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Sänger von Judas PriestRob Halfords „Bibel“ überrascht zwischen Heavy Metal, Schwulenclubs und Gott

Lesezeit 5 Minuten
Rob Halford in Metal-Kluft hebt die Hand.

Rob Halford ist seit 1972 Leadsänger der Heavy-Metal-Pioniere Judas Priest. (Archivbild)

Der Sänger von Judas Priest, der sein Schwulsein lange geheim hielt, legt nach seiner Autobiografie jetzt eine „Bibel des Heavy Metal“ vor.

Mit der echten Bibel kann Rob Halford nicht viel anfangen. Der Sänger der Heavy-Metal-Ikone Judas Priest findet sie langweilig. „Aber mir gefällt die Idee eines Buches, in dem alles Wissen gesammelt ist, das ein Mensch im Laufe seines Lebens angesammelt hat, eine Art Leitfaden seines Weltwissens“, schreibt der 72-Jährige im Vorwort zu seinem zweiten Buch.

Rob Halford: Judas-Priest-Sänger legt „Die Bibel des Heavy Metal“ vor

„Die Bibel des Heavy Metal – Rob Halfords heilige Schriften“ ist jetzt auch auf Deutsch erschienen. „Ich nehme mir bei der Heiligen Bibel wirklich viele Freiheiten heraus“, gesteht Halford im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur schmunzelnd. „Ich bin sicher, Gott hat nichts dagegen.“

Der Sänger mit dem grauen Methusalem-Bart trägt eine Sonnenbrille. Er ist aus dem sonnigen Phoenix/Arizona via Zoom zugeschaltet, seinem zweiten Wohnsitz neben seiner englischen Heimatstadt Walsall bei Birmingham. In diesem Jahr hat er mit Judas Priest das 18. Studioalbum „Invincible Shield“ veröffentlicht. Die Gruppe gehört zu den dienstältesten Rockbands der Welt. Aktuell machen Judas Priest ein paar Wochen Pause von ihrer ausgedehnten Welt-Tournee. „Ich komme gerade aus Istanbul“, erzählt er bestens gelaunt. „Weißt du, wie sich Jetlag anfühlt?“

Robert Halford: „Metal-Gott“ plaudert aus dem Nähkästchen

Mit seiner schonungslos offenen Autobiografie „Ich bekenne“ („Confess“) hatte der von seinen Fans „Metal-Gott“ genannte Rockveteran 2020 für Furore gesorgt. Sein zweites literarisches Werk, wieder mit Co-Autor Ian Gittins verfasst, ist eine Sammlung von Anekdoten aus seiner langen Karriere auf fast 300 Seiten.

Rob Halford und Dolly Parton während der 37. Zeremonie der Rock and Roll Hall of Fame im Microsoft Theatre am 5. November 2022.

Rob Halford und Dolly Parton während der 37. Zeremonie der Rock and Roll Hall of Fame im Microsoft Theatre am 5. November 2022. (Archivbild)

Es geht um „die vielen Hürden auf dem Weg zum Erfolg in der Unterhaltungsbranche“. Die Kapitel handeln von den ersten Bands, von Lehr- und Wanderjahren, von Bandmitgliedern, Managern und Anwälten. Es geht um Songwriting, Riffs und Albumcover, Tourneen, Roadies und sogar Catering. Nach über 50 Jahren im Musikgeschäft hat Halford zu allem etwas zu erzählen.

„Da es keine Autobiografie ist, mussten wir nicht wirklich darüber nachdenken, was zum Beispiel 1982 passiert ist“, sagt er. „Es gab einfach verschiedene Referenzen. 1978 hast du hinten im Van geschlafen, 2022 bist du im Ritz Carlton.“ Halford lacht. „Das ist der Unterschied. Das ist der lustige Teil dieser Karriere.“

Heavy-Metal-Legende will mit alten Gerüchten aufräumen

Ganz nebenbei räumt Halford, der sich 1998 zu seiner Homosexualität bekannte, mit einigen hartnäckigen Gerüchten auf. So heißt es immer wieder, die Leder- und Nietenklamotten seiner Band seien „ein schwules Statement“, was laut Halford nur von heterosexuellen Vertretern des Rock'n'Roll kommen könne.

