AboAbonnieren

Große Klappe, viel dahinterNachruf auf Kasper König, einen Museumsmann von Weltrang

Lesezeit 5 Minuten
Schenkung Kasper König, Kasper König, 10.11.2023, Bild: Herbert Bucco

Kasper König am 10.11.2023 im Kölner Museum Ludwig

Zwölf Jahre leitete Kasper König das Kölner Museum Ludwig und machte es zu einer Weltmarke. Jetzt ist der Kurator nach schwerer Krankheit gestorben.

Was schenkt man einem Reisenden, den viele am liebsten zum Weltkulturerbe erklären würden? Mit Kunst konnte man ihm nicht kommen und ein Buch, das hatte er schon - sogar ein frisch gedrucktes, das seine zwölfjährige Tätigkeit am Kölner Museum Ludwig zusammenfasste und überschwänglich lobte. Schließlich zog Kölns damaliger Kulturdezernent Georg Quander zwei Hosenträger aus der Tasche, weil Kasper König gern welche trug. Dieses Paar sollte ihn an die tragende Rolle erinnern, die er während seiner Amtszeit spielte.

Großartig gelaunt und sichtlich gerührt ließ Kasper König damals, im Oktober 2012, sein Abschiedsfest über sich entgehen – und war doch wohl nicht unglücklich darüber, seinem Museum und der „liederlichen alten Stadt“ drumherum den Rücken kehren zu können. Im Grunde war der weitgereiste und weltgewandte Freigeist als Museumsdirektor eine grandiose Fehlbesetzung: „Ich weiß auch nicht, warum die Stadt mit mir den Bock zum Gärtner gemacht hat“, sagte er selbst, als er im November 2012 dann tatsächlich seinen Chefsessel im Museum Ludwig räumte. Ein wenig kokett klang das schon, denn natürlich hatte sich Köln mit ihm einen Kurator auf Weltniveau geholt.

Allerdings entsprach König nicht gerade dem bildungsbürgerlichen Idealtyp eines Museumsdirektors. Er hatte sein Fach weder brav zu Ende studiert, noch überhaupt das Abitur gemacht. Stattdessen absolvierte er in Essen eine Ausbildung beim Galeristen Rudolf Zwirner und füllte das erste seiner legendären Adressbücher, indem er als Hilfskraft der Documenta die Angaben auf den Leihscheinen abschrieb; er floh zwischenzeitlich nach London, um dem Wehrdienst zu entgehen, verdingte sich als Schiffskoch auf einem Frachter nach New York und knüpfte in Übersee schließlich die Kontakte, die ihn durch seine Karriere tragen sollten.

An der Städelschule ereilte Kasper König der Kölner Schicksalsruf

Über sein Erfolgsgeheimnis gibt es verschiedene Theorien. Für Gerhard Richter war König „einfach immer da“, wenn etwas Neues und Aufregendes passierte. Michael Werner sah in ihm einen jener Hasardeure, die in der akademischen Museumswelt eine „Spezialperformance liefern“ mussten, um von den etablierten Leuten überhaupt wahrgenommen zu werden. Das habe er, so Werner, wiederum mit der jungen Künstlergeneration gemein gehabt.

Zu Königs Spezialperformance gehörten die umstrittene „Weltkunst“-Ausstellung in den Kölner Messehallen und die Skulptur Projekte in Münster, die zum anfänglichen Schrecken vieler Bürger moderne Kunst über den gesamten Stadtraum verteilte. Sie trug ihm zunächst einen Posten an der Staatlichen Kunsthochschule in Frankfurt ein, deren Rektor er bald darauf werden sollte. An der Städelschule ereilte ihn dann der Kölner Schicksalsruf – aus dem westfälischen Schulabbrecher wurde der Gärtner der modernen, aber immer noch irgendwie schönen Künste.

