AboAbonnieren

Deutscher FernsehpreisDer kleinste gemeinsame Nenner

Lesezeit 5 Minuten
Schauspielerin Sunnyi Melles nimmt bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises 2024 im Coloneum den Preis als Beste Schauspielerin entgegen und breitet ihre Arme aus.

Schauspielerin Sunnyi Melles freute sich über ihre Auszeichnung.

Die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises geriet so kurz wie schon lange nicht mehr, offenbarte aber wieder einmal die Probleme der TV-Branche.

Joko Winterscheidt war am Mittwochabend beim Oktoberfest. Das sei ihm von Herzen gegönnt, aber als Klaas Heufer-Umlauf, mit dem er in der Kategorie „Beste Moderation/Einzelleistung Unterhaltung“ für ihren Sendemarathon „24 Stunden mit Joko & Klaas“ gewann, auf der Bühne ziemlich lapidar verkündete, dass sein Moderationspartner lieber Bier in München als Sekt in Köln trank, offenbarte sich wieder mal das ganze Dilemma des Deutschen Fernsehpreises.

Kein amerikanischer Fernsehmacher würde es sich nehmen lassen, einen Emmy persönlich abzuholen. Zu groß ist die Strahlkraft des wichtigsten Fernsehpreises. Dass der Fernsehpreis da nicht mithalten kann, ist nicht seine Schuld, der amerikanische Markt ist einfach weltweit tonangebend, aber ein Preis, dem die eigene Branche offenbar nicht so recht traut, hat ein Problem.

Auch etliche andere Nominierte hatten sich im strömenden Regen nicht ins Niemandsland von Ossendorf gewagt, selbst von den am Tag zuvor bei der „Nacht der Kreativen“ in der Flora ausgezeichneten Vertretern all jener Gewerke, ohne die Fernsehen zwar nicht möglich ist, die man aber dennoch lieber aus dem Scheinwerferlicht heraushält, waren längst nicht alle zur großen Verleihung geblieben.

Schöneberger war souverän, ihre Witze waren allerdings zum Teil aus der Zeit gefallen

Gekommen war aber eine, die im vergangenen Jahr beim vierstündigen Marathon bei der damals von Sat.1 ausgerichteten Verleihung schmerzlich gefehlt hatte: Barbara Schöneberger. Sie führte gewohnt souverän durch den Abend, auch wenn man einige ihrer Witze mittlerweile eher aus dem Mund alter, weißer Männer vermuten würde. Jetzt, wo Daniela Katzenberger ja auch so dünn sei, seien sie selbst und Elton „die letzten Dicken im Showgeschäft“. Und über Teil eins der Verleihung am Vorabend sagte sie: „Jetzt hab ich’s kapiert: Nacht der Kreativen. Ich habe immer verstanden, nackte Kreative und dachte mir: Da muss ich hin. Ich hab so viel zu geben!“

Ihr Humor ist an der ein oder anderen Stelle sicher Geschmackssache, aber Schöneberger scheint die einzige Frau in der deutschen Unterhaltung zu sein, die eine solche Preisverleihung zusammenhalten kann. Auch das sagt leider viel über das verfügbare Personal in Deutschland aus.

Moderatorin Barbara Schöneberger singt bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises 2024 im Coloneum.

Moderatorin Barbara Schöneberger singt bei der Verleihung des Deutschen Fernsehpreises 2024 im Coloneum.

Gestiftet wird die Auszeichnung von den vier großen Sendern ARD, ZDF, RTL und Pro Sieben/Sat.1. Außerdem sind seit vergangenem Jahr Prime Video, Netflix und Disney+ Partner. Doch während Netflix vergangenes Jahr groß abräumte, ging der Streamingdienst dieses Jahr leer aus, was durchaus ein Spiegel der Qualitätsentwicklung des Hauses ist. Prime Video konnte sich immerhin über eine Auszeichnung für „Die Discounter 3“ in der Kategorie „Beste Comedyserie“ freuen. Lea Fumy-Schleef und Uta Materne (Production-Design) wurden für „Pauline“ (Disney+/bildundtonfabrik) ausgezeichnet und Annette Hess gewann für das „Beste Buch Fiktion“ für ihre Serie „Deutsches Haus“ (Disney+/Gaumont).

