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Endzeitspektakel des Analog TheatersLetzter Ausweg Selbstauslöschung?

Lesezeit 3 Minuten
Eine mit Erde begrabene Person liegt nackt auf dem Boden

Das Ensemble des Analog Theaters bei der Performance von „Save the Planet – Kill Yourself“

Das Kölner Analog Theater spielt mit seinem neuen Stück eine radikale Antwort auf die Klimakrise durch: das Ende der Menschheit zur Rettung des Planeten.

Zum Tanz auf dem Vulkan bittet die Kölner Gruppe Analog Theater in ihrem Endzeitspektakel „Save the Planet – Kill Yourself“. Die „Kirche der Selbstauslöschung“, wie es in der programmatischen Unterzeile des Stückes heißt, hat ihre Zelte bei diesem Auswärtsspiel der Studiobühne Köln in der Außenspielstätte der Tanzfaktur im Technologiepark Müngersdorf aufgeschlagen. Ausgangspunkt der neuen Performance des Analog Theaters ist die Philosophie des Antinatalismus, die postuliert, dass die Menschheit sich nicht mehr fortpflanzen sollte. Eine naturgemäß provokante These, die an diesem Theaterabend als rauschhafte, raumgreifende Performance mit den Mitteln der Kunst zur Diskussion gestellt wird.

Raumgreifende Performance wie ein religiöses Ritual

Inszeniert ist der Abend unter der Regie von Daniel Schüßler wie ein religiöses Ritual, bei dem das Publikum Teil der Performance wird. Ein elektronischer Klangteppich und rhythmische Trommeln begleiten die Menge beim Einzug in den Saal. Von bunten Leinwänden mit collagenhaften Landschaftsszenarien richtet sich der Blick in die Mitte des Saales. Hier liegt ein nackter Mensch regungslos auf einem Autowrack. Im Inneren des Wagens trotzt eine kleine Discokugel der Tristesse, während von außen schon Pflanzen mit der Reconquista beginnen. Es ist ein Szenario fragiler Schönheit, das sich dem Auge hier bietet, eine Allegorie für die Ruhe vor dem Sturm.

Denn dass diese Schönheit trügt, ist längst traurige Gewissheit. Die Fakten des Klimawandels sind für jeden, der es wissen will, einsehbar. Was also machen, wenn die Wahrheit kaum auszuhalten ist? Vielleicht sich treiben lassen in diesem sinnlichen Abgesang auf das Anthropozän. Das Ensemble des Analog Theaters, diesmal begleitet vom achtköpfigen „Analog-Schuld-und-Sühne-Chor“ mischt sich unter die Kirchgänger oder formiert sich zu kleinen Prozessionen, stimmt Chorgesänge an und lauscht dann wieder den Worten der Schauspieler, deren Monologe ‒ mal larmoyant, mal kämpferisch ‒ den Charakter von Predigen annehmen.

Was machen, wenn die Wahrheit kaum auszuhalten ist?

Ständige Wechsel in der Tonalität halten das Publikum auf Trab und sorgen für spannende Perspektivwechsel. Wütender Rap-Gesang mit harten Elektro-Klängen folgt auf einen ruhigen Part mit kurzen Anekdoten, die unsere Alltagswahrnehmung infrage stellen. Selbstanklagen von Kirchenmitgliedern fehlen an diesem Abend ebenso wenig, wie eine radikale Form der Kommunion, bei der die Selbstopferung des Gabenspenders dramatische Formen annimmt.

Mit einem „Apokalypse Wow“-Effekt endet die theatral-philosophische Versuchsanordnung: ein Stern, der bislang über der Szenerie schwebte, senkt sich gegen Erde und in seinem Sog fügt sich die Zuschauerschar zu einem letzten, finalen Gruppenbild. Ist das nun als ein Akt der Katharsis zu verstehen oder als Akzeptanz der Kapitulation im Angesicht der Katastrophe? Die Messe ist am Ende gelesen, aber die Mission bleibt.


“Save the Planet – Kill Yourself”, Analog Theater, weitere Termine: 22. bis 26. Januar, in der Werkshalle Tanzfaktur, Siegburgerstraße 233w, 50679 Köln-Poll