagt hätte, dort mache ich das nicht, stellt sich doch die Frage: Wo dann? Gerade dort ist es doch gut.

Warum?Wir müssen alle als Gesellschaft noch viel lernenDas zeigt uns auch die aktuelle Debatte. Es ist nicht nur gut, wie über Political Correctness gesprochen wird. Denn jeder Mensch, der bezichtigt wird, nicht politisch korrekt zu sein, ist sofort unten durch. Das ist sehr gefährlich. Was nicht passieren darf, ist, dass ein Liberal-Populismus ausbricht, wo alle anderen Idioten sind.

Wie meinen Sie das?Wenn sich auf Twitter jemand äußert und das passt Leuten nicht, wird er direkt zum plaktiven Negativbeispiel gemachtAls ultimatives Beispiel eines Rassisten oder eines Chauvinisten. Das Muster ist immer: Die sind böse, wir sind gut. Das ist schade, damit holt man die Mehrheitsgesellschaft nicht ab. Denn in unserem gesellschaftlichen Kern sind leider rassistische, homophobe, sexistische Gedanken verankert, das war die Sozialisierung der Generation vor uns. Die alle als schlechte Menschen abzutun, geht nicht. Dann kommen wir nie zu einer Veränderung. Und wenn Veränderung das Ziel ist, muss man in den Dialog gehen.