Als König im November 2000 ans Museum Ludwig kam, fand er eine Sammlung vor, die vor allem durch die Interessen der Namensgeber geprägt war: Pop Art, Russische Avantgarde, Pablo Picasso. Diesen Kanon wollte er durch eine „intelligente Außenseitersammlung“ ergänzen und fand dafür zahlreiche Unterstützer, was nach seinem Eindruck damals auch dringend nötig war: „Das Museum ähnelte schon ein wenig einem Kaufhaus, in dem die Regale voll und die Gänge leer sind“, sagte König.

Dieses Sich-selber-auf-die-Schulter-Klopfen in der Stadt hat schon etwas Gemeingefährliches
Kasper König

Am Anfang seiner Kölner Amtszeit tat König etwas auf entwaffnende Weise verwegenes: Er hielt der Stadt und ihren Bürgern eine Wunschliste in Form einer Ausstellung unter die Nase, mit lauter Werken, für die er Sponsoren suchte. Das funktionierte erstaunlich gut, und auch die Museumsgänge füllten sich zusehends, vor allem mit der Edward-Hopper-Ausstellung. 360.000 Besucher kamen 2004/05 nach Köln, ein Rekord mutmaßlich für die Ewigkeit.

Als oberster Sammler des Ludwigs stand König für eine Kunst, die sich zum intellektuellen Sammelsurium bekennt, manchmal auch zum schrägen Ideenverhau und zum Chaos, in das allein eine konsequent subjektive Weltsicht die tröstliche Illusion von Ordnung bringt. Allzu Weihevolles war ihm ein Graus, weshalb man seine Ausstellungen fast immer mit dem Gefühl heiterer Ergriffenheit verließ. Königs bevorzugte Chaosbändiger waren die Sammler unter den Künstlern, etwa Matt Mullican und natürlich Hans-Peter Feldmann, der auch zu einem weiteren Schwerpunkt in Königs Ludwig-Sammlung passte: die konzeptionelle Kunst. Sie hatte für König den Vorteil, dass sie nie modisch und somit für den musealen Geldbeutel unerschwinglich wurde und als künstlerische Grundlagenforschung zugleich immer aktuell blieb.

Als Höhepunkt seiner Kölner Amtszeit empfand König die beiden großen Schenkungen von Irene Ludwig, die zweite Schenkung war Teil ihres Testaments. „Anderthalb Seiten mit der Hand geschrieben. Das war ein unglaubliches Bekenntnis zum Haus, das hat mich echt umgehauen.“ So kam noch mal viel Picasso in die Sammlung, zu viel vielleicht für die Selbstbesoffenheit der Kölner. „Dieses Sich-selber-auf-die-Schulter-Klopfen in der Stadt hat schon etwas Gemeingefährliches“, befand König, bevor er sich ins sichere Berlin absetzte. Ganz schuldlos am anhaltenden Glück der Kölner Kunstwelt war er freilich nicht – er hob sie auf sein Weltniveau.

In seiner Post-Kölner-Phase kuratierte Kasper König noch einmal eine Ausgabe der Skulptur Projekte, und im Essener Museum Folkwang zeigte er eine fantastische Ausstellung zu den „vergessenen Meistern“ der sogenannten Außenseiterkunst. Er gab einen Kalender seiner legendären Postkarten heraus und wirkte an mehreren Erinnerungsbänden mit. Seine Autobiografie konnte er, als er bereits erkrankt war, noch fertigstellen; sie soll demnächst erscheinen.

Im vergangenen November hatte König „seinem“ Museum Ludwig einen prominenten Teil seiner privaten Sammlung geschenkt, im kommenden Herbst wollte er die verbliebenen Werke beim Kölner Auktionshaus Van Ham versteigern lassen. Eigentlich sollte die Verkaufsausstellung seine letzte kuratorische Arbeit werden. Doch dazu kommt es jetzt nicht mehr. Am Freitag ist Kasper König nach schwerer Krankheit im Alter von 80 Jahren gestorben.