Elke Heidenreichs neues BuchEine nette Alte will sie nicht sein

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Die Schriftstellerin Elke Heidenreich sitzt im Raum Amadeus in der Wolkenburg in Köln. Sie trägt einen grauen Pullover und eine dunkelrote Jacke

Elke Heidenreich

Elke Heidenreich hat ein lesenswertes Buch über Altern geschrieben, das auf Platz 1 der Bestsellerliste steht. 

Das Leben lesen – so heißt eine neue Reihe, die bei Hanser Berlin erscheint und sich laut Verlag mit den „zehn wichtigsten Themen des Lebens“ beschäftigt. Schlafen, Streiten, Lieben, Arbeiten, Essen, Reisen, Wohnen, Spielen, Sprechen — und Altern.

Als der Verlag bei Elke Heidenreich, die auch Kolumnistin dieser Zeitung ist, anfragte, ob sie nicht diesen Band übernehmen wolle, winkte sie erst ab — und sagte dann doch zu. Mit 81 Jahren ist sie ja gewissermaßen Expertin auf dem Feld. Man kann es ihr allerdings nicht verübeln, dass sie zunächst keine Lust auf das Thema hatte. Altern wird in unserer Gesellschaft eben allzu oft mit Siechtum, Verlust und Tod gleichgesetzt.

Das Ergebnis ist der 111 Seiten lange Essay „Altern“ (Hanser Berlin, 20 Euro), der gerade auf Platz 1 der Bestsellerliste Sachbuch geklettert ist. Und das ist verständlich, denn Heidenreich gelingt es, dem vorherrschend einseitigen Blick aufs Altern etwas ungemein Befreiendes entgegenzusetzen: Gelassenheit und sehr viel Zuversicht.

Jungsein war schlimmer. Ins Jungsein bin ich ahnungslos reingerasselt, das Alter kam Schritt für Schritt
Elke Heidenreich

Ja, es sei schmerzhaft, von Menschen, die man liebt, Abschied nehmen zu müssen, aber trotz der Trauer über diese Verluste gilt auch da für sie: Gejammert wird nicht. Altern heißt für Heidenreich nämlich nicht, einfach nur noch nicht tot zu sein. „Es ist ein ganz normaler Teil des ganz normalen Lebens. Und gar nicht so schlecht. Jungsein war schlimmer. Ins Jungsein bin ich ahnungslos reingerasselt, das Alter kam Schritt für Schritt.“

Sehr persönlich erzählt sie von ihrer schwierigen Kindheit und Jugend und führt uns vor Augen, dass der Blick auf die Welt und das Leben durch die vielen Erfahrungen, die man im Laufe der Jahre macht, viel schärfer wird – trotz der nachlassenden Augen.

Ja, sie weiß, dass sie sehr privilegiert altern darf. Sie quälen keine finanziellen Sorgen und auch der Körper macht abgesehen von diversen Zipperlein noch ziemlich gut mit. Das ist längst nicht jedem vergönnt. Sie führt uns aber auch vor Augen, dass Altern nicht gleich Altern ist. Wer seine Neugier auf das Leben verliert, wer nur noch nichts tun will, der altert eben schneller: „Ich beneide niemanden ums Nichtstun.“

Sie macht deutlich, dass alte Menschen eben nicht alle gleich sind. Warum auch? Im Gegenteil, die vielen Lebensjahre haben sie so unterschiedlich geprägt, dass es ein Fehler wäre, sie alle in einen Topf zu werfen, bloß weil die Jahre ihrer Geburt nahe beieinander liegen.

Neben ihren klugen Gedanken liefert dieser Essay auch noch eine hervorragende Leseliste mit Werken unterschiedlichster Autor:innen zum Thema. Und dieses Gendern musste sein, denn darüber wird sie sich ärgern, mag sie es doch gar nicht. Eine nette Alte sei sie nicht. Sie schimpft nämlich immer noch ganz gerne über das vermeintlich Woke, Brave. Sie mag gelassener sein, aber altersmilde ist sie nicht.

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