Am 26. Oktober ist der 40. Asterix-Band „Die weiße Iris“ erschienen. So lustig ging es in Gallien schon lange nicht mehr zu. Unsere Kritik.
„Die weiße Iris“Warum Troubadix im neuen Asterix-Band ein verbotenes Lied der Ärzte singt

Der neue Asterix-Band „Die weiße Iris“ erscheint am 26. Oktober
Copyright: Egmont Ehapa Verlag/Asterix® – Obelix® – Idefix® / © 2023 Hachette Livre/ Goscinny – Uderzo
In „Streit um Asterix“ schickt ein tobender Julius Cäsar einen gewissen Tullius Destructivus ins Gallierdorf. Der missgünstige Mietshausverwalter – die Löwen, denen man ihn vorwerfen wollte, zerfleischten sich schließlich selbst – soll Uneinigkeit zwischen den Barbaren stiften. Das gelingt ihm nur allzu gut: Wo immer er hinkommt, färben sich Gesichter zornesrot, brüllen sich Streithähne in giftgrünen Sprechblasen an.
Der 1970 im französischen Original erschienene Band gilt als einer der besten der Serie. Mit „Die weiße Iris“, dem soeben in einer internationalen Auflage von fünf Millionen veröffentlichten 40. Asterix-Band, liefert der neue Szenarist Fabcaro, bürgerlich Fabrice Caro, gewissermaßen das achtsame Gegenstück zu „Streit um Asterix“. Erneut tobt Cäsar im Palast. Seine Legionen leiden unter Motivationsschwierigkeiten – Angriffsbefehle empfinden sie als „übergriffig“ – und die widerständigen Gallier verschlingen Unsummen.
Der Bösewicht im neuen Asterix-Band ist ein Achtsamkeits-Coach
Und erneut bietet sich ein ungewöhnlicher Zeitgenosse als rhetorische Geheimwaffe an. Nur, dass der Heeresarzt Tulius (diesmal nur ein „l“) Visusversus keine Zwietracht sät, sondern positives Denken nach der Lehre der „Weißen Iris“ predigt. Im Original verweist bereits der Name „Vicévertus“ auf die Lasterhaftigkeit dieser Tugend, für dessen Äußeres hat sich Zeichner Didier Conrad unter anderem bei Bernard-Henri Lévy, dem französischen Schauphilosophen mit stets weit geöffnetem Hemd, bedient.
Aber dem deutschen Publikum dürfte der Coaching-Sound des Römers auch so im Ohr klingeln: Ein wenig Paul Coelho, ein bisschen Management-Seminar, Ernährungsratgeber und Selbstoptimierungs-Sinnsprüche, die ostasiatische Weisheit vorgaukeln, schon liegt das bekannte gallische Dorf Visusversus zu Füßen: Den Fischhändler Verleihnix begrüßt Visusversus als „edlen Händler mit dem Seetangbukett“ und empfiehlt ihm „regionale Bezugsquellen“ für seine Ware, Gutemine, die Frau des Chefs, begrüßt er als „holde Freundin voll regen Überschwangs“, schon beginnt das Gift vorgeschützter Einfühlsamkeit zu wirken.

Szene aus „Die weiße Iris“
Copyright: Egmont Ehapa Verlag/Asterix® – Obelix® – Idefix® / © 2023 Hachette Livre/ Goscinny – Uderzo
Wenige Panele später erkennen Asterix und Obelix ihre Nachbarn nicht mehr wieder, die Gallier sind in Watte gepackt: Verleihnix bietet jetzt „Meditative Dufttherapie“ an und der Schmied Automatix verbreitet mit seinen Amboss-Schlägen „positive Schwingungen“. Selbst die Römer spinnen nun endgültig und begrüßen die Obelix'schen Prügeleinheiten als lehrreiche Erfahrung. Selbst dem von Asterix lancierten Konzert von Troubadix begegnen die Dorfbewohner mit positiv gestimmten Gleichmut: „Auch akustische Minderheiten dürfen sich äußern“ befindet einer, während der Barde „Claudius hat 'nen Schäferhund“ krächzt, Übersetzer Klaus Jöken zitiert doch tatsächlich das indizierte Ärzte-Lied.
Auch sonst gibt ihm Fabcaro jede Menge zu tun. Seit den seligen Tagen René Goscinnys war kein Asterix-Band mehr derart prall mit offensichtlichen Anspielungen — Gutemine nimmt den „Eilkarren Thalix“ nach Lutetia und der hat fährt sofort Verspätung „aufgrund von Wildschweinen auf der Strecke“ ein – und hintergründigem Witz gefüllt: „Galeerensklaven fordern splitterfreie Ruder“ liest man auf dem Plakat eines Demonstranten in der gallischen Hauptstadt. Jöken löst die Herausforderungen mit Bravour.
Auf der Straße nach Lutetia hat sich einer festgeleimt
Und wir Leser können uns darüber freuen, dass die Serie zu ihren satirischen Ursprüngen zurückgefunden hat. In seinen besten Momenten malte „Asterix“ ein Sittenbild der Gesellschaft und das ist hier endlich wieder gelungen: Die „Bobos“ von Lutetia, die sich ostentativ nach dem einfachen Landleben sehnen; der Stau auf den Einfahrtsstraßen der Stadt, weil sich da vorne einer festgeleimt hat, um gegen die Abholzung des Karnutenwalds zu demonstrieren; Obelix' Slapstick-Partie auf dem Tretroller; Majestix' Einschätzung einer gerechten Aufgabenverteilung in der antiken Ehe: „Sie hat geputzt und gekocht, während ich mit den Freunden geschmaust und gefeiert habe.“
Die undankbarere Aufgabe fällt wie immer Zeichner Didier Conrad: Er muss sich bei den Hauptpersonen darauf beschränken, Uderzos Strich zu imitieren, optisch ist das Asterix-Universum festgezurrt. Immerhin: Seine Frauenfiguren wirken lebhafter, sein Brutus entspricht im direkten Vergleich viel besser dem groben Dummschwätzer des Dialogs.
Streckenweise stottert in „Die weiße Iris“ auch der erzählerische Zug, die Piraten treten völlig willkürlich in Erscheinung und die obligatorischen Prügelorgien sind bloße Pflichterfüllung. Das, aber eben auch nur das, konnte Fabcaros Vorgänger Jean-Yves Ferri besser. Man nimmt diese kleinen Schwächen jedoch gerne für die größere Vision in Kauf.
Am Ende sind im Dorf die alten Verhältnisse wieder hergestellt, man ist so reizbar, dünnhäutig und knurrig wie zuvor. Und doch: Ausgerechnet der sturköpfige Asterix hat von Visusversus Selbstermächtigung gelernt. Als ihn der römische Imperator gnädig entlässt, antwortet ihm der unbeugsame Gallier: „Wir brauchen Deine Erlaubnis nicht, Julius!“

Das Titelbild von „Die weiße Iris“
Copyright: Egmont Ehapa Verlag/Asterix® – Obelix® – Idefix® / © 2023 Hachette Livre/ Goscinny – Uderzo
Der 40. Asterix-Band „Die weiße Iris“ von Fabcaro (Autor) und Didier Conrad (Zeichner) ist bei Egmont Ehapa erschienen, 48 Seiten, 13,50 Euro (gebunden), 7,99 Euro (Taschenbuch)