Für seine Berichterstattung über die Basketball-WM 2023 wurde völlig zu Recht das Team von Magenta TV für die „Beste Sportsendung“ geehrt und der für Welt TV tätige Steffen Schwarzkopf erhielt den Vorzug vor Ina Ruck und Esther Sedlaczek in der Kategorie „Beste Moderation/Einzelleistung Information“, aber die restlichen Preise machten die klassischen TV-Sender unter sich aus.

Und da überwogen, auch im Unterhaltungsbereich, die gesellschaftspolitisch relevanten Themen. So erhielt „Ich bin! Margot Friedländer“ (ZDF/UFA Documentary) über das beeindruckende Leben der Holocaust-Überlebenden gleich mehrere Preise: Martin Menzel für die „Beste Montage Fiktion“ und als „Bester Fernsehfilm/Mehrteiler“. In einem Videostatement bedankte sich die 102-Jährige und appellierte in bewegenden Worten an alle Anwesenden, nicht die Menschlichkeit zu verlieren.

Die Serie „Die Zweifels“ war der Gewinner des Abends

Als „Beste Dokumentation/Reportage“ wurde „Hamas-Angriff aufs Festival – Die Überlebenden des Wüsten-Raves“ (arte/ZDF/Beetz Brothers) geehrt, „Beste Doku-Serie“ wurde der auch schon mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete Dreiteiler „Einzeltäter“ (ZDF/Das Kleine Fernsehspiel/CORSO Film) über die Opfer von Rechtsterrorismus in Deutschland, der auch für die „Beste Kamera Information/Dokumentation“ gewann. Als „Bestes Infotainment“ wurde Tracks East – Inside Russia: Alltag in Putins Reich mit Masha Borzunova (arte/ZDF/Kobalt) ausgezeichnet.

In der Fiktion war der große Gewinner die ARD-Serie „Die Zweiflers“ über eine jüdische Familie mit Feinkostladen und -restaurant in Frankfurt. Neben Deutsch wird darin auch Jiddisch und Englisch gesprochen. Im April gewann die Produktion beim Internationalen Serien-Festival in Cannes bereits den Preis als „Beste Serie“ des Jahres. Darsteller Aaron Altaras wurde als bester Schauspieler geehrt, Darstellerin Sunnyi Melles als beste Schauspielerin. Die ganze Produktion wurde zur besten Drama-Serie gekürt. Außerdem gewann Philip Kaminiak für die „Beste Kamera Fiktion“ einen Preis. Melles bescherte dem Abend einen der schönsten, weil authentischsten Momente, als sie emotional verkündete: „Ich bin schwierig.“ Nur um dann zu ergänzen: „Eigentlich nicht, aber ich liebe den Ruf.“

Der Ehrenpreis der Stifter für das Lebenswerk ging an Schauspieler Mario Adorf. Der bedankte sich glaubhaft gerührt in einem Video aus Frankreich für den Preis und sagte, er bedauere es, ihn nicht persönlich abholen zu können, aber mit 94 dürfe man wohl auch mal zu krank sein, um eine lange Reise auf sich zu nehmen. Immerhin war er nicht auf dem Oktoberfest.

Es war ein Abend, der vom Adenauer-Slogan „Keine Experimente“ lebte. Es gab ein paar Einspieler und ein paar Gesangs- und Tanzdarbietungen, aber alles in allem zog der ausrichtende WDR die Ehrungen konsequent durch. Nach gut zweieinhalb Stunden war Schluss, so kurz war die Verleihung schon seit Jahren nicht mehr. „Ich mach's euch heute so schnell wie noch nie“, hatte Schöneberger irgendwann angekündigt, worauf Klaas Heufer-Umlauf entgegnet hatte: „Wir wissen das alle zu schätzen.“ Und er hatte recht, auf der ebenfalls vom WDR sehr bescheiden ausgerichteten After-Show-Party hörte man das Lob über die Kürze der Verleihung überall. Es war der kleinste gemeinsame Nenner eines Abends, der nicht weh tat. Richtig gut tat er aber eben leider auch nicht.