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Die Verwegene - Nastassja Kinski wird 60

Lesezeit 3 Minuten

Berlin – Über manche Filme wird auch Jahrzehnte später noch gesprochen. Einer davon ist der „Tatort”-Krimi „Reifezeugnis” aus dem Jahr 1977. Seine Bekanntheit verdankt der Film nicht zuletzt Nastassja Kinski.

Sie war damals noch ein Teenager - am Sonntag (24. Januar) wird sie nun 60 Jahre alt. Eine gute Gelegenheit, nochmal auf ihren Werdegang zu gucken - und auf den berüchtigten „Tatort”.

Schaut man in die Zeitungen von damals, schnitt nicht nur der Krimi recht gut ab. Die „FAZ” fand: Zwar keine „sonderlich ausgeklügelte Geschichte”, aber „bemerkenswerte Psychogramme” der Figuren. Und die „Süddeutsche Zeitung” sprach von einem Spitzenwerk dieses TV-Genres - und lobte Kinski als „Entdeckung, die Karriere-Folgen haben dürfte”.

Der Satz hat sich bewahrheitet. Der Fernsehkrimi machte Kinski in Deutschland ziemlich bekannt. Später war sie innerhalb kurzer Zeit auch international ein Name. Sie drehte mit Regisseuren wie Wim Wenders und Roman Polanski, arbeitete für Modezeitschriften. Ihr Gesicht landete sogar mal auf dem Cover des Magazins „Time”.

Worum ging es in dem „Tatort”-Krimi von damals? Schülerin Sina (Nastassja Kinski) und ihr Lehrer (Christian Quadflieg) haben eine Affäre. Als ein Mitschüler davon mitbekommt, will er Sina erpressen und verlangt für sein Schweigen Sex von ihr. Als er bei einem Treffen im Wald übergriffig wird, erschlägt Sina ihn mit einem Stein.

Es ist eher ungewöhnlich für den „Tatort”, dass die Zuschauer von Anfang an die Täterin kennen. Sie schauen dem Kieler Kommissar Finke (Klaus Schwarzkopf) dann bei der Wahrheitssuche zu. Manche meinen, Schwarzkopf sei ein bisschen der deutsche „Columbo” gewesen - dessen Synchronsprecher war er nämlich auch mal. Der Ermittler war für manche ein Pluspunkt an dem Film von Regisseur Wolfgang Petersen („Das Boot”).

Das heikle Thema Schulaffäre, ziemlich interessante Figuren wie die Ehefrau (Judy Winter), dann natürlich die junge Kinski - und Aufnahmen von ihren nackten Brüsten. Das alles sorgte für Gesprächsstoff. Bediente aber auch reichlich Männerfantasien („Mein Liebster”, schwärmt Sina am Anfang, „durch dich ist alles so anders geworden”). Nicht alles an altem Fernsehen lässt sich heute noch gut schauen.

Nastassja Kinski war damals noch ziemlich jung. Geboren wurde sie 1961 in Berlin. Ihr Vater war Extrem-Schauspieler Klaus Kinski (1926-1991, „Fitzcarraldo”). Er stand nicht nur wegen Tobsuchtsanfällen in der Kritik. Seine Tochter Pola machte nach seinem Tod Vorwürfe publik, ihr Vater habe sie jahrelang sexuell missbraucht.

Nastassja Kinski erklärte nach der Buchveröffentlichung ihrer Halbschwester, auch sie habe fürchterliche Angst vor ihrem Vater gehabt: „Er war ein Tyrann”. Über ihre Familie, so heißt es, spricht Kinski heute nicht gerne. Ohnehin sind Interviews und Auftritte eher selten geworden. Auch ein aktuelles Interview kommt nicht zustande.

Früher war Nastassja Kinski eine ziemliche Größe. Und hatte tolle Szenen. Zum Beispiel im Roadmovie „Paris, Texas” (1984) von Wim Wenders: Sie spielt eine Mutter, die ihr früheres Leben hinter sich gelassen hat und im pinkfarbenen Pullover in einer Peepshow wieder auftaucht. Für ihre Rolle in Polanskis Drama „Tess” (1979) gewann sie einen „Golden Globe”. Sie galt als die Schöne, die Verwegene.

Mittlerweile ist es eher ruhig geworden. Man sieht sie mal in einer Quizshow oder bei einer Preisverleihung. Beim Festival in Locarno wurde sie 2017 mit einem Ehrenpreis ausgezeichnet. In dem Jahr sollte sie eigentlich auch im RTL-„Dschungelcamp” mitmachen, aber dazu kam es dann doch nicht. Dafür war sie mal bei der Show „Let's Dance”.

Früher wurde sie gerne als „Lolita” inszeniert. Was manche über sie geschrieben haben, über ihre Attraktivität als Mädchen, will man heute ungern wiedergeben. Die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” fragte in einem Artikel 2013 nach der Verantwortung von Filmemachern, die Kinski immer wieder als verführerische Kindfrau inszeniert hätten. Ein Bild, das auch der „Tatort” von damals zeigt.

© dpa-infocom, dpa:210122-99-132026/3 (dpa)