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„Der Schwarm“ im ZDFIst Frank Schätzings Kritik berechtigt?

Lesezeit 4 Minuten
Szene aus „Der Schwarm“: Wale schwimmen kopfüber im Wasser über einer geheimnisvoll leuchtenden Masse

„Der Schwarm“ ist ab 22. Februar in der ZDF-Mediathek zu sehen und ab 6. März auch im linearen Fernsehen

Bestseller-Autor Frank Schätzing ist mit der Verfilmung seines Romans „Der Schwarm“ hart ins Gericht gegangen. Das ZDF verteidigt das 40-Millionen-Euro-Projekt. Wer hat recht?

Grundsätzlich lautet die goldene Regel ja, dass viel Aufmerksamkeit gut für ein Serienprojekt ist, weil das Neugierde weckt. Auf die Art Schlagzeilen, die Frank Schätzing vergangene Woche produzierte, hätte das ZDF aber sicherlich gerne verzichtet. Der Bestseller-Autor, der sich mit Produzent Frank Doelger („Game of Thrones“) überworfen hatte, hat sich mit vernichtenden Worten über die Verfilmung seines 20 Jahre alten Bestsellers „Der Schwarm“ geäußert. Die Serie sei erzählerisch „grundfalsch“ und „zusammengeschusterter Unsinn“, das alles „ohne aktuelle Relevanz“.

Ist „Der Schwarm“ also ein Totalausfall? Sicher nicht. Aber unter den Möglichkeiten eines so prestigeträchtigen Projekts, das mehr als 40 Millionen Euro gekostet hat, bleibt der Achtteiler dann doch.

Wie auch in Schätzings vor fast 20 Jahren erschienenem Roman geschehen an den Küsten der Erde merkwürdige Dinge. Erst tauchen Wale auf ihren klassischen Routen vor Vancouver Island gar nicht auf, dann greifen sie plötzlich Ausflugsboote an. Muscheln mutieren und heften sich in so großen Massen an Schiffe, dass die manövrierunfähig werden. Am Meeresboden finden sich mutierte Eiswürmer, die sich rasend schnell vermehren, durch Eisschichten fressen und so Methangas freisetzen, das zu Blow-outs führt, die Schiffen gefährlich werden. Gefangene Hummer und Krabben, die die Küsten überrennen, verbreiten ein für den Menschen tödliches Bakterium, gegen das es keine Heilung gibt.

Der Stoff hat an Relevanz gewonnen

Internationale Wissenschaftler - darunter die deutsche Doktorandin Charlie Wagner (Leonie Benesch) und der norwegische Meeresbiologe Sigur Johanson (Alexander Karim) - versuchen zu erklären, warum das Meer und seine Bewohner sich plötzlich gegen die Menschheit zu verschwören scheinen. Und wer oder was steuert diese Attacken?

War Frank Schätzings Roman Anfang der 2000er Jahre noch angenehm weit entfernte Fiktion, zu der es sich schön und sorgenfrei gruseln ließ, hat der Klimawandel mit all seinen Folgen unser Bewusstsein deutlich geschärft. Dass die Natur, die wir an vielen Stellen systematisch zerstören, zu einer Bedrohung wird, ist längst keine ferne Dystopie mehr. Und Corona hat uns bewiesen, dass jederzeit eine neue Pandemie zur Bedrohung werden kann.

Der Stoff hat also eigentlich sehr an Relevanz gewonnen. Doch die Serie macht daraus zu wenig. Aktuelle Debatten über Klimaschutz und die Frage, wie radikal wir unser Leben ändern müssen, spielen nur eine untergeordnete Rolle, auch die Dynamik, die die sozialen Medien in politische und gesellschaftliche Entwicklungen gebracht haben, kommen nicht vor.

Erstaunlich konventionell erzählt

Es braucht heute nicht mehr eine Handvoll gut vernetzter Wissenschaftler, um globale Zusammenhänge herzustellen. Per Twitter und Messengerdiensten verbreiten sich Neuigkeiten in Echtzeit. Die Welt ist ein Dorf, in „Der Schwarm“ ist das aber noch nicht so recht angekommen.

Der Aufbau der einzelnen Folgen gerät überraschend konventionell, inklusive Cliffhanger am Ende einer jeden Folge. Modernes Serienerzählen bricht auch mal mit Erwartungshaltungen der Zuschauer, bei „Der Schwarm“ ist das anders. Das ist verlässlich, aber eben auch wenig originell. Den durchschnittlichen ZDF-Zuschauer verschreckt man so nicht, aber Serienjunkies erreicht man so nur schwer.

Die Serie lässt sich Zeit, die Charaktere einzuführen, und sie kann sich auf die durchweg guten Schauspielerinnen und Schauspieler verlassen. Allerdings klingen die Dialoge gerade in der deutschen Synchronfassung mehr als hölzern, die englische Originalfassung ist deutlich besser. Aber Schätzing hat in jedem Fall recht, wenn er sagt, es „pilchere“ doch zwischendurch ganz ordentlich.

Die Katastrophenbilder schließlich sind von sehr unterschiedlicher Qualität. Manches sieht richtig gut aus und bewegt sich auf internationalem Niveau, bei anderen Szenen ist die Tricktechnik leider nicht gut genug, um die nötigen Effekte wirken zu lassen.

So bleiben nach Ansicht der ersten sechs Folgen, die es vorab für die Presse zu sehen gab, gemischte Gefühle zurück. Die Serie lässt sich flott durchschauen, aber sie ist trotzdem eine Ansammlung verpasster Chancen. Und das ist dann für ein Projekt dieser Größenordnung - wir sprechen immerhin von der bislang teuersten deutschen Serienproduktion - letztlich doch zu wenig.


So zeigt das ZDF die acht Teile von „Der Schwarm“:

In der ZDF-Mediathek

Mittwoch, 22. Februar 2023, ab 10 Uhr: Folgen 1, 2 und 3Mittwoch, 1. März 2023, ab 10 Uhr: Folgen 4, 5 und 6 Mittwoch, 8. März 2023, ab 10 Uhr: Folgen 7 und 8

Im ZDF

Montag, 6. März 2023, 20.15 Uhr: Folgen 1 und 2 Dienstag, 7. März 2023, 20.15 Uhr: Folgen 3 und 4 Mittwoch, 8. März 2023, 20.15 Uhr: Folgen 5 und 6 Donnerstag, 9. März 2023, 20.15 Uhr: Folgen 7 und 8