AboAbonnieren

Festspiele BayreuthWie man mit „Tristan" auf Sicherheit spielt und triumphiert

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (2)

Stephen Gould als Tristan

Bayreuth – Natürlich ist das Virus auch in Bayreuth immer noch mit von der Partie. Zum Glück nicht gleich so, dass es die gesamten Festspiele kippte oder auf einen Rest schrumpfte, wie in den beiden vorigen Jahren. Mit Blick auf die mit der Pandemie verbundenen Planungs-Unwägbarkeiten, hatte Katharina Wagner vor den nachgeholten Premieren-Vierer mit dem neuen Nibelungenring zusätzlich einen neuen Tristan ins Programm genommen. Chorarm, wie der ist, sind da keine massenhaften Ausfälle zu befürchten beziehungsweise könnte man hier den kurzen Chorauftritt auch zuspielen. Ein kurzentschlossener Tristan also zur Sicherheit.

Dirigent Markus Poschner hatte zwei Proben bis zur Premiere

Vergleichsweise kurzfristig übernahmen Roland Schwab (Regie) und Cornelius Meister (Dirigent) den Auftrag. Als die Hiobsbotschaft kam, dass Ringdirigent Pietari Inkinen erkrankt ausfällt, wechselte Cornelius Meister zum Ring. Für Tristan holte man Markus Poschner ins Boot. Gerade mal zwei Proben mit dem Orchester blieben ihm bis zur Premiere. Poschner wurde denn auch für seine mutige Flexibilität, vor allem aber für das Resultat bejubelt. Es war kein narkotisierender Verführungsversuch à la Thielemann. Hier loderten die Leidenschaften eher diesseitig, beherzt, doch schon aus einem Guss und vor allem aber gut abgestimmt mit den Sängern.

Catherine Foster lässt ihre Stimme in voller Pracht von der Leine und macht besonders aus dem ersten Aufzug ein Isolde-Erlebnis mit Wow-Effekt. Auch der tristanerfahrene Stephen Gould wirkte frei, lieferte einen Tristan ganz bei sich und seinen immer noch beträchtlichen Fähigkeiten. Auch als Tristan im Sterben lag, hatte man keine Sorge, dass dieser Sänger die Zielgerade nicht erreicht. Dazu die fabelhafte Brangäne Ekaterina Gubanova und der prägnante und (durchweg) textverständliche Kurwenal von Markus Eiche.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wie erwartet, ist Georg Zeppenfeld die sichere Marke-Bank schlechthin. Dass man bei Zeppenfeld und Eiche jedes Wort versteht, liegt an deren Format wie an ihren Partien. Dass es die Interpreten von Isolde, Tristan, und Brangäne da deutlich schwerer haben, aber auch.

Musikalisch war dieser Tristan jedenfalls beim Publikum, das den gleichen Extremtemperaturen im Festspielhaus ausgesetzt war wie die Sänger, ein voller Erfolg. Im ausverkauften Haus musste es allerdings auch nur zuhören und darauf achten, dass nicht das Handy auf den Holzboden fällt. Was nicht jedem gelang. Über ungeteilte Zustimmung konnten sich aber auch Roland Schwab, Piero Vinciguerra (Bühne) und Gabriele Rupprecht (Kostüme) freuen.

Nicht jeder Besucher hatte sein Handy im Griff

Schwab versucht mit seiner Deutung Wagners „Löse von der Welt mich los“ erfahrbar zu machen und auf diese Welt zurück zu reflektieren. Wenn Tristan und Isolde am Ende beide im Tode vereint sind, kommt ein altgewordenes Paar langsam an die Rampe. Es ist ein tröstlicher Philemon-und-Baucis-Moment.

Schon während des Vorspiels haben wir die beiden als junges Paar gesehen und auch danach tauchen sie, etwas älter geworden, noch einmal auf. Liebe ist auch im Leben möglich, so die Botschaft, in der die Leidenschaft zum Bild wird. Die Bühne ist ein halbrunder begrenzter Raum. In der Decke und im Boden geben ovale Ausschnitte den Blick in den Himmel und in die Tiefe brodelnder Leidenschaften frei.

Anfangs tigert Isolde wie eine Gefangene kurz vor der Explosion um einen Pool. Der beginnt sich blutrot zu färben. Wenn der Liebestrank aber wirkt und Tristan und Isolde gleichsam übers Wasser zu gehen lernen, dann wandelt er sich in einen Strudel (der Leidenschaft), der die beiden zueinander und in einen Abgrund zieht. Das ist ein atemberaubendes Bild.

Bei der großen Liebesszene tanzen die Sterne

Im Zweiten Aufzug ist es das Sternenfirmament, das sich zu spiegeln scheint. Die sind losgelöst von der Welt. Dass die große Liebesszene bei der die Sterne tanzen, zum Tribunal wird, bei dem Tristan in der Mitte auf einem Verhörstuhl sitzt und Melot (Olafur Sigurdarson) Isolde mit einem der Scheinwerfer traktiert, erreicht die beiden nicht wirklich. Grandios das Bild wie der metaphorische feindliche Tag in Form einer Batterie von gleißenden Neonröhren langsam auf Tristan niedergeht und ihn tödlich verletzt.

Im dritten Aufzug dann ein Bild aus der Rubrik „schöner Sterben“. Trauerweiden wuchern jetzt herunter, Tristan liegt wie aufgebahrt zwischen Kerzen. In weißer Kluft, so wie dann auch Isolde. Vor deren Weltflucht senkt sich ein transparenter Schleier, durch den eine Utopie schimmert, die die beiden Alten vor diesem Vorhang trotzig in ein „Liebe ist auch auf Erden möglich“ quasi übersetzen. Der Festspielauftakt ist jedenfalls gelungen.