„Als ich mich geoutet habe, kamen die Leute und sagten: ‚Oh, wir wussten, dass er schwul ist, weil er sich so anzieht‘. Ach ja? Nur weil jemand Leder trägt, ist er automatisch schwul?“ Er lacht. „Das kommt wahrscheinlich von den Stereotypen der Leute, die die schwule Kultur nicht verstehen. Ich habe es früher gesagt und ich sage es jetzt: Als ich zum ersten Mal die Lederjacke angezogen habe, wusste ich: Das ist der Look, das ist die Identität.“

Hadern mit der eigenen Sexualität

In dem Judas-Priest-Song „Raw Deal“ auf dem 1977er-Album „Sin After Sin“ hingegen singt er über einen Besuch in einem New Yorker Schwulenclub. „Da geht es auch ein bisschen darum, dass ich mit meiner sexuellen Identität zu kämpfen hatte“, erzählt Halford. Weder Bandkollegen noch Fans oder Presse hätten damals mitbekommen, worum es in dem Song geht. „Ich weiß nicht, wie das passiert ist“, sagt der Sänger und betont, dass er keine Agenda gehabt habe. „Es war einfach ein Text, der sich so ergeben hat.“

Neben seiner lange geheim gehaltenen Homosexualität widmet er sich in seinem Buch auch anderen ernsten Themen. Er spricht über psychische Probleme und die Zeit, in der er mit Alkohol- und Drogensucht zu kämpfen hatte. Der 72-Jährige, der längst clean ist, versucht sich an Erklärungen und plädiert dafür, dass Rockstars endlich offen über ihre Sorgen sprechen.

Gitarrist Richie Faulkner und Sänger Rob Halford von Judas Priest bei einem Konzert 2019.

Gitarrist Richie Faulkner (l) und Sänger Rob Halford (r) von Judas Priest bei einem Konzert 2019. (Archivbild)

In seinem Buch klingt Rob Halford manchmal, als wolle er sich rechtfertigen. So erklärt er, warum er Autogrammjägern gegenüber zurückhaltend ist und in der Regel nur ein Autogramm pro Person gibt – weil einige die Autogramme online verkaufen – und lässt durchblicken, dass er es schätzt, wenn man ihn fragt, bevor man ein Selfie mit ihm macht, was anscheinend nicht immer der Fall ist. Und dann ist da noch die Sache mit der Gästeliste bei Konzerten.

Kultsänger mit Hang zur Selbstironie

Halfords „Bibel des Heavy Metal“, die bereits vor zwei Jahren unter dem Titel „Biblical“ in englischer Sprache erschienen ist, bietet vor allem unterhaltsamen und kurzweiligen Lesestoff für Judas-Priest- und Heavy-Metal-Fans. Halford, der auf Instagram regelmäßig mit witzigen Posts für Unterhaltung sorgt, beweist einmal mehr, dass er mehr ist als ein großartiger Rocksänger. Er ist ein Entertainer mit Witz und Selbstironie – und gilt zu Recht als Kultfigur seiner Zunft.

Der „Metal-Gott“, der sich selbst als spirituell bezeichnet, sieht übrigens Parallelen zwischen Religion und Musikleidenschaft. „So wie man sich zu einer Religion bekennt, bekennt man sich auch zu einer Band“, erklärt er. Allerdings gebe es einen entscheidenden Unterschied: „Wenn man an Religion glaubt, glaubt man an eine Idee, an einen Gedanken. Das ist fast abstrakt, weil es nicht in unserer Welt existiert, sondern quasi in einer anderen Dimension. Beim Heavy Metal ist das anders.“ (jag/dpa)