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Eigene Kompanie für Köln?Depots in Mülheim sollen Tanzzentrum werden – Freie Szene besorgt um Einbindung

Lesezeit 4 Minuten
Wie sieht die Zukunft der Tanzstadt Köln aus? Stefan Charles (v.l.n.r.), Vera Sander, Samuel Wuersten, Vera Battis-Reese, Moderatorin Christina-Maria Purkert (von hinten) und Michael Freundt diskutierten.

Wie sieht die Zukunft der Tanzstadt Köln aus? Stefan Charles (v.l.n.r.), Vera Sander, Samuel Wuersten, Vera Battis-Reese, Moderatorin Christina-Maria Purkert (von hinten) und Michael Freundt diskutierten.

Ein Bekenntnis zur Tanzstadt Köln: Die Depots sollen ein Tanzzentrum werden. Der Kulturrat ließ diskutieren, welche inhaltliche Form es annehmen könnte.

Ein Bekenntnis zum Tanz fordert die freie Szene darstellender Künste in Köln schon lange, die Stadt hat es immer wieder versprochen. Jetzt könnte es tatsächlich kommen: Kulturdezernent Stefan Charles hat angekündigt, eine Beschlussvorlage in die kommende Ratssitzung einzubringen, die den Tanz dauerhaft in Köln verankern soll. Die Vision ist, eine dritte Sparte mit fester Kompanie und eigener Intendanz neben Schauspiel und Oper zur Stärkung Kölns als Tanzstadt einzurichten.

Wie sie konkret aussehen könnte, ist noch offen. „Wir können über alles diskutieren, es gibt keine Grenzen“, sagte Charles zu Beginn einer Podiumsdiskussion des Kölner Kulturrats Dienstagabend zum Thema. Dabei stießen die Grundideen auf Konsens: Ein neues Tanzzentrum soll das Depot auf dem Carlswerk-Gelände in Mülheim werden, sobald das Schauspiel zurück an den Offenbachplatz gezogen ist. Und die freie Szene soll ebenso gestärkt werden wie eine institutionelle Struktur.

Auf dem Podium im Staatenhaus saß Samuel Wuersten, der jüngst das Danshuis Rotterdam initiierte. „Einen Ort im Blickfeld“, mitten in der Stadt wie sein Danshuis, sagte er, sei unbedingt nötig. Vera Battis-Rese Geschäftsführerin Kultur Ruhr, stimmte zu: „Ein verlässlicher Ort schafft noch einmal Produktivität.“ Das dürfte aber nicht zulasten derer passieren, die langfristig schon Tanz in Köln geschaffen haben.

Tanzzentrum mit Strahlkraft

Genau das ist die Sorge der freien Szene. Das Tanzzentrum müsse zwar Strahlkraft haben, aber kollaborativ arbeiten, betonte Vera Sander, Leiterin des Hochschul-Zentrums für zeitgenössischen Tanz in Köln: „Es gibt ja Player hier in der Stadt, die sich schon viel damit beschäftigt haben.“

18.04.2023
Köln:
Kulturgespräch des Kulturrats: Zukunft der Tanzstadt Köln.
Prof. Vera Sander
Zukunft der Depots in Mülheim als Tanzzentrum? Feste Tanzkompanie mit eigener Intendanz? 
Foto: Martina Goyert

Professorin Vera Sander bei der Podiumsdiskussion im Staatenhaus.

In der Tat, die Debatte wird eigentlich seit Ende der 1990er Jahre, als das Tanz-Forum wegbrach, geführt. „Wir haben ein Momentum, in dem es wirklich möglich ist, den Tanz wieder zu stärken“, so Charles. Doch wie passt diese vielfältige, sich in den vergangenen Jahrzehnten weitgehend selbst organisierte Szene in Köln in ein Depot, in dem obendrein noch Probebühnen für das Schauspiel - auch nach dessen Umzug - bereitstehen sollen?

Sander drängte Charles zu konkreten Zusagen, Wuersten erhöhte ebenfalls den Druck auf die Stadt, indem er vor dem Hintergrund seiner Erfahrungen aus Rotterdam empfahl, Rahmenbedingungen „in Stein zu meißeln“. Der Kulturdezernent antwortete, indem er den Zeitplan darlegte, unmittelbar nach dem Ratsbeschluss in Zusammenarbeit mit einer Kulturberatungsfirma das Konzept für die institutionelle Einrichtung auszuschreiben.  Für Unmut sorgte er mit seiner Ergänzung, die freie Szene „vielleicht schon mal mitzudenken“. 

Form der Intendanz und der Einbindung der freien Szene bleibt offen

Da stutzte auch Moderatorin Christina-Maria Purkert: „Ich halte das für essenziell, diesen Teil mit auszuschreiben“, mischte sich die Journalistin kurz in die Debatte ein, sprach aber nur das aus, was den anderen Teilnehmenden offensichtlich auf der Zunge gelegen hatte. Inwiefern an die vorhandene Kompetenz vor Ort angeknüpft wird, scheint noch lange nicht geklärt.

„Es braucht auch die Peripherie“, blieb Michael Freundt beim Bild des zentralen Tanz-Ortes mit Strahlkraft. Der Geschäftsführer des Dachverbands Tanz in Deutschland forderte, Ressourcen auf Augenhöhe mit der Oper und dem Schauspiel bereitzustellen, mit Budget-, Planungs- und Personalhoheit – mit Gleichberechtigung der freien und institutionelle Produktionsformen im Tanz.

Die Frage nach einer Intendanz spielte im Staatenhaus noch keine Rolle, vielmehr stand zur Diskussion, ob es überhaupt eine braucht. Wieso nicht neue Wege gehen? Auch als alleiniger Intendant werde ein guter Künstler das nicht alleine machen, sondern immer neue Impulse aufnehmen, nahm Sander dem aufkommenden weiteren Streitpunkt ein wenig Wind aus den Segeln. Vera Battis-Rese nannte die Forsythe Company in Dresden als Beispiel, mit der „der Transfer der eigenen Stadt in die Welt hinaus“ ohne traditionelle Struktur gelungen sei.

Zehn Jahre lang war Richard Siegal dort Associated Artist, bevor er das Ballet of Difference gründete, das seit 2019 in Köln beheimatet ist. Ein großer Player in der Kölner Peripherie. Aber wie das BoD in Köln fortgeführt werden kann – die Förderung läuft dieses Jahr aus – wurde nicht angesprochen.