Das Collegium Vocale Gent spielte unter Altmeister Philippe Herreweghe Madrigalmusik aus der Zeit um 1600.
Felix-Festival in KölnIn der Himmelfahrtskirche gingen Herz und Sinne auf
Das diesjährige Kölner Felix-Festival legt seinen Schwerpunkt auf Belgien und die Niederlande – was sich an der Herkunft vieler Künstler genauso zeigt wie an Teilen des Programms. Beim Auftritt des Collegium Vocale Gent unter Altmeister Philippe Herreweghe in der Himmelfahrtskirche stimmte in diesem Sinne auf jeden Fall die Herkunft. Und das Programm? Das war durchweg italienisch, da erklang kostbare Madrigalmusik aus der Zeit um 1600, der Periode des Umbruchs – von der alten Vokalpolyphonie zur generalbassbegleiteten Monodie.
Allerdings waren gerade im 16. Jahrhundert zahlreiche Musiker aus dem franko-flämischen Raum nach Italien geströmt und hatten dort stilbildend gewirkt – Italien und Flandern rückten da, wenngleich geografisch voneinander getrennt, künstlerisch ziemlich nahe zusammen.
Hirten- und Schäferliebe im paradiesischen Traumland Arkadien
Ein thematisches Zentrum hatte das schöne Programm mit solistisch besetzten Vokalsätzen teils wenig bekannter Komponisten wie Salamone Rossi und Luca Marenzio – klar, Monteverdi durfte nicht fehlen – gleichfalls: Es ging um die Hirten- und Schäferliebe im paradiesischen Traumland Arkadien, dessen Feier in der italienischen Renaissance einen neuen Höhepunkt erlebte. Heiter und lustig ist das nicht durchweg – die Sektion „Death“ brachte nahe, dass auch im Paradies der Tod begegnet. Man kennt das aus der Malerei der Zeit, wo der Sinnspruch „Et in Arcadia ego“ vorzugsweise auf Grabsteinen erscheint.
Ein schönes Programm – und eine schöne Aufführung. Bei Herreweghe und den Seinen ist das kaum anders zu erwarten, aber wenn man es wieder einmal erlebt, wie die Stimmen den Raum der akustisch nicht ganz unproblematischen barocken Jesuitenkirche mit ihrem Glanz und Jubel füllen, dann gehen dem Hörer auf den harten Bänken ganz spontan Herz und Sinne auf.
Da war nicht nur eine überragende Stimmkultur am Werk, für die hier stellvertretend die Sopranistin Miriam Allan und der Bass Jimmy Holliday genannt seien. Reine vokale Schönheit kann im schlechtesten Fall auch leblos sein. Aber hier war alles in Bewegung: Stets aufs Neue justierten sich die Verhältnisse zwischen den in wechselnden Besetzungen auftretenden Vokalisten, jeder Einsatz wurde zum Ereignis, intensiv in den dynamischen Abstufungen und stets mit intensiver Textanbindung entfalteten sich die expressiven Valeurs zwischen Freude und Trauer, Lust und Melancholie, Überschwang und Besinnlichkeit. Die Dissonanzbehandlung, das Gespür für Spannung und Lösung war exzellent, aber an keiner Stelle wurde die Stilangemessenheit vernachlässigt, setzte der seraphische Wohlklang aus.
Mit so kurzen wie klangprächtig intonierten „Balletten“ und „Sinfonien“ erfreuten auch die Instrumentalisten der Formation – immerhin befinden wir uns in der Frühzeit der reinen Instrumentalmusik. Vom Dirigenten bekam man – zumindest wenn man weiter hinten saß – wenig zu sehen, er hing vorne dicht über seinen Noten. Klar, so oder so muss Herreweghe die Seinen nicht lange bitten – aber die Herstellung dieses unverwechselbaren Sounds ist ohne seinen gestalterischen Input überhaupt nicht vorstellbar.