Harald Schmidt zum 65. GeburtstagDie Sache mit dem Vaginalsekret
Köln – Zum 65. Geburtstag des Kabarettisten, Late-Night-Talkers und Berufszyniker Harald Schmidt blicken wir noch einmal auf seine hellsten, grellsten und skandalösesten Fernseh-Momente zurück.
Zaubertricks mit aufblasbaren Tigern
„Look at me – I’m Roy.“ „Los, in the Käfig.“ Die Parodie von Harald Schmidt und Herbert Feuerstein auf die Las-Vegas-Illusionisten Siegfried und Roy in der Sendung „Schmidteinander“ sind das Albernste, das ich je im TV gesehen habe. Enger Glitzerfummel und hochtoupierte Perücken allein sind mäßig lustig. Erst die geradezu provozierende Plattheit der Gaga-Ansagen und Zaubertricks mit aufblasbaren Tigern machen den Auftritt zur reinen TV-Anarchie. Dazu eine Hintergrund-Musik, die sich wie die Easy-Listening-Version von „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“ anhört.
Ich kenne wenige Menschen über 40, die nicht „I’m Roy“ sagen, wenn man ihnen die Worte „Look at me“ zuwirft. „Ich verzauber’ Roy now in a Zwerg“, sagt Schmidt-Siegfried, wirft dem ohnehin kleinen Feuerstein-Roy ein silbernes Tuch über und zieht es wieder ab – Trick vorbei. Das ist derart bescheuert, dass ich es einfach nicht vergessen kann. (og)
Sein eigener Theater-Intendant
Bekanntlich begann Harald Schmidts sagenhafte Karriere beim Theater, die Heldenrollen blieben ihm dort aber verwehrt. Das änderte sich, als Schmidt, zum Gastgeber der „Harald Schmidt Show“ auf Sat.1 gereift, sein eigener Intendant wurde.
Am 13. Juni 2001 trat er als Claus Peymann aus der Kulisse, um das von Benjamin von Stuckrad-Barre als „FAZ“-Interview verfasste Dramolett „Claus Peymann kauft sich keine Hose, geht aber mit essen“ mit sich als Peymann uraufzuführen. Schmidt trägt Intendanten-Schwarz, deklamiert Intendantensätze wie „Ich gehöre je eigentlich zur Leinen-Avantgarde, aber irgendwann konnte ich dieses Zerbeulte nicht mehr ertragen“ und genießt es sichtlich, die gespreizte Grandiosität eines echten Theaterhelden vorzuführen.
An das Original, Thomas Bernhards liebevoll-bösen Einakter „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“, reicht das Ganze selbstredend nicht heran. Aber für diese 18 Minuten Bildungs- im Unterhaltungsfernsehen sah man darüber gerne hinweg. (KoM)
Harald Schmidt vs. Oliver Pocher: Kleine, miese Type
2007 war da plötzlich Pocher. Gleichberechtigt neben Schmidt nicht nur im Sendungstitel, auch auf der Bühne. Dabei konnte der Kleine dem Großen doch in keiner Hinsicht das Wasser reichen. Wer Schmidt liebte, war irritiert, aber seit der „Kreativpause“ auf alles gefasst und natürlich immer wohlwollend.
Pochers peinlicher Pennälerhumor war quälend, sorgte aber noch für einen großen Schmidt-Moment. Nach ihrem Auftritt drückte Pocher der norwegischen Sängerin Maria Mena kichernd sein Gastgeschenk aus dem vorherigen Interview in die Hand: ein Döschen Vaginalsekret von Lady Bitch Ray.
Das ließ Schmidt ihm nicht durchgehen und verabschiedete seinen Co-Moderator so aus der Sendung: „Das ist ja jetzt völlig uncharmant für so eine kleine miese Type, die, wenn sie Fotzensekret überreicht kriegt, erstmal so klein mit Hut ist und dann einem Gast das reinsemmelt, der kein Deutsch versteht. Uncool. Oliver Pocher! Nächstes Mal hat er’s begriffen.“ Was wir begriffen: King of Deutsche Late Night war, blieb und wird für immer sein: Harald Schmidt. (jym)
Harald Schmidt: Der Unernst der Welt
Warum war die „Harald Schmidt Show“ in den fetten 1990ern so unverzichtbar? Weil man dem Überfluss an Möglichkeiten, Lebensentwürfen und Konsumprodukten am besten mit ironischer Blasiertheit begegnete. Das aber beherrschte niemand so elegant und schneidend wie der Orgelspieler von Nürtingen.
Insofern ist Schmidts Kunst eher schlecht gealtert, heute werfen sich berufszynische Journalisten in Interviews vor ihm in den Staub, während Jüngere gar nicht mehr verstehen, wen der alte Mann mit seiner Egalhaltung provozieren will. Man muss zu Schmidts Verteidigung sagen, dass er weder sich noch sein bevorzugtes Medium je vom sarkastischen Säurebad ausnahm.
Das könnte Sie auch interessieren:
Im Gegenteil, die Momente, in denen er die prinzipielle Leere des Fernsehens voll auskostete, waren seine besten: Im Dunkeln moderieren, Dieter Thomas Heck allein im Studio zurücklassen, sich mit dem Hubschrauber zur Pommesbude fliegen lassen. Oder mit Playmobil eine Welt erklären, die man kaum durchschauen und auch nicht ernst nehmen konnte. (cbo)