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Der Kommunist, den wir liebtenDas bietet die Picasso-Schau im Kölner Museum Ludwig

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Köln – Man stellt sich das im Westen ja gerne so vor, dass die im Osten total vernagelt waren und vor lauter Kommunismus und ideologischer Verblendung keine Welt mehr sahen. Tatsächlich entbehrt es nicht der Komik, wie sich etwa die Parteifunktionäre der DDR in den Nachkriegsjahren dabei verbogen, Pablo Picasso als Genossen zu feiern, während sie gegen den „dekadenten“ Teil seiner Kunst schon damals am liebsten einen Schutzwall errichtet hätten. Was für ein sagenhaftes Pech für die Bonzen, dass sich Picasso, der berühmteste lebende Künstler seiner Zeit, im Jahr 1944 entschieden hatte, in die Kommunistische Partei Frankreichs einzutreten.

In der BRD sah man Picasso so ideologisch wie in der DDR

Andererseits lernt man nun in der großen Kölner Picasso-Schau, dass es im westlichen Deutschland nicht viel besser war. Als Kommunist gab es Picasso dort in den Nachkriegsjahren im Grunde nicht, und wenn es doch einer bemerkte, weil es schlichtweg nicht mehr zu ignorieren war, sagte er halt, wie 1952 der Berliner Senator für Volksbildung, kurzerhand eine lange geplante Ausstellung ab. Als offizieller Grund wurde die verspätete Lieferung von Transportkisten genannt, doch die wahren Gründe sprachen sich bis in den Osten der Stadt herum. Dort bot man listig an, die abgesetzte Picasso-Schau stattdessen im „demokratischen Sektor“ zu präsentieren. Die Peinlichkeit, die Feier bürgerlicher Dekadenz tatsächlich eröffnen zu müssen, blieb den ostdeutschen Demokraten freilich erspart.

Später fanden die Westfunktionäre der Moderne dann einen besonderen Dreh, um den kommunistischen Picasso aus der Kunstgeschichte zu verbannen. Man feierte ihn als unpolitisches Genie, das sich, sobald die Politik ins Spiel kam, künstlerisch unter Wert verkaufte. Wenn diese Strategie nicht verfing, wie etwa beim weltberühmten „Guernica“, wurde die Anklage gegen ein NS-Kriegsverbrechen eben zum allgemeingültigen Antikriegsbild umgemünzt. Auch die Werbestrategen der Bundeswehr hatten vom Bombenhagel der deutschen Legion Condor offenbar noch nie etwas gehört, als sie die verdrehten Leiber von „Guernica“ zum Werbemotiv der Landesverteidigung erhoben.

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„Der geteilte Picasso“ heißt die Ausstellung, die Julia Friedrich im Museum Ludwig eingerichtet hat, und man staunt auf jedem Meter des Parcours, wie berechtigt dieser Titel ist. Das Bild, das man sich in BRD und DDR jeweils von seinem Picasso machte, könnte teilweise unterschiedlicher nicht sein, und doch wurde er in beiden Systemen zum Inbild der populär gewordenen Kunstmoderne.

Bertolt Brecht schmückte den Vorhang des Berliner Ensembles mit Picassos Friedenstaube, im Westen wurde der durch exquisit besetzte Wanderausstellungen durchgesetzte Künstler mit Hilfe von Filmen und Enthüllungsbüchern zum Medienstar. Die dabei zutage tretenden Verwertungsinteressen, Selbsttäuschungen und blinden Flecken der Systeme sind dabei die eine Sache. Die andere ist die Einsicht, dass Picasso als unpolitischer Künstlers eigentlich nicht zu haben ist. Man mag die selbstquälerischen Diskussionen um den „formalistischen“ und daher unverständlichen Picasso in der DDR heute absurd finden. Aber erst sie scheinen das Bild eines Mannes zu vollenden, den wir in- und auswendig zu kennen glaubten.

Blick in die Ausstellung im Museum Ludwig

Julia Friedrich hat die deutsch-deutsche Rezeptionsgeschichte Picassos mit einer Gründlichkeit erforscht, die im heutigen Ausstellungsbetrieb selten geworden ist und sogar ein gerütteltes Maß an Mut erfordert. Schließlich wollen all die in Büchern und Archiven gewonnenen Erkenntnisse auch ausgebreitet werden, weshalb man als Besucher schon etwas aufpassen muss, um die originalen Picassos zwischen all den auf Stellwänden drapierten Materialien nicht zu übersehen. Die gibt es zwar in gar nicht mal kleiner Zahl – allen voran das aus Paris gelieferte „Massaker in Korea“. Aber man kann sich zwischen diesen Augenkitzlern ohne weiteres in der Lektüre von Briefwechseln oder dem Betrachten historischer Aufnahmen verlieren, ohne etwas Wesentliches zu vermissen.

Wann kann man das schon im Museum sagen: Ich habe viel gelesen und deshalb mehr gesehen.

„Der geteilte Picasso. Der Künstler und sein Bild in der BRD und der DDR“, Museum Ludwig am Dom, Köln, Di.-So. 10-20 Uhr, bis 30. Januar. Katalog: 29,80 Euro.