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Streaming-Tipp„Tiny Beautiful Things“ ist zugleich eine Serie über das Erwachsenwerden und die Midlife-Crisis

Lesezeit 4 Minuten
Eine alte Frau im Bett und eine jüngere Frau halten Händchen

In „Tiny Beautiful Things“ muss sich Clare (Kathryn Hahn) vorübergehend eine neue Bleibe suchen und zieht in das Seniorenheim, in dem sie arbeitet.

Die neue Serie auf Disney+ hat mit Reese Witherspoon und Laura Dern nicht nur zwei schillernde Produzentinnen, sondern passt auch perfekt in das Portfolio des Streaming-Dienstes.

Geschichten über Menschen in der Midlife-Crisis sind in der Regel mit männlichen Protagonisten besetzt. Zum Beispiel vor kurzem in der Apple+ Serie „Shrinking“, in der ein Therapeut versucht den Weg aus der Krise mitten im Leben zu finden.

Auch in der neuen Disney+-Serie „Tiny Beautiful Things“ dreht sich viel um das Thema Lebenskrise im mittleren Alter. Allerdings ist die Protagonistin diesmal eine Frau. Eine eher seltene Konstellation, die es eventuell so noch in der HBO/Sky-Serie „Big Little Lies“ mit Reese Witherspoon und Laura Dern gibt. Es ist wohl kein Zufall, dass beide auch hier als ausführende Produzentinnen agieren.

In „Tiny Beautiful Things“ dreht sich alles um Clare (Kathryn Hahn), die eigentlich Autorin ist, aber in einem Seniorenheim arbeitet. Die Ehe mit ihrem Mann Danny steht vor dem Aus. Ihre Teenager-Tochter Rae spricht kaum mit ihr. Und ihre einst vielversprechende Karriere als Schriftstellerin ist praktisch nicht mehr existent. Immer mehr erkennt der Zusehende, wie tief Clare im Dilemma steckt. Höhepunkt sind die Nächte. Da in der Paar-Therapie vorgeschlagen wurde, dass sie das Haus der dreiköpfigen Familie zum Wohle aller Beteiligten vorübergehend verlassen sollte, hat sie schlichtweg keinen Platz mehr zum Schlafen. In ihrer Not legt sie sich spät in der Nacht zu einer Bewohnerin des Seniorenheims und übernachtet in dem Doppelzimmer, tiefsinnige Gespräche mit der Bettnachbarin inklusive. Deren Tochter findet das allerdings gar nicht lustig. Sie filmt das nächtliche Geschehen und Clare ist ihren Job erst mal los.

Die Ratgeberkolumne „Dear Sugar“ wird zum Wendepunkt

Als ihr ein alter Schriftstellerkollege vorschlägt, die Ratgeberkolumne „Dear Sugar“ zu übernehmen, denkt Clare, dass sie vermutlich die letzte Person ist, die sich für diesen Job eignet. Nachdem sie jedoch widerwillig zugestimmt hat, wird ihr klar, dass sie möglicherweise sogar perfekt dafür qualifiziert ist.

Während die Briefschreiber Clare dazu zwingen, die wichtigsten Momente in ihrem Leben noch einmal Revue passieren zu lassen, versucht sie ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Dabei geht es ihr vor allem darum, das Vertrauen der eigenen Tochter zurückzugewinnen. Als sie diese bei einem anzüglichen Treffen in ihrem Haus mit zwei anderen Teenagern antrifft, ist das ihr Weg zurück in die eigenen vier Wände.

Eine junge Frau und ein junger Mann stehen im Sonnenlicht.

Das Verhältnis zwischen der jungen Clare (Sarah Pidgeon) und ihrem Bruder wird in Rückblenden beleuchtet.

„Tiny Beautiful Things“ basiert auf der Bestseller-Sammlung von Cheryl Strayed und ist weit mehr als nur die Geschichte einer Frau in der Midlife-Crisis. Vielmehr ist es in gleichen Teilen eine Erzählung über das Erwachsenwerden. Denn die achtteilige Serie mit ihren 30-minütigen Folgen präsentiert noch eine zweite Zeitebene. Diese erklärt, warum Clare mit ihren fast 50 Jahren (sie legt Wert darauf, erst 49 Jahre alt zu sein) so eine verschrobene Persönlichkeit ist. Die junge Schauspielerin Sarah Pidgeon macht dabei eine ebenso gute Figur wie Kathryn Hahn, die die ältere Clare spielt. In dieser Zeitebene sind der Tod ihrer Mutter, der Streit mit ihrem Bruder und sogar der Sex im Hinterzimmer eines Bestattungsunternehmens zentrale Punkte, die begründen, warum Clare traumatisiert ist.

Aspekt der Kummerkastentante wird wenig beleuchtet, und das ist gut so

Dabei wird der Aspekt der Kummerkastentante überraschend nur angeschnitten, aber nie wirklich tiefer ergründet. Eine weise Entscheidung, schließlich ist das Leben von Clare mit all den verschrobenen Facetten Inhalt genug für ein sehr unterhaltsames Drama mit vielen komischen und nie albernen Momenten. Eventuell ist gar nicht Clare das Problem, sondern alle um sie herum.

„Tiny Beautiful Things“ ist eine Serie, die sehr gut in den Katalog von Disney+ passt. Es ist sozusagen Disney für Erwachsene. Eltern, die mit ihren Kindern auf dem Streaming-Dienst in der Regel Eisprinzessinnen oder animierte Sternenkrieger schauen, können hier eine Serie nur für sich finden. Denn die Geschichte hat auch etwas Märchenhaftes. Zu Beginn ist aus Clares Sicht alles düster und schrecklich in ihrem Leben, und so ist es ein großes Vergnügen, ihren Weg zurück ins Licht zu verfolgen. Es bleibt lange spannend, ob sie das Vertrauen ihrer Tochter zurückgewinnt und ihre Ehe noch zu retten ist.

Eine Frau und ein Mann streiten sich.

ist die Ehe von Claire noch zu retten?

„Tiny Beautiful Things“ überzeugt mit hervorragenden Schauspielern und tollen Dialogen. Die Serie steht ab Mittwoch, 10. Mai, bei Disney+ zum Abruf bereit.