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Elke Heidenreich feiert 80. Geburtstag„Ich habe mein Leben gelebt, alles, was ab jetzt passiert, ist ein Geschenk“

Lesezeit 5 Minuten
Elke Heidenreich sitzt auf einem Sofa im Raum Amadeus in der Wolkenburg in Köln.

Schriftstellerin und Kritikerin Elke Heidenreich wird 80 Jahre alt.

Literaturkritikerin und Autorin Elke Heidenreich wird 80 Jahre alt und blickt mit Dankbarkeit auf ihr Leben zurück.

Vor kurzem saß Elke Heidenreich im Zug nach München und las Nachrufe auf ihren Freund Jürgen Flimm. „Es hat mir so gutgetan, dass ihn alle so geliebt und gelobt haben, dass ich weinen musste. Ich bin ohnehin wegen des Zustands der Welt etwas zerbrechlich“, sagt sie im Gespräch mit dieser Zeitung. In diesem Moment kam der Kontrolleur und sprach sie auf die Tränen an. „Und ich antwortete: ‚Weil Ihre Züge immer Verspätung haben.‘ Dabei waren es nur fünf Minuten. Er war völlig fassungslos. Aber was hätte ich ihm sagen sollen?“

80 Jahre alt wird die Autorin, Literaturkritikerin und Moderatorin, die auch im „Kölner Stadt-Anzeiger“ in einer wöchentlichen Kolumne Bücher empfiehlt, an diesem Mittwoch. Alt zu werden, sei für sie kein Drama. „Das Schlimmste ist aber, dass mir so viele Freunde sterben. Diese Abschiede, dass so viele gehen, das tut richtig weh.“

Elke Heidenreich hatte eine schwierige, oft einsame Kindheit

Doch von diesem Schmerz abgesehen, erfüllt sie ihr Ehrentag mit durchweg positiven Gefühlen: „Ich blicke mit großer Dankbarkeit auf diesen Geburtstag. Dass ich es überhaupt so lange geschafft habe, dass ich noch gesund bin, dass ich in einem Land lebe, in dem kein Krieg herrscht. Ich schaue darauf zurück, was man alles überstanden hat an Krankheiten, Scheidungen, Kümmernissen und Niederlagen und auf das, was dagegen steht an Erfolgen, an Glück und Freundschaften. Das ist eine so tolle Balance.“

Ja, man verliere an Kraft im Alter, das sei nicht schön. „Aber Jungsein war auch nicht schön. Ich war mit 17, 18 immer unglücklich verliebt, ich war sehr krank mit meiner Lunge, ich musste mich so anstrengen, um zu studieren, weil ich arm war. Ich hatte eine Putzstelle, um mein Zimmer zu bezahlen. Ich war völlig überfordert.“

Ihre Kindheit in Essen war schwierig. Sie war ein Einzelkind, oft einsam. Die Eltern waren beide berufstätig, die Ehe lief schlecht, es gab viel Krach zu Hause. Antworten und einen Anker für ihr Leben fand sie in der Literatur. „Die Bücher haben mir eine Welt gezeigt, die es bei mir zu Hause nicht gab und die ich kennenlernen wollte. Das Lesen hat mein Leben verändert“, hat sie dieser Zeitung einmal gesagt. „Bücher haben mich gerettet.“

Die Liebe zur Literatur und der Wunsch, anderen Menschen diese Begeisterung zu vermitteln, wurden zum roten Faden ihres Lebens. Heidenreich studierte unter anderem Germanistik und arbeitet danach als Journalistin und Kritikerin. Die Kunstfigur der Else Stratmann machte sie bekannt. Die Metzgersgattin aus Wanne-Eickel mit ihrer unverblümten Art gefiel dem Publikum. Bis heute wird sie darauf angesprochen. Aber irgendwann wurde ihr die Rolle zu eng.

Heidenreichs Debüt „Kolonien der Liebe“ wurde ein Bestseller

Heidenreich moderierte im Fernsehen diverse Talk-Formate, darunter den „Kölner Treff“ im WDR. Doch es war die Literatur, ihre lebenslange Liebe, die auch beruflich in den Vordergrund drängte. 1992 erschien ihr literarisches Debüt, „Kolonien der Liebe“. Es wurde, ebenso wie die 1995 erschienenen Katzengeschichten „Nero Corleone“ ein Bestseller.

Bis heute veröffentlicht sie regelmäßig neue Erzählbände. „Mein größtes Glück ist es, dass es mir gelungen ist, als Autorin Fuß zu fassen. Jedes meiner Bücher ist ein Bestseller geworden. Ich bin nicht reich, aber völlig sorgenfrei. Dass die Bücher einen solchen Erfolg haben, macht mich wahnsinnig glücklich. Das ist das Schönste.“

Neben dem eigenen Schreiben fand Heidenreich ihre Erfüllung in der Literaturvermittlung. Ihre ZDF-Sendung „Lesen!“, die 2003 startete, machte die vorgestellten Romane regelmäßig zu Verkaufsschlagern. Doch 2008 endete alles mit einem großen Knall. Sie hatte in einem „FAZ“-Artikel Marcel Reich-Ranicki beigepflichtet, der den Ehrenpreis des Fernsehpreises wegen mangelnder Qualität des Programms abgelehnt hatte. Auch das ZDF attackierte Heidenreich scharf.

Der Sender warf sie raus. Für Heidenreich war das die größte berufliche Niederlage, an der sie lange zu kauen hatte. „Aber ich hätte das Tempo ohnehin nicht mehr lange durchgehalten. Ich war am Limit.“ Meinungsfreudig, sehr direkt und manchmal auch undiplomatisch, so war sie damals, so ist sie bis heute geblieben. „Ich bin keine Schauspielerin, ich kann mich nicht verstellen. Mein größter Erfolg ist, dass ich so authentisch bin.“ Dafür liebt sie ihr Publikum. Und für ihre Begeisterungsfähigkeit und überraschend uneitle Art, wenn sie über Literatur spricht.

„Ich habe beschlossen, mit 80 nochmal Mutter zu werden“
Elke Heidenreich bekommt bald einen neuen Hundewelpen

Seit 1987 lebt sie in Köln. Aber mit der Stadt, in die sie einst wegen der lebendigen Kulturszene kam, steht sie schon länger auf Kriegsfuß. Köln habe sich sehr zum Nachteil verändert, sei schlampig, dreckig, planlos. Die Kölnerinnen und Kölner mag sie dennoch. Und ist geblieben.

Nach einer großen Party steht ihr bei all den Krisen in der Welt nicht recht der Sinn. Sie wird mit ihrem Freund Marc-Aurel Floros, ihrer Freundin Leonie von Kleist und allen feiern, die vorbeikommen und mit ihr anstoßen wollen. Pläne für die Zukunft hat sie viele. Bei der Anfang März startenden lit.Cologne hat sie noch einmal die große Gala konzipiert. Und sie startet bald noch mal in ein kleines Abenteuer. „Ich habe beschlossen, mit 80 nochmal Mutter zu werden.“ Im März bekommt sie einen neuen Hundewelpen. Der Verlust ihres Mopses Vito hatte ihr sehr zugesetzt.

Und Lesen und Schreiben wird sie auch weiterhin. Doch ihr Verhältnis zur Literatur hat sich gewandelt: „Ich habe mein Leben gelebt, alles, was ab jetzt passiert, ist ein Geschenk. Literatur muss mich nicht mehr retten. Sie unterhält mich einfach. Deswegen lese ich auch selbst immer noch so gerne und empfehle so gerne Bücher. Ich will den Leuten sagen: Hört nie auf zu lesen! Es ist ein Glück.“