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Eine besondere MagieKent Nagano dirigiert Missa Solemnis im Dom

Lesezeit 3 Minuten
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Kent Nagano dirigierte im Dom

Köln – Der rheinische Katholizismus hat sie beide geprägt, den Bonner Ludwig van Beethoven ebenso wie Karlheinz Stockhausen aus Kerpen-Mödrath. Beiden Komponisten waren freilich die Grenzen einer kirchlich-konfessionellen Spiritualität viel zu eng, was in ihrer Musik auch deutlich zum Ausdruck kommt.

Dennoch hatte Stockhausen seinen „Gesang der Jünglinge im Feuerofen“ (1955/56) ursprünglich für eine Präsentation im Kölner Dom konzipiert. Das war natürlich weniger ein Akt der frommen Devotion als der selbstbewussten Aneignung, was wohl auch das Generalvikariat so sah: Die Aufführung wurde verboten.

Stockhausens Werk hört man sein Alter an

65 Jahre später fand das bahnbrechende Werk der elektronischen Musik doch noch an den Ort seiner Bestimmung: Zum feierlichen Abschluss des Bonner Beethovenfestes 2021 wurde der „Gesang der Jünglinge“ in eine Aufführung von Beethovens „Missa Solemnis“ eingeschaltet, zwischen „Gloria“ und „Credo“. So hatte es Nike Wagner entschieden, deren siebenjährige Intendanz beim Beethovenfest mit diesem Konzert zu Ende ging.

Weit deutlicher als Stockhausens Instrumentalwerken der gleichen Zeit hört man dem „Gesang der Jünglinge“ sein Alter an - die verfremdete Knabenstimme, von gluckernden Tontrauben umgeben, wirkte zunächst auf eine halb rührende, halb lustige Weise altmodisch.

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Aber sobald die Vierkanal-Präsentation ihre Raumwirkung entfaltete, enthüllte sich auch die besondere Magie des Stückes, dessen Klangbewegungen den Hörer gleichsam in die lichtesten Höhen des Kirchenschiffs hob.

Wenige Vorzüge gegenüber einem modernen Konzertsaal

Geradewegs von dort wiederum schien das Violinsolo hinabzusteigen, mit dem das „Benedictus“ der „Missa Solemnis“ beginnt. Das sind Klangerfahrungen, die man „so“ natürlich nur im sakralen Raum machen kann. Damit enden aber auch bereits die Vorzüge, die der gotische Dom gegenüber einem modernen, akustisch differenziert austarierten Konzertsaal hat.

Bei allen Qualitäten der restlos ausverkauften Aufführung bleibt doch der Wermutstropfen, dass vieles von der peniblen Detailarbeit, der präzisen Einstudierung im nebulösen Klangbild zerrann.

Das betrifft vor allem die eindrucksvolle Leistung des Vokalensembles Kölner Dom, das (von Eberhard Metternich kundig betreut) nicht nur Anlaut-Konsonanten („Kyrie“) messerscharf setzte, sondern auch Vokalübergänge („eleison“) in mustergültiger Übereinstimmung formte. Die labilen rhythmischen Verästelungen des „Crucifixus“ waren so souverän bewältigt wie die rasenden Koloraturen der „Gloria“-Fuge.

Volumen des Chores wirkte im Raum begrenzt

Die Chorsoprane mussten nicht einmal der gnadenlos kehlverrenkenden Serie hoher „B’s“ am Ende des „Credo“ merklich Tribut zollen. Natürlich schränkte die Entscheidung für das „deutsche“ Latein mit seinen weitgehend geschlossenen Vokalen die Klangentfaltung der gut 60 Stimmen unvermeidlich ein.

Im Raum wirkte das Volumen des Chores schon deutlich begrenzt; besser - allerdings künstlich begradigt - ist die Balance im Fernseh-Mitschnitt, der bis zum 27. April 2022 in der arte-Mediathek abgerufen werden kann.

Bereits vor einiger Zeit haben Stardirigent Kent Nagano und Concerto Köln zueinander gefunden; die wechselseitige Vertrautheit war besonders bei den Vorspielen zum „Gratias“, „Qui tollis“ und „Sanctus“ zu spüren. Der Maestro gab den Bläsern viel Raum, um die intensiven, immer wieder neu gemischten Farben der historischen Instrumente zur Entfaltung zu bringen.

Die Solisten Valentina Farcas (Sopran), Rachel Frenkel (Alt), Werner Güra (Tenor) und Andreas Wolf (Bass) dagegen setzten eher auf einen dramatisch pulsierenden, vibratoreichen Opernton alter Schule – und das nicht nur im Kriegsgetümmel des „Agnus Dei“. Daran ist nichts zu tadeln, zumal das Quartett in sich sehr geschlossen und gut abgestimmt agierte. Offen blieb allerdings die Frage, wo die Aufführung nun stilistisch zu verorten war.