Am 9. August ist Kasper König gestorben. Einige persönliche Erinnerungen an den Direktor des Kölner Museums Ludwig.
Erinnerungen an Kasper KönigKunst ist nichts Wahres ohne die Aussicht auf Bares
In den zwölf Jahren, in denen Kasper König Direktor des Museums Ludwig war, gab es rund 140 Ausstellungen. Darunter waren sagenhaft erfolgreiche (Edward Hopper, Gerhard Richter), viele aufregende und einige, mit denen König in Deutschland und Europa weitgehend unerforschte Kontinente nach Köln brachte. So holte er Comickünstler wie Robert Crumb und Art Spiegelman ins Museum, zeigte mit „Das achte Feld“ eine große Ausstellung über die „heimliche“ Geschichte der queeren Kunst seit 1960 und übte sich für „Remembering Forward“ über die Malerei der australischen Aborigines erfolgreich in hoher Diplomatie. Für die war er ansonsten weniger bekannt. Sein schnoddriger Tonfall kam in Köln nicht bei allen gleich gut an, und als er für die „Achte Feld“-Ausstellung mit Wolfgang Tillmanns explizitem Blick unter einen Schottenrock werben wollte, musste er sich sogar zensieren lassen. Als er 2012 dann feierlich verabschiedet wurde, hatten ihn längst alle lieb gewonnen. Das war der Preis des Erfolgs, und Kasper König, der wohl lieber ein Störenfried geblieben wäre, zahlte ihn mit schallendem Gelächter.
Geschlagene Schlachten
Seine Berufung ans Museum Ludwig verdankte Kasper König nicht zuletzt der „Westkunst“-Ausstellung 1981 in den Kölner Messehallen. Die Mammutschau über die angenommene Kontinuität zwischen den Avantgarden vor und nach dem Zweiten Weltkrieg war umstritten, hievte König aber an die Spitze der europäischen Kuratoren. Beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ sei die Schau damals überhaupt nicht gut angekommen, erzählte mir König, als ich ihn 2012 in seinem Büro besuchte, die Kritikerin habe die linksrheinischen Leser sogar vor dem Überqueren der Hohenzollernbrücke gewarnt. Offenbar nahm er es der Dame aber nicht krumm, sondern dachte freudig an diese geschlagene und gewonnene Schlacht zurück. Auf dem Heimweg fragte ich mich, was mir König damit sagen wollte? Sollte ich jetzt gefälligst alles schlecht finden, was er machte? Gerne hätte ich ihm diesen Gefallen getan. Aber die Ausstellung zu Claes Oldenburg war dann doch zu gut. (KoM)
Köln ist keine doofe Stadt
Herbst 2007, Karin Beier eröffnet ihre Kölner Intendanz mit einer Inszenierung von Hebbels „Die Nibelungen“. Das Werbeplakat zitiert ein bekanntes Bild aus dem Abu-Ghuraib-Folterskandal. Kulturdezernent Georg Quander ist das zu krass, er verbietet das Plakat. Das wiederum will sich die streitlustige Schauspiel-Chefin nicht bieten lassen und lädt zur öffentlichen Diskussion. Auf dem Podium sitzt auch Kasper König und greift, vom Rotwein befeuert, Quander an. „In dieser beschissenen, verkackten Stadt will niemand für die Kultur einstehen“, poltert König, dann wendet er sich direkt an seinen städtischen Vorgesetzten: „Unglaublich, dass die Zensur sich als Bewahrer der Kunst aufspielt.“ Köln habe es nicht verdient, so kleingeistig verwaltet zu werden. Als Quander antwortet, dass sich in Berlin wohl niemand über das Plakat aufgeregt hätte, in Köln der Horizont aber nun mal kleiner sei, fährt der Museumsdirektor aus der Haut: „Unverschämtheit, Sie Apparatschik! Ich bin empört von ihrer Arroganz, wir wären hier eine kleine, doofe Stadt.“ Am nächsten Tag klingelt in der Redaktion das Telefon. „Sie waren doch gestern bei der Diskussion?“, fragt König. Ich bejahe seufzend, ahnend, dass jetzt die Bitte folgt, das in der Hitze des Augenblicks Gesagte doch etwas abzumildern. Weit gefehlt. „Schreiben Sie das alles genau so!“, befiehlt König und knallt den Hörer auf. (cbo)
Schmuddelecken dringend gesucht
Entweder es regnet oder die Glocken läuten, sagt der Volksmund über Münster. Der Regen steht für die üppigen Ernten im Münsterland, die Glocken für die lange katholische Tradition des Bischofssitzes. Reich und gesegnet war die Stadt eigentlich immer, weshalb Kasper König findet, „die laufen hier alle in Watte“. Daran haben offenbar auch Königs Skulptur Projekte nichts geändert, ein riesiges Freiluft-Festival, das die Stadt seit 1977 alle zehn Jahre in Aufregung versetzt. Für die erste Ausgabe lud König ein paar New Yorker Kumpels ein und trieb die Einheimischen mit Arbeiten von Richard Serra, Donald Judd oder Claes Oldenburg beinahe zur Weißglut. Das waren die guten alten Zeiten. Jetzt, im Mai 2017, können die Münsteraner Bürger die nächste Eröffnung „ihrer“ Skulptur Projekte gar nicht erwarten, und König sorgt sich, dass er den Kampf gegen die Wattewirklichkeit verloren hat. Es gebe in dieser Stadt nicht mal richtige Schmuddelecken für die junge, aufwiegelnde Kunst, klagt er. Aber in dieser Hinsicht haben ihn zwölf Jahre Köln vielleicht auch nur über die Maße verwöhnt. (KoM)