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Deutschland-Debüt in KölnWas die irische Sängerin CMAT an Nina Hagen und Sandra Hüller bewundert

Lesezeit 4 Minuten
16.02.2024
Köln:
Konzert im Luxor
CMAT, mit vollem Namen Ciara Mary-Alice Thompson (* 1996 in Dublin), ist eine irische Popmusikerin mit gewaltiger Stimme und gilt als aufsteigender Star.
Foto: Martina Goyert

CMAT gibt ihr Deutschland-Debüt im Kölner Luxor Foto: Martina Goyert

CMAT, bürgerlich Ciara Mary-Alice Thompson, brachte das Kölner Luxor zum Zittern. Unsere Konzertkritik.

Die irische Sängerin Ciara Mary-Alice Thompson hat ihr zweites Album, „Crazymad, for Me“ nach einer Zeile aus Sheena Eastons Schunkelsong „Morning Train (9 to 5)“ benannt. Der war im Jahr 1980 ein großer Hit für die Schottin, gesungen aus der Perspektive einer verliebten Hausfrau, die Tag für Tag sehnsüchtig darauf wartet, dass ihr Mann von der Arbeit heimkommt. Damals ging das als romantisch durch, heute bestenfalls als böse Parodie.

Thompson, die als Künstlerin unter ihren Initialen CMAT auftritt, imaginiert sich in „Crazymad“ als ihr 20 Jahre älteres Ich, sie ist 27, das in die Zeit zurückreist, um ihr zehn Jahre jüngeres Ich vor einer toxischen Beziehung zu einem älteren Man zu warnen. Ein wenig, wie in der Versicherungswerbung, in welcher ein ergrauter Mann aus einer Zeitmaschine steigt, um seine jüngere Ausgabe dafür zu ohrfeigen, dass sie nicht fürs Alter vorgesorgt hat. Aber es geht CMAT nicht nur um verzögerte Reue, sondern auch darum, wie unterschiedlich man bestimmte Entscheidungen und Momente seines Lebens in verschiedenen Lebensaltern bewertet. Wie gruselig ein netter Sheena-Easton-Song 40 Jahre später klingt.

Im Luxor kündigt Sylvie Vartans französische „Morning Train“-Version („L’amour c’est comme une cigarette“) CMAT und Band an, das Musikerquartett trägt schwarze Radlerhosen und rote Baskenmützen, Thompson trägt schwarze Glittershorts, ihre Strümpfe haben Löcher, von ihrer bunten Weste wehen Lametta-Fransen, ihre roten Haare hat sie in alle Richtungen hochtoupiert. Jetzt wirft sie sich mit weit aufgerissenen Augen in Pose, wie eine deutsche Stummfilm-Diva, oder Magenta aus der „Rocky Horror Show“. Das Kölner Konzert ist ihr erster Auftritt in Deutschland.

Gleich im ersten Song fantasiert sie von einer Flucht an die amerikanische Westküste, reimt „California“ mit „warn you“, wie einst Albert Hammond in „It Never Rains in Southern California“, und kündigt an, aus ihrem Kummer künstlerisch herauszuholen, was sie nur kann.

CMAT kleidet Country-Songs in Cabaret-Fummel

Das ist korrekt beschrieben. CMATs Songs tragen die Country-Musik in ihrem Herzen – „I Wanna be a Cowboy, Baby!“ verkündet ein Stück –, aber sie kleiden sich in Cabaret-Fummel, das wilde Haar und die exaltierten Gesten vom Anfang, löst Thompson bald auf, bezogen sich nicht auf expressionistische Filme, sondern auf ihre deutsche Lieblingssängerin Nina Hagen. Das passt. Als kleine Ciara in der Dubliner Vorstadt Dunboyne sei sie mit ihren großen Popstarträumen die nervigste Person überhaupt gewesen. Auch das glaubt man nur allzu gerne, vor allem nach einer nicht enden wollenden Sandra-Hüller-Parodie.

Doch heute umarmen ihre Träume mühelos die Massen, auch wenn es auf dem Kontinent vorerst nur für die verhältnismäßig kleine Bühne des Luxors reicht und CMAT auf ihre Showtreppen-Aufbauten verzichten muss. „Fall in love and out of love again“, singt sie, „whatever's inconvenient“ und das gesamte Publikum singt mit, denn dass die Liebe immer zur Unzeit kommt, das weiß ja jeder.

16.02.2024
Köln:
Konzert im Luxor
CMAT, mit vollem Namen Ciara Mary-Alice Thompson (* 1996 in Dublin), ist eine irische Popmusikerin mit gewaltiger Stimme und gilt als aufsteigender Star.
Foto: Martina Goyert

CMAT im Luxor

Es ist schon wieder Karneval, das Emo-Nachspiel. Und ob CMAT nun von einem Nervenzusammenbruch singt, nachdem sie sich die Haare kurz geraspelt hat, um auszusehen wie der belgische Fußballer Vincent Kompany, oder schwört, nie wieder einen Typ mit Sternzeichen Waage zu daten – wir sind dabei, wir fühlen und feiern mit.

Es hilft, dass so gut wie jedes CMAT-Stück auf dem Pathos-Level beginnt, mit dem Foreigners „I Want to Know What Love Is“ endet. Zurückhaltung war gestern, heute lassen wir alles raus, bis zur Zugabe „Stay for Something“. Einmal mehr geht es um die oben erwähnte toxische Beziehung. Fünf Jahre ihres Lebens habe ihr die gekostet, singt Thompson. Dann überschlägt sich ihre kraftvolle Stimme: Aber für irgendetwas musste ich bleiben!

Die Liebe, sagt Sylvie Vartan, ist wie eine Zigarette, sie sticht in den Augen, bringt dich zum Weinen und löst sich in Rauch auf. Dieses ungesunde, flüchtige „something“, das uns dazu bringt, im richtigen Moment das Falsche zu tun, das fängt derzeit niemand so gut ein wie CMAT.