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Entwaffnende EhrlichkeitZum Tod des Kölner Filmemachers Kai Maria Steinkühler

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Kai Maria Steinkühler (links) und Markus Mischkowski in ihrem Film „Weiße Ritter“. 

Köln – In kaum einer deutschen Stadt wird so viel gedreht wie in Köln. Doch nur ganz wenige Filmemacher haben hier mehr als eine Kulisse gefunden. Kai Maria Steinkühler gehörte zu diesen wenigen – auch wenn man im „Westend“-Zyklus, den er gemeinsam mit Markus Mischkowski als Autoren-, Regie- und Darstellergespann geschaffen hat, den Dom gerade mal am Bildrand ausmachen kann.

Die acht Episoden um die Langzeitarbeitslosen Alfred (den er selbst verkörperte) und Mike (Mischkowski) überhöhten das Lokale zum Universellen – und wurden gerade deshalb in ganz Deutschland gefeiert. Erst bei Kurzfilmfestivals und dann mit den Langfilmen „Westend“ (2001) und „Weiße Ritter“ (2015) auch im regulären Kinobetrieb. Auf 16mm-Schwarzweißfilm gedreht, verschmolzen in den frühen Filmen Form und Sujet zu einer untrennbaren Einheit.

Tragikomischer Unternehmergeist zweier Chancenloser

Der frische Teer des neuen Industriegebiets im Kölner Westen war die Bühne für den tragikomischen Unternehmergeist zweier Chancenloser. Zu einer Zeit als Kapitalismuskritik noch kaum ein Thema war und der „Neue Markt“ sich gerade erst anschickte, arglose Bürger in ruchlose Aktionären zu verwandeln, traten hier zwei tragische Träumer auf.

Und jeder hat sie verstanden – auch wenn die Gesellschaft ihre Warnungen in den Wind schlug. Stattdessen inspirierte die fortschreitende soziale Ungleichheit immer weitere „Westend“-Filme. Eine erste DVD-Edition, die 2006 in der renommierten Reihe des Münchner Filmmuseums erschien und vom Goethe-Institut gefördert wurde, machte Mike und Alfred weltweit bei Liebhabern des unabhängigen Kinos zum Begriff.

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Kai Maria Steinkühler wusste, wovon er erzählte. So lässig er das Außenseitertum auch in seinen Filmen ironisierte, gehörte er doch selbst wahrlich nicht zu den Begünstigten des Kulturbetriebs. Nach einigen Jahren freier Theaterarbeit (unter anderem bei einem der frühen Projekte von Karin Beier) eroberte er sich den Film aus ganz und gar eigener Kraft.

Die ersten Kurzfilme entstanden mit den etwa 5000 Mark plus Geräte-Leihgaben, die das Kölner Filmhaus auch Autodidakten bereitstellte, wenn sie gute Ideen mitbrachten.Steinkühler war über viele Jahre Mitglied im Kölner Filmclub 813 und gehörte zur „Kölner Gruppe“, dieser vor allem außerhalb der Domstadt berühmten freien Filmszene.

Er brillierte als singender Pornoproduzent

Als Darsteller auf der Leinwand hatte er immer eine besondere Präsenz, die dem Unscheinbaren eine faszinierende Größe verleihen konnte. Seine kräftige Statur konterkarierte dabei mit einem Gespür für menschliche Zerbrechlichkeit.

Unter der Regie von Piet Fuchs und Bernhard Marsch brillierte er als singender Pornoproduzent im Kurz-Musical „Liebe ist Geschmacksache“. Auch dieses Frühwerk von 1997 hat sich seinen besonderen Charme bewahrt. Es ist selten genug im deutschen Film, dass soziale Themen auf Augenhöhe behandelt werden und der Humor dabei nichts zur Karikatur verbiegt.

Kai Maria Steinkühler war stets auf Augenhöhe mit seinen Figuren, wie seine Filme war er von entwaffnender Ehrlichkeit. Am 11. Januar wurde er nur 53-jährig tot in einer Kölner Gaststätte aufgefunden, wo er neben seiner künstlerischen Arbeit tätig war.