Kostas Papakostopoulos inszeniert in Köln Fink Kleidheus Stück „Der Nabel der Welt“. Unsere Kritik.
Deutsch-Griechisches TheaterEin Orakel beklagt den Zustand der Welt
Die Erde brennt. Mit eindringlichen Videobildern von den verheerenden Bränden in Griechenland im Sommer 2023 beginnt „Der Nabel der Welt (where the eagles meet)“, basierend auf dem gleichnamigen Stück des Dramatikers Fink Kleidheu. Regisseur Kostas Papakostopoulos lässt in der aktuellen Inszenierung des Deutsch-Griechischen-Theaters die Videoinstallationen von John Seidler immer wieder einblenden, um das Publikum im Saal der Orangerie daran zu erinnern, in welchem Zustand sich die Welt befindet.
Vor dieser Katastrophe in Zeiten des Klimawandels musste sogar die mythische Pythia weichen. Jetzt hat die Priesterin des Orakels von Delphi auf ihrer Flucht quer durch Europa kurzen Halt in diesem Theater in Deutschland gemacht. Ein Ort der Katharsis und zugleich ein Schutzraum, für Menschen auf der Flucht, wie die Prophetin vom Berg Parnass verkündet.
Lisa Sophie Kusz trägt ihre Suada mit eindringlichem Verve vor
Die Schauspielerin Lisa Sophie Kusz liegt wie eine Gestrandete alleine auf der Bühne. Ein schwarzer Mantel dient als Decke und der Kopf ist auf einem Rucksack gebettet. Wie eine Betrunkene erwacht sie nur mühsam aus ihrem Schlaf, torkelt, versucht auf die Beine zu kommen, das Gesicht rußgeschwärzt, blickt sie in den Zuschauerraum. Ihre seherische Gabe scheint sie – vorerst – verloren zu haben. Die Dämpfe in Delphi sind versiegt. Die Rauschwaden über den Wäldern Griechenlands, die jetzt aufsteigen, wiederum sind für jedermann ersichtlich.
Wie ihre berühmte Leidensgenossin Kassandra, war es auch das Schicksal der Pythia, dass ihre Visionen von den Menschen nicht verstanden wurden. Wann hören die mächtigen Männer dieser Welt schon einmal auf die Frauen! Auch wenn die Pythia die Visionen verweigert, so hat sie als Reisende durch die Zeit doch einiges zu erzählen vom Zustand der Welt. Auf einem Containerschiff ist sie auf den Routen der Flüchtenden über das Mittelmeer in Rotterdam angelangt. Die Fracht voller Zivilisations-Ware für den Bedarf in den Industrieländern. Produkte, die in der Herstellung eben jene ökologische und soziale Krise befeuern, die mit dafür sorgt, dass immer mehr Menschen auf der Flucht sind. Mal sanft, mal sarkastisch ist der Tonfall, wenn die Pythia ihre Geschichte erzählt, dann verfällt sie in wütende Raserei, angesichts des Zustands der Welt.
Gebannt folgt man der Souada der Seherin, deren eindringlicher Monolog von Kusz mit reichlich schauspielerischem Verve vorgetragen wird. Am Ende hat die Pythia doch noch eine Vision, einen Rat fürs Publikum. Die goldglänzende Wärmefolie, die sie bei ihrer Flucht als Schutz vor der Kälte mit sich trägt, sie solle vom Theaterpublikum für die eigenen Nachfahren verwahrt werden. Es könne gut sein, dass diese sie noch brauchen werden.
Nächste Termine an wechselnden Spielorten: 7. – 9.11. 20 Uhr, Alte Feuerwache, 17., 18. 1. 2025, 19.30 Uhr, Comedia Theater