Bestseller-Autor Ewald Arenz stellt in Köln seinen neuen Roman „Zwei Leben“ vor. Wir verlosen Tickets und Bücher.
Ewald Arenz' neuer RomanDieser Hunger nach Leben
Roberta liebt Kleidung, sie interessiert sich für Mode, Stoffe, Schnitte. Ihr größter Schatz ist eine alte Ausgabe der „Vogue“, doch die eleganten französischen Frauen, die ihr darin präsentiert werden, könnten auch von einem anderen Planeten stammen, so weit sind sie von ihrer Lebensrealität entfernt. In dem kleinen Dorf Salach in Süddeutschland, in dem sie aufgewachsen ist und in das sie nach einer eher enttäuschenden Schneiderlehre wieder zurückkehrt, stößt sie mit ihren Interessen zu Beginn der 1970er Jahre auf wenig Verständnis. Einen einzigen Anzug besitzt der Vater, den holt er zu Hochzeiten ebenso wie zu Beerdigungen aus dem Schrank. Ansonsten wird auf dem Bauernhof der Eltern getragen, was praktisch ist und bei der Arbeit nicht behindert.
Roberta, die nach dem Wunsch der Eltern ein Junge werden sollte, ist das einzige Kind der Familie Strasser. Dass sie einmal den Hof übernehmen wird, steht außer Frage. „So. Bist du auch wieder da?“ ist alles, was die junge Frau zur Begrüßung hört. Ansonsten drehen sich die Gespräche darum, welche Arbeit als nächste zu verrichten ist. In dieser Welt ist kein Raum für Träume von einem anderen Leben jenseits der vertrauten Welt des Dorfes. Über Sehnsüchte, Wünsche und Gefühle spricht man nicht. Und die Aufbruchsstimmung, die die 68er in den Hörsälen und Städten verbreiten, hat den Weg in die dörfliche Lebensrealität offensichtlich nicht gefunden.
Ewald Arenz erzählt von zwei unterschiedlichen Frauen
Es ist genau diese Enge, die es auch Gertrud, der zweiten Protagonistin, noch nach 20 Jahren in Salach unmöglich macht, sich heimisch zu fühlen. Fünf Jahre würden sie bleiben, so hatten sie und ihr Mann, der Pfarrer des Ortes, es abgemacht. Aber dann blieben sie doch länger. Und ebenso blieb Gertruds Sehnsucht danach, aus diesem Kaff wieder herauszukommen. Gertrud, die in Hamburg aufwuchs, liebt ebenso wie Roberta schöne Kleider, sie will die Welt erkunden, große Städte durchstreifen, in Museen gehen und in Cafés sitzen. Die wortkargen Menschen des Dorfes, die nicht einmal wissen, wie sie heißt und sie nur mit „Frau Pfarrer“ ansprechen, sind ihr fremd geblieben. „Sie wusste wieder, warum sie nicht mehr in Salach leben konnte. Weil es dort war, als säße man im dritten Rang im Theater und könnte alles Leben nur durch ein Opernglas betrachten; weit entfernt und niemals echt genug.“ Aber Gertruds Sohn Wilhelm ist in diesem Dorf aufgewachsen, er fühlt sich ihm verbunden, auch wenn sie hofft, dass er es bald für ein Studium verlassen wird.
Von zwei sehr unterschiedlichen Frauen, die doch viel gemeinsam haben, erzählt Ewald Arenz in seinem gerade erschienenen Roman „Zwei Leben“ (DuMont, 360 Seiten, 25 Euro), der direkt auf den vorderen Plätzen der Spiegel-Bestsellerliste eingestiegen ist. Arenz lebte als Kind in dem fränkischen Dorf Burgsalach und seine genauen Kenntnisse über dörfliche Strukturen und das Leben in und mit der Natur prägen den Stil seines Erzählens. Er lässt sich Zeit für genaue Beobachtungen von Tieren, Feldern, Bäumen und der harten, körperlichen Arbeit der Bauern, die ihr Leben vollständig danach ausrichten, was ihnen die Jahreszeiten an Aufgaben vorgeben.
Eine Liebe, die sich verstecken muss
Steinig und karg ist die Erde, die sie bearbeiten. „Wahrscheinlich wird man hart, wenn man aus so einer Erde wuchs“, denkt Gertrud als bei einer Beerdigung Erde auf den Sarg geworfen wird. Vielleicht ist das so. Aber auch in einem solchen Dorf gibt es Ausnahmen. Eine solche ist Wilhelm. Gertruds Sohn ist ein Träumer, einer, der das Leben in Salach liebt und dennoch den Blick für die Welt jenseits seiner Grenzen nicht verloren hat.
Es ist sicher kein Zufall, dass sich Roberta ausgerechnet in ihn verliebt. Der Pfarrerssohn, der den Wehrdienst verweigert hat und studieren will, ist anders als die anderen jungen Männer im Dorf. Er sieht und versteht Robertas Zerrissenheit, denn das Dorf mit all seinen vertrauten Gerüchen und Tätigkeiten hat ihr während ihrer Lehre schon sehr gefehlt. Und sie fühlt sich den Eltern gegenüber in der Verantwortung. Wenn das einzige Kind den Hof nicht übernehmen will, wie soll es dann weitergehen? Aber in ihr lauert eben auch noch ein anderes Gefühl: „Wie seltsam, dachte sie. Ich will gerade nirgendwo anders sein als hier mit ihm. Und gleichzeitig war es, als ob in dem leichten Herbstwind Töne wären; unhörbar für alle anderen. Sehnsüchtige Töne, die sie forttragen wollten. In die stillen Straßen einer großen Stadt vielleicht, wo sie mit ihm sein konnte, ohne all die Schwere.“
Roberta und Wilhelm sprechen es nicht aus, aber sie spüren, dass ihre Liebe auf wenig Begeisterung bei ihren Eltern stoßen würde. Ein vergeistigter Pfarrerssohn ist eben kein zukünftiger Bauer. Und die Hoferbin wird wohl kaum mit ihrem Partner in die Stadt ziehen, damit er studieren kann. Einzig ihrem Großvater kann sich Roberta anvertrauen. Er berichtet ihr von seinen Jahren der Kriegsgefangenschaft in den USA, die für ihn, anders als alle es vermutet haben, die beste Zeit seines Lebens waren. Doch auch ihn führte das Verantwortungsbewusstsein nach seiner Freilassung wieder zurück in die Heimat.
Ewald Arenz lässt sich zu Beginn sehr viel Zeit mit dem Erzählen, ausführlich und kenntnisreich schildert er Arbeitsabläufe und Naturphänomene. Ungefähr nach zwei Dritteln des Romans überschlagen sich die dramatischen Ereignisse. Es ist ein Aufbau, den man auch aus anderen Bestsellern des Gymnasiallehrers wie etwa „Die Liebe an miesen Tagen“ kennt. Mit einem Mal ist alles anders und sowohl Roberta als auch Gertrud müssen feststellen, dass sie das Leben auf brutale Weise zu Entscheidungen zwingt, die sie andernfalls vielleicht nie getroffen hätten.