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33. Film Festival CologneDas Glück liegt in der Kunst oder im Toilettenhäuschen

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Das Gesicht einer gemalten Frau wird mit einer Lupe vergrößert.

Der niederländische Dokumentarfilm „Vermeer - Reise ins Licht“ gehört zu den Höhepunkten des Film Festivals Cologne.

Das Film Festival Cologne könnte viel besser sein als es ist. Schöne Filme gibt es trotzdem genug zu sehen.

Köln ist bekanntlich nicht Berlin, sieht in „Schock“, dem neuen Film von Denis Moschitto und Daniel Rakete Siegel, aber immerhin so aus. Die Geschichte eines Kölner Arztes, der seine Zulassung verlor und nun Patienten aus der Halb- und Schattenwelt versorgt, spielt in Industriegebieten, Hinterhöfen und unter Bahndämmen, also dort, wo alle Großstadtkatzen grau sind, und beinahe durchgehend in neongetränkter Nacht. Nirgends ein tagesheller Hoffnungsschimmer: Unter dieser Voraussetzung leuchten die Kölner Lichter endlich auf Hauptstadtniveau.

„Schock“ hat auf dem Film Festival Cologne ein Heimspiel, auch wenn sein Köln bis zur Unkenntlichkeit mit der gefühlten Düsternis der Coronapandemie verschmilzt. Die Menschen tragen ihre Masken auf leer gefegten Straßen spazieren, und der von Moschitto gespielte Arzt bewegt sich durch eine Welt der Elenden und Verlorenen. Als ihm eine Anwältin anbietet, einen sterbenskranken Mann für 50.000 Euro zu behandeln, weiß er, worauf er sich einlässt. Es ist eine dieser Wendungen, die, jedenfalls im Kino, kein gutes Ende nehmen können.

Das größte Kölner Filmfestival ist ein seltsames Mittelding

Das Film Festival Cologne ist bekanntlich nicht die Berlinale, was man schon daran erkennt, dass sich außerhalb Kölns kaum jemand über den fehlenden Ehrgeiz dieses Festivals wundert oder überhaupt nur dafür interessiert. Es ist längst kein richtiges Fernsehfestival mehr, aber auch kein Filmfest, wie es sie in München oder Hamburg gibt, sondern ein seltsames Mittelding, auf dem selbst Miniserien allzu oft in Form von Appetithäppchen gereicht werden. Von Justine Triet, immerhin die Kölner Filmpreisträgerin, läuft in der Festivalwoche vom 19. bis zum 26. Oktober genau ein Film: der diesjährige Cannes-Gewinner „Anatomie eines Falls“. Als Hommage an Triet einige ihrer Lieblingsfilme zu zeigen, ist eine charmante Idee. Aber eine Werkschau ersetzt es nicht.

So versäumt das Kölner Festival die Gelegenheit, seinem Publikum eine bedeutende, außerhalb ihres französischen Heimatlands noch wenig bekannte Filmkünstlerin näher vorzustellen. In „Anatomie eines Falls“ bringt Triet ein Ehedrama vor Gericht, um mit leichthändiger Eleganz über das Verhältnis von Fiktion und Wirklichkeit zu spekulieren. Sandra Hüller spielt die angeklagte Ehefrau, eine erfolgreiche Romanautorin, die sich für den tödlichen Fenstersturz ihres Ehemanns verantworten soll. Aber um die Schuldfrage geht es Triet gar nicht. Sie zeigt uns nicht, wie es wirklich war, sondern, dass man eine Geschichte immer mindestens auf zwei Weisen erzählen kann.

Zwei Menschen betrachten einen Toten im Schnee.

Justine Triet erhält den Filmpreis Köln vor allem dank ihres Spielfilms „Anatomie eines Falls“

Auch in ihrem vorherigen Film „Sibyl“ erzählte Triet davon, wie sich die Fiktion vom Leben nährt und umgekehrt: Eine Psychologin stiehlt die Geschichte einer Patientin für ihren Roman, doch dann beginnen ihr eigenes Leben und die geraubten Erinnerungen zu verschwimmen. Ein Vergleich beider Filme wäre reizvoll gewesen, zumal Sandra Hüller in „Sibyl“ das andere Ich der Regisseurin spielt.

Aus Frankreich kommt auch der diesjährige Eröffnungsfilm des Festivals, Catherine Corsinis „Rückkehr nach Korsika“. Corsinis bewegendes Familiendrama lief ebenfalls im Wettbewerb von Cannes, nachdem es, wegen Vorwürfen angeblichen Machtmissbrauchs während der Dreharbeiten, vorübergehend wieder ausgeladen worden war. Der Film handelt von einer Mutter, die mit ihren beiden Töchtern für einen Sommer an den Ort traumatischer Erinnerungen zurückkehrt und die ältere Tochter zu verlieren droht. Ein derart gelungener Auftakt ist in Köln keine Selbstverständlichkeit – es bleibt zu hoffen, dass sich die Vorwürfe nicht bewahrheiten.

Wim Wenders verspricht uns nicht weniger als „Perfect Days“

Wie jedes Jahr bietet auch das 33. Film Festival Cologne neben aktuellen Film- und Fernsehproduktionen aus NRW eine Auslese des internationalen Festivalbetriebs und etliche Kölner Vorpremieren – dafür ist es auch dieses Mal unbedingt zu loben. Ein seltenes Glanzstück der Museumsdokumentation ist „Vermeer – Reise ins Licht“ über die Vorbereitungen der größten Jan-Vermeer-Ausstellung aller Zeiten im Amsterdamer Rijksmuseum. Jenseits des bürgerlichen Bildungsprogramms bietet die niederländische Regisseurin Suzanne Reas Einblicke in das Geschäft großer Blockbuster-Ausstellungen und kunsthistorischer Werkzuschreibungen, in dem es nicht selten ebenfalls um Millionenbeträge geht.

Geradezu köstlich ist eine Szene, in der Gregor J.M. Weber, Direktor des Rijksmuseums, und ein Vermeer-Experte über die Leihgabe eines US-Milliardärs lästern und das Werk (der einzige Vermeer in Privatbesitz) am liebsten als Nachahmung abschreiben würden. Allerdings geben die technologischen Untersuchungen dieses Urteil nicht her und so einigen sie sich seufzend darauf, dass auch Jan Vermeer mal unter seinen Möglichkeiten blieb.

Ein Mann und eine junge Frau schauen glücklich in den Himmel.

„Perfect Days“ von Wim Wenders läuft ebenfalls auf dem Kölner Filmfestival

An dokumentarischer Delikatesse kann es damit allenfalls Frederick Wisemans vierstündiges Porträt des französischen Drei-Sterne-Lokals Troisgros aufnehmen. Der 93-jährige Regisseur ist für seine Filme über das Innenleben öffentlicher Einrichtungen wie Schulen, Rathäuser, Bibliotheken oder Museen berühmt und widmet sich in „Menues Plaisier – Les Troigros“ mit derselben Hingabe einer privaten Institution. Die Verbindung ist offensichtlich: Wie in der Sterneküche geht es auch Wiseman um den höchsten Anspruch an handwerkliche Genauigkeit.

Sehr gespannt darf man auf das Comeback des ewigen Wunderkinds Michel Gondry sein, der mit „The Book of Solutions“ seinen ersten Film seit acht Jahren vollendete; er handelt wohl nicht zufällig von einem Regisseur, der die Aufnahmen seines neuesten Werks entführt, um sie vor dem Zugriff seiner Geldgeber zu bewahren. Richard Linklater hat sich mit „Hit Man“ ins Genre des Auftragskillerfilms gewagt, Ryūsuke Hamaguchi erzählt in „Evil does not exist“ eine ökologische Parabel über die Zerstörung der Natur, und Xavier Dolan stellt in Köln seine erste Fernsehserie vor: „The Night Logan Woke up“ ist ein fünfteiliges Familienmelodram, das, aufgeteilt auf zwei Vorstellungen, tatsächlich in voller Länge gezeigt wird.

Es liegt also eine schöne Kinowoche vor uns, aber makellos wie die Tage in Wim Wenders' neuestem Film werden sie nicht. Der japanische Filmstar Koji Yakusho spielt in „Perfect Days“ einen ebenso schweigsamen wie genügsamen Tokioter, der seine Erfüllung darin zu finden scheint, Bücher zu lesen, Bäume zu fotografieren und in seinen Arbeitspausen Menschen zu beobachten. Solche Feiern des bedürfnislosen Lebens sind für gewöhnlich mit Vorsicht zu genießen, aber der mit Chaplins Tramp verwandte Mann ist dann doch mehr als ein weiser Einfaltspinsel, und die öffentlichen Toilettenhäuser, die er täglich putzt, sind eine Designschau erster Güte. Vergleichbares wird man in Köln nur mit geschlossenen Augen sehen.


Film Festival Cologne, diverse Spielorte, Köln, 19. bis 26. Oktober